"Um die Heimat zu verstehen, muss man in sein Dorf zurück." Diese Maxime beschreibt nicht nur die tiefe Bindung Leonhard Schäfers an seinen Geburtsort Obersinn, sie trifft auch auf sein neustes Buch zu. Das 184-seitige Werk "Die Wikinger von Obersinn und andere Heimatgeschichten" wurde zu Schäfers 80. Geburtstag veröffentlicht. Bürgermeisterin Lioba Zieres charakterisierte den in Italien lebenden Autor bei der Buchpräsentation als kreativen und fantasievollen Geschichten- und Geschichtsschreiber, immer mit einem Schalk im Nacken. Etwa ein Drittel stimmt, ein Drittel könnte stimmen und ein Drittel ist erfunden, sagte sie über Schäfers neues Buch.
Gurkenakademie und Wikingerstudien
"Mich hat besonders die Entstehungsgeschichte von Obersinn interessiert: Forschungsarbeit am Institute of Viking studies in Reykjavik und der Gurkenakademie in Gochsheim lieferten eindrucksvolle Beweise", so Schäfer augenzwinkernd. Bei der Gründung Obersinns, der Namensgebung und die Herkunft der Bewohner griff der Autor zu Interpretationen. Was er nicht belegen konnte, wurde "stimmig" gemacht". Schäfer lud Zuhörer und Leser zu einer fantastischen Reise durch 1000 Jahre Obersinner Geschichte ein. "Auf keinen Fall erwartet den Leser eine Dorfchronik."
Der Förderverein Obersinn hatte in Zusammenarbeit mit dem Leo-Weismantel-Arbeitskreis zur Buchpräsentation ins Ensemble des Dorfplatzes geladen, wo ihn Lioba Zieres und Rudolf Dill begrüßten. Schäfer erinnerte in seinem Vortrag an die Wichtigkeit des Dialekts, der zur Kultur des Dorfes gehöre. Schon deshalb trug er die meisten Textpassagen seines Buches im Platt.
Geschichten aus 1000 Jahren
Der erste Teil des Buches erzählt Obersinner Geschichten vom 10. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende des Jahres 2000, die zweite widmet sich spannenden Geschichten aus der Welt des 19. Jahrhunderts. Beide zeigen die Not und Mühsal der einfachen Bevölkerung, und immer wieder den Versuch der Auflehnung und Rebellion gegen die Reichen und Mächtigen.
Der in Obersinn oft vorkommende Nachname Weikinger regte ihn an, die nordischen Wikinger bei der Entwicklung und Geschichte Obersinns eine größere Rolle spielen zu lassen. Sie folgten vom Main einem Flüsschen in Richtung ihrer Heimat. Als der Wasserlauf immer schmaler wurde, lässt Schäfer den Steuermann rufen: "Das macht doch keinen Sinn!" Und schon hatte der Fluss seinen Namen. Ureinwohner feierten mit den Gästen, den Weikingers und aßen von dem krummen, kümmerichen Gemüse, das diese mitgebracht hatten. Es schmeckte später sogar dem Fuldaer Fürstabt derart, dass er das Wikinger-Dorf künftig Kümmerling nannte.
Modezar und Obersinner Model
Leonhard Schäfer lässt in seinem Buch später immer wieder historische Orts- und Kulturgrößen auftreten wie den scharfen Richter von Orb, den Bohnenkaspar, den Gerichtssekretär Otto Bickert, den langen Fischer oder "die Ötz", die eine seltsame lila Blume mitbrachten. Dem Schriftsteller Leo Weismantel widmet Schäfer die Hommage "Nur in Obersinn kann ich frei atmen", er beschäftigt sich aber auch mit der jüdische Gemeinde im benachbarten Mittelsinn, mit der NS-Zeit und ihren Mitläufern, oder mit einem Obersinner, der das Dorf in den 1990er Jahren stolz gemacht hatte, weil er es dank der Bekanntschaft mit einem Modezar geschafft hatte, auf die Titelseite eines bekannten Münchener Magazins zu kommen.
Abschließend lobte Lioba Zieres Schäfers "Heimatgefühle für Obersinn". Rudolf Dill lud zur Sonderausstellung in das Leo-Weismantel-Museum über die schriftlichen Arbeiten von Obersinnern über Obersinn ein.