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STEINFELD
Landwirt wehrt sich gegen Konzerne
In vielen Bereichen versuchen die großen Konzerne ihre Interessen durchzudrücken, ihre Macht zu vergrößern - auch in der Landwirtschaft. Dem Steinfelder Hubert Handel bereitet diese Entwicklung Sorge.
Wolfgang Dehm
 |  aktualisiert: 03.06.2015 21:42 Uhr

In vielen Bereichen versuchen die großen Konzerne ihre Interessen durchzudrücken, ihre Macht zu vergrößern – auch in der Landwirtschaft. Dem Landwirt Hubert Handel aus Steinfeld (Lkr. Main-Spessart) bereitet diese Entwicklung Sorge, obwohl er gerade einen Teilerfolg errungen hat.

Früher war es so, dass der Bauer von seiner Ernte etwas Saatgut aufbewahrte, um es im nächsten Jahr wieder auszusäen. In Fachkreisen spricht man bei einem solchen Vorgehen von Nachbau.

Doch dieses uralte Prinzip der Landwirtschaft wollen die großen Saatguterzeuger zu ihren Gunsten umpolen. Seit Ende der 1990er Jahre fordern sie von Landwirten, die mit geschützten Sorten Nachbau betreiben, nicht nur die unumstrittenen einmaligen Lizenzgebühren, sondern auch Nachbaugebühren für die nächsten 25 bis 30 Jahre.

Gegen diese Nachbaugebühren und die Mittel und Wege, die die Pflanzenzüchter benutzen, um sie einzutreiben, wehrt sich die Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren, mit deutschlandweit rund 1000 Mitgliedern; ihr gehört seit 1999 auch der Steinfelder Vollerwerbslandwirt Hubert Handel (49) an. Jetzt hat Handel einen kleinen Erfolg erzielt, die Zukunft sieht er dennoch eher düster. Aber der Reihe nach.

Alle Jahre wieder flattert Handel ein Formular der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH ins Haus, in dem er angeben soll, welche Sorten er nachgebaut hat. Diese Firma vertritt die Interessen von rund 50 Pflanzenzüchtern und Saatguterzeugern.

Laut Handel enthalten diese Anfragen der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH oft keine Angaben darüber, für welche Sorten Nachbaugebühren entrichtet werden sollen. In solchen Fällen sei der Landwirt nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs auch nicht zur Auskunft verpflichtet. Anders verhalte sich die Sache, wenn Sorten benannt seien. Als er vor einiger Zeit ein solches Schreiben bekam, habe er der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH per Fax Auskunft erteilt – handschriftlich auf einem weißen Blatt.

Dass er dafür nicht das von der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH mitgeschickte Formular verwendete, hängt laut Handel damit zusammen, dass die Fachanwälte der Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren davon abraten; benutze man das Formular, könnten dadurch weitergehende Verpflichtungen entstehen.

Obwohl Handel, wie er sagt, der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH Auskunft erteilt hat, bekam er im Februar dieses Jahres Post vom Landgericht München I. Es handelte sich um eine Klage der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH gegen ihn wegen „Auskunfts- und Entschädigungsanspruchs aus sortenschutzrechtlichen Bestimmungen“. Streitwert: 1000 Euro.

Zu einer Verhandlung kam es nicht. Zwar gab es noch einigen Schriftverkehr hin und her, aber nachdem Handels Ehefrau bezeugt hatte, dass ihr Mann der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH per Fax Auskunft erteilt hatte, war die Sache vom Tisch. Für Herbst 2014/Frühjahr 2015 soll Handel nun erneut eine Nachbauerklärung abgeben. Da in dem Schreiben jedoch keine Sorten genannt seien, sei er nicht zur Auskunft verpflichtet.

Handels Worten zufolge „geht das seit fast 20 Jahren so zu“. Den Erzeugerkonzernen gehe es darum, dass die Landwirte über ihr Saatgut „keine Rechte mehr haben“. Auf der anderen Seite gebe es aber auch einen „gewissen Widerstand“ der Bauern, der Handels Meinung nach noch größer sein könnte.

Der Steinfelder Landwirt ist davon überzeugt, dass die Erzeugerkonzerne am liebsten nur noch gentechnisch veränderte Produkte auf den Markt bringen würden, „dann könnten sie alles diktieren“. Damit meint er, dass die Bauern dann auch noch die ebenfalls von den Erzeugerkonzernen hergestellten und auf die eigenen Pflanzen abgestimmten Spritzmittel kaufen müssten, um die Ernte nicht zu gefährden.

Doch da es in Deutschland einen starken Widerstand gegen gentechnisch veränderte Produkte gebe, glaubt Handel, dass sich die Erzeuger komplett auf Hybridzüchtungen verlegen werden – mit denen kein Nachbau möglich sei; bei Mais sei dies bereits der Fall . . .

 
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  • roschi
    US Blutsauger, (MS,Apple,Monsato,Cargill,Oracle,... usw. endlose Liste ) u. deren geplante "Abkommen" müssen in Europa verhindert werden.
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  • christian@kreatil.de
    Man kann zwar die Geschäftspolitik international agierender Konzerne kritisieren, aber mit Verlaub, das Wort „Blutsauger“ entstammt dem Sprachschatz linker und rechter Demagogen. Ich hoffe Sie gehen denen nicht auf den Leim, roschi.
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  • keine Frage ich bin für Freihandel international, nicht bilateral. Mit TTIP werden mit Sicherheit die Probleme für die Landwirtschaft größer werden. Das was hier beschrieben wird wird sich mit TTIP fortsetzen. Deshalb verstehe ich die für die Landwirtschaft zuständigen Ministerien in Land und Bund nicht, wenn sie für TTIP eintreten. Wenn alles so bleiben soll wie es ist , dann kann die Landwirtschaft ja ausgespart werden. .... Ist es aber nicht.
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