Der Wohnraummangel gilt in Deutschland als ein sich stetig verschärfendes Problem. Wenn darüber gesprochen wird, geht es allerdings meist um Wohnraum für Menschen. Es gibt jedoch noch eine andere Gruppe, die vielerorts unter Wohnungsmangel leidet. Die Rede ist von Vogelarten, die an Gebäuden brüten.
Um sich für Main-Spessart einen Überblick über Bestand und Nistplätze unter Druck geratener Arten, wie Schwalben, Turmfalken, Mauerseglern oder Haussperlingen zu verschaffen, startet die Kreisgruppe des Landesbundes vor Vogelschutz (LBV) ein Projekt zur Erfassung der Gebäudebrüter. Jedermann sei aufgerufen, mitzumachen, sagt Projektkoordinator Georg Schmidt. Es gehe um eine langfristige Erhebung, deren Ergebnisse nicht nur Behörden eine Hilfe an die Hand geben, sondern im Idealfall auch den Gebäudebrütern selbst helfen sollen.
Nischen und Spalten nehmen ab
Dass an Gebäuden brütende Vogelarten selbst im weitgehend ländlich geprägten Main-Spessart zunehmend Probleme bei der Suche nach geeigneten Nistplätzen haben, hat laut Schmidt verschiedene Gründe. Einer davon sei die energetische Modernisierung von Gebäuden. Durch die Dämmung von Fassaden verschwänden nicht selten bislang als Brutplatz dienende Nischen oder Spalten.
Daneben spiele auch das Verschließen nicht mehr genutzter Ställe oder das aktive Vergrämen von Gebäudebrütern eine Rolle. Vielfach fehle es den Menschen am Bewusstsein für Nutzen, Bedrohungsgrad und gesetzlichen Schutzstatus der betreffenden Arten. Diese seien zwar klassische Kulturfolger, gerieten in der Kulturlandschaft jedoch zunehmend unter Druck, erklärt Schmidt.
Der 40-jährige Sendelbacher sagt von sich, schon seit Kindesbeinen von der Natur und speziell von Vögeln fasziniert zu sein. Beruflich als Feuerwehrmann in Frankfurt tätig, widmet sich Schmidt in seiner Freizeit und speziell in seinem als vogelfreundlich zertifizierten Garten oberhalb des Sendelbacher Mainufers ausgiebig dem Artenschutz. Neben einem Angebot an Wasser, Futter und Versteckmöglichkeiten seien passende Nistmöglichkeiten der Schlüssel für die Vögel, sagt er.
Projekt wird auf lokaler Ebene fortgeführt
"Man muss die Vögel unterstützen", lautet Schmidts Credo, das er bereits seit über einem Jahrzehnt in seinem eigenen Umfeld praktiziert. Vor zwei Jahren in den LBV eingetreten, bringt er sich nun in das Gebäudebrüter-Projekt ein. Auf bayernweiter Ebene hatte der LBV dieses Projekt schon laufen, doch es ist mittlerweile eingestellt. Die Internetseite mitsamt Datenbank und Eingabemaske für Fundorte von Gebäudebrütern existiert jedoch noch. Diese Infrastruktur will die Kreisgruppe für die Fortführung des Projekts auf lokaler Ebene nutzen.
Das Konzept ist denkbar einfach: Jeder, der an oder in irgendeinem Gebäude Vögel brüten sieht, kann den Standort mitsamt der Vogelart melden. Mitglieder des LBV überprüfen die Meldung und schalten sie danach für die Datenbank frei. "Es geht also erst einmal nur um die reine Erfassung", sagt Schmidt. Bislang sei der Bestand an Gebäudebrütern in Main-Spessart bestenfalls bruchstückhaft bekannt. Sicher, man wisse, dass im Lohrer Schloss, im Sendelbacher Kirchturm oder am Forsthof Turmfalken brüten. Auch das Mauersegler-Vorkommen am Lohrer Bayersturm oder die Mehlschwalben-Kolonie in der Karlstadter Altstadt seien bekannt.
Doch in der Landkarte, die aus den Daten der mittlerweile beendeten landesweiten LBV-Aktion erstellt wurde, sind von 40 Gemeinden im Landkreis 36 als weiße Flecken ausgewiesen. Soll heißen: Von dort gibt es keinerlei Daten zum Vorkommen von Gebäudebrütern. Das soll sich ändern.
Daten sollen praktischen Nutzen entfalten
Schmidt und die LBV-Kreisgruppe hoffen daher auf rege Meldungen aus der Bevölkerung und darauf, dass sich die Datenbank füllt. Die Daten selbst sollen jedoch nicht nur gesammelt werden, sondern auch einen praktischen Nutzen entfalten. Schmidt spricht davon, dass etwa Behörden auf die Daten zugreifen können sollen, beispielsweise um bei Bauanträgen oder ähnlichen Vorgängen überprüfen zu können, ob geschützte Arten betroffen sind. In manch anderen Landkreisen gebe es ein solches Zusammenspiel bereits, sagt Schmidt. Gerade bei öffentlichen Gebäuden seien Behörden schließlich dazu verpflichtet, aktiv zu prüfen, ob durch Bau- oder sonstige Maßnahmen, geschützte Arten beeinträchtigt seien.
Man wolle durch den Aufruf, Gebäudebrüter zu melden, jedoch nicht nur einen Überblick über das Vorkommen im Landkreis erhalten, sondern auch das Bewusstsein der Menschen für die Situation der betreffenden Arten schärfen. Der LBV biete sich interessierten Hausbesitzern auch als Berater in der Frage an, wie man Gebäudebrütern durch Nisthilfen oder sonstige Kniffe unter die Arme beziehungsweise Flügel greifen kann.