Aus einem in der Nacht zum 5. August 2017, früh um 2.08 Uhr in der Sparkassen-Filiale von Karlburg mit großem Knall gesprengten Geldautomaten, nahmen zwei maskierte Männer 132 360 Euro mit. Zurückgelassen haben sie zwischen vielen Glasscherben auf der Straße 6 750 Euro und einen Sachschaden von etwa 60 000 Euro am Gebäude und der Einrichtung.
Einen der Täter (33) , mit elf Vorstrafen in Polen und zwei in Deutschland , hat die 8. Strafkammer des Landgerichts Würzburg jetzt zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dabei ist auch ein "Besuch" in einer Filiale der Raiffeisenbank in Rentwertshausen im Landkreis Schmalkalden/Meiningen zwei Monate später "berücksichtigt". Dort sind die Täter offensichtlich gestört worden und haben ihr Arbeitsgerät, darunter Klebeband und ein Stemmeisen, voller DNA- Spuren zurückgelassen.
Zwei Monate lang hat der Angeklagte vor Gericht keine Angaben gemacht, aus Polen angereiste Zeuginnen, seine Verlobte und eine Nichte, gaben ihm Alibis für die Tatzeit, die vom Gericht allerdings als "erkennbar gelogen" zu den Akten genommen wurden. Überführt hat den Mann, für Staatsanwalt Tobias Knahn ein "hochgefährlicher Berufskrimineller", eine am Tatort in Karlburg sichergestellte leere Papprolle, auf der mal Küchentücher waren. Die wurde für die Kriminalpolizei zur "Visitenkarte" des Täters aus dem 610 Kilometer entfernten Glogow in Polen.
Papprolle mit DNA-Spuren liegen gelassen
Von der Papprolle hat der Angeklagte offensichtlich vor dem Automaten-sprengen eine 15 Meter lange Zündschnur abgewickelt und dabei in der Papphülse innen DNA-Spuren hinterlassen. Die Papprolle fanden die Ermittler in den weit verstreuten Glasscherben vor der Filiale, sie lag unmittelbar neben dem Ende der Zündschnur. Beim Verlassen des Tatortes hatten die Täter offensichtlich, so der Vorsitzende Dr. Konrad Döpfner, die Bedeutung der Rolle unterschätzt und sie liegenlassen. Daher konnte schon bald ein Haftbefehl und ein Auslieferungsantrag nach Polen geschickt werden.
Zu viel Gasgemisch hätte tödlich sein können
Weitere Spuren gab es nicht, zahlreiche Kamera-Aufnahmen ließen sich nicht auswerten, da die Männer bis zur Unkenntlichkeit maskiert waren. Straferschwerend war für das Gericht, dass der Tatort in Karlburg in einem Haus mit darüber liegenden Wohnungen und Wohnhäusern in unmittelbarer Nachbarschaft war. Das fürs Sprengen des Automaten nötige Gas-Gemisch hätten die Täter "über den Daumen gepeilt", ein zu viel hätte schnell zu Toten und Verletzten führen können.
Navis verrieten Tatorte und weitere Vorhaben
Mögliche Mittäter aus einem "Freundeskreis" in Glogow sind inzwischen in Polen festgenommen worden. Sie können aber noch nicht ausgeliefert werden, da sie erst zum Teil längere Strafen, bis zu sechs Jahren, absitzen müssen. Ein Beamter des Landeskriminalamts Brandenburg bringt neun "offene Geldautomaten-Fälle" mit dieser Tätergruppe in Verbindung. In den NAVIS der Verdächtigen seien regelmäßig Orte gespeichert gewesen, in denen Geldautomaten gesprengt wurden oder werden sollten. So habe man Hinweise auf Karlburg gefunden, Gemünden und Dittelbrunn. Es gebe Blitz-Bilder von Radar-Kontrollen in Tatortnähe und Hinweise darauf, dass die Täter zum Zeitpunkt ungeklärter Automaten-Sprengungen mit ihren Handys in den Funkzellen dort eingeloggt waren.
Verteidiger beantragten Freispruch
Der sogenannte genetische Fingerabdruck des Angeklagten in der Papprolle in Karlburg und auf Arbeitsgerät in Rentwertshausen hat zwei Verteidiger nicht davon abhalten können, Freispruch zu beantragen. Man könne nicht ausschließen, so Rechtsanwalt Wöbbecke aus der Nähe von Hannover und sein Kollege Janus Galka ( Würzburg/ Schweinfurt ), dass ihr Mandant bei den mit ihm befreundeten Männern in Glogow aus irgendeinem Grund, Reparaturarbeiten am Auto zum Beispiel, mal diese Gegenstände in der Hand hatte. Gegen die Täterschaft spreche unter anderem auch, dass der Angeklagte in der Zeit nach der Automatensprengung in Karlburg mit dicker Beute zuhause in Polen nicht mit Geld um sich geworfen, keine teuren Autos gefahren und keine Immobilien gekauft hat.
Umfangreiches DNA-Material gesichert
Den Verurteilten erwartet nach dem Würzburger Urteil bereits der nächste Prozess - und zwar in Hanau. Dort soll eine polnische Tätergruppe, bevor man sich ab dem Jahr 2016 aufs Sprengen spezialisierte, zwei Geldautomaten aus der Verankerung gerissen und anschließend im Wald bei Bad Orb gesprengt haben. Auch dort ist umfangreiches DNA- Material vom Angeklagten gesichert worden.