Zum Artikel „Dauerbrenner“ auf der Scherenburg vom 23. August erreichte die Redaktion folgender Leserbrief:
Diesen Leserbrief schreibe ich nicht, weil ich Lisa Fitz Meinung, die sich meistens klar von meiner unterscheidet, nicht ertragen würde. Und selbst wenn, müsste sie keinerlei Rücksicht auf mich nehmen. Ich möchte nur einige kritische Anmerkungen anbringen, die ich im Bericht der Main-Post vermisst habe. Leider mangelt es dem Bericht an kritischer Distanz und Differenziertheit. Tugenden, die im Journalismus geboten sind, besonders in der Berichterstattung über eine derart polarisierende Figur.
Lisa Fitz ist nicht polarisierend, weil sie aneckt. Das tut nahezu jeder, der diskutiert. Das Anecken gehört zur Demokratie wie das Amen zur Kirche oder auch wie die stilisierte Opferrolle bei Fitz. Wie viele andere in der heutigen Zeit, redet sie darüber, dass sie nicht mehr reden dürfe; gibt ihre Meinung zum Schlechtesten und behauptet im selben Atemzug, nicht ihre Meinung frei äußern zu können. Damit geht sie ebenjenen auf den Leim, unter deren Herrschaft wir tatsächlich diese Einschränkungen zu beklagen hätten.
Charakteristisch ist zudem der Lobgesang auf das Vergangene bei gleichzeitiger Verteufelung der Gegenwart. Dabei weiß Lisa Fitz als „Pionierin des Frauenkabaretts“ bestimmt, wie viele Grundrechte Frauen vorenthalten wurden, als ihr so gelobter Strauß regierte. Und dass dieser betrunken bessere Interviews gegeben hätte als Spahn, liegt daran, dass wir oft genug Gelegenheit dazu hatten, Strauß in weniger nüchternem Zustand zu erleben. Etwas, was ich persönlich nicht besonders an einem Politiker schätze.
Doch über die vielen positiven Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sieht Fitz hinweg. Ihre Diagnose, dass die Menschen heute „Betroffen, blutleer, beleidigt“ seien, ist ebenso verkürzt wie verzerrt. Die Menschen sind heute politisierter und, ja, betroffener. Sie sehen ihre eigene Verantwortlichkeit und nehmen ihren Gestaltungswillen ernst. Es wird diskutiert und zwar mehr und vielstimmiger als vor 40 Jahren, und das ist gut so.
Ebenso wenig ist Lisa Fitz polarisierend, weil sie „politische Eliten“ kritisiert. Ich würde sogar behaupten, sie selbst ist ein Teil davon. Nach 40 Jahren Auftretens mit klarer Äußerung ihrer Meinungen gehört sie zu den Meinungsmachern dieses Landes. Diese Position hat sie inne und beeinflusst so auch andere. Das ist legitim, solange auch andere in die Lage kommen, Einfluss nehmen zu können.
Das aber fordert sie nicht, ganz im Gegenteil. Sie stimmt mit ein auf die Verballhornung von politischer Korrektheit, sehr wohl wissend, dass mit ihr lediglich das ungehinderte Mitreden aller bezweckt wird. Wenn Fitz stattdessen behauptet, die politische Korrektheit würde das Kabarett zerstören, tun mir ihre Zuschauer leid. Denn wer nur Witze auf Kosten anderer machen kann, hat im humoristischen Handwerk einiges nachzuholen.
Meine Bitte: Mehr Köpfchen beim Witze schreiben und Berichten. Die Menschen verdienen und wollen das.
Bernhard Schüßler
97737 Gemünden