Die Lohrer Stadtverwaltung unter Führung von Bürgermeister Mario Paul hat bei der Erneuerung der Fahrbahndecke in der Sackenbacher Pfingstgrundstraße gegen Vergabe- und Haushaltsvorschriften verstoßen, überdies gegen die Geschäftsordnung des Stadtrats. Zu diesem Urteil kommt die Rechtsaufsicht des Landratsamtes nach einer Prüfung. Angestoßen hatte diese Prüfung die Stadtratsfraktion der CSU – mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde.
"Es ist unzweifelhaft, dass ein Fehler gemacht wurde. Dafür entschuldige ich mich auch im Namen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung", sagt Paul auf Anfrage der Redaktion über den Vorgang.
Zur Vorgeschichte: Die Stadt hatte Ende 2022 in Sackenbach Abschnitte der seit Jahren in schlechtem Zustand befindlichen Zufahrt zu Tierheim und TSV-Sportplatz kurzfristig und umfassend erneuern lassen. Im Stadtrat, der erst durch die Ankündigung der Straßensperrung von den Arbeiten erfuhr, wurde dazu deutliche Kritik laut. Unter anderem der damalige CSU-Fraktionsvorsitzende Matthias Schneider warf dem Bürgermeister vor, mit der ohne Einbindung des Stadtrats erfolgten Auftragsvergabe seine Kompetenzen überschritten und gegen Bestimmungen verstoßen zu haben.
Bei den Arbeiten wurden auf rund 1200 Quadratmetern die Fahrbahndecke abgefräst und erneuert, 260 Meter Randsteine gesetzt und 45 Tonnen Mineralbeton verbaut, führte Schneider damals aus. Über ein Projekt solcher Dimensionen müsse der Stadtrat entscheiden. Mit dem in Sackenbach verbauten Geld hätte man besser stärker frequentierte und in der Prioritätenliste weiter oben stehende Straßen angehen sollen, so Schneider.
Paul wies Kritik zurück
Bürgermeister Paul indes hatte damals der CSU vorgeworfen, der Verwaltung zu misstrauen. Es handle sich bei den Arbeiten zwar um ein "vergleichsweise umfangreiches" Projekt, dieses falle jedoch eindeutig unter den laufenden Straßenunterhalt. Für diesen laufenden Straßenunterhalt schließt die Stadt alljährlich einen Pauschalvertrag mit einem Bauunternehmen ab. Die Arbeiten werden dann üblicherweise von der Verwaltung ohne weitere Rücksprache beauftragt.
Wie Paul vertraten damals auch Bauamtsleiter Ingo Schmitt und Hauptamtsleiter Dieter Daus die Ansicht, dass es sich bei den Arbeiten um laufenden Straßenunterhalt handle. Paul erklärte seinerzeit noch, dass man die Arbeiten beauftragt habe, weil sich Anlieger über den "kriminellen Zustand" der Straße beklagt hätten und eine Besichtigung die Schilderungen bestätigt habe.
Mehrfach Thema im Rat
Der Streitfall kam damals gleich dreimal in Ratssitzungen zur Sprache. Nachdem die Verwaltung bei ihrer Sicht blieb, kündigte der CSU-Fraktionsvorsitzende schließlich an, den Vorgang vom Landratsamt prüfen zu lassen. Die Folge war eine im Juni eingereichte Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Paul. An die Öffentlichkeit war die CSU mit dem Thema bis zuletzt nicht gegangen. Erst als die Redaktion über Umwege von dem Vorgang erfuhr, äußerten sich Landratsamt und CSU-Fraktion auf Nachfrage dazu.
Das Landratsamt erklärte in Gestalt seines Pressesprechers Markus Rill, dass der Stadtrat über die betreffenden Straßenarbeiten hätte beschließen müssen. Es handle sich um eine außerplanmäßige Ausgabe der Straßeninstandsetzung. Die ausführliche schriftliche Begründung, welche das Landratsamt sowohl an Rathaus als auch CSU-Fraktion geschickt hat, liegt der Redaktion vor. Darin geht es über längere Strecken um einschlägige Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen zwischen Arbeitsumfängen. Das alles lässt sich so zusammenfassen: Die Arbeiten an den rund 300 Metern der Tierheimzufahrt waren eindeutig zu umfangreich, um sie dem von einer Verwaltung eigenständig zu organisierenden laufenden Straßenunterhalt zuzuordnen.
"Fehlerhaftes" Vorgehen
Als Beleg führt das Landratsamt unter anderem an, dass die Stadt – allerdings nur bei einer einzigen Baufirma – eigens ein Angebot für die Arbeiten eingeholt hatte. Ein solches Angebot wäre nicht nötig gewesen, wenn die Arbeiten über den per Jahresbudget abgedeckten Straßenunterhalt abgewickelt worden wären, so die Behörde.
Das von der Stadtverwaltung gewählte Vorgehen sei "fehlerhaft" gewesen, urteilt das Landratsamt. Es spricht von Verstößen gegen die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, gegen die Geschäftsordnung des Stadtrats und gegen "haushalterische Vorschriften". Dies habe man der Stadt deutlich gemacht. Da die Baumaßnahme abgeschlossen sei, habe man die Stadt zur schriftlichen Zusicherung aufgefordert, dass die Vorgaben künftig beachtet werden, heißt es in dem Schreiben des Landratsamtes.
Paul: Gibt keine Wiederholung
Bürgermeister Paul erklärt auf Anfrage der Redaktion dazu, dass sich ein solcher Vorfall nicht mehr wiederholen könne. Er habe bereits nach der damaligen Kritik veranlasst, dass es künftig in vergleichbaren Fällen eine schriftlich fixierte, sachlich begründete Abgrenzung zwischen Straßenunterhalt und -erneuerung geben müsse. Ihm persönlich sei diese nicht immer einfache Abgrenzung "bislang nicht bekannt gewesen", so Paul. Auch habe es früher schon "einzelne Maßnahmen größeren Umfangs" gegeben, die über den laufenden Straßenunterhalt und ohne Beschluss des Stadtrats abgewickelt worden seien.
Die Folgen des im Sackenbacher Fall gemachten Fehlers seien jedoch "überschaubar", so der Bürgermeister. Eine Straße, die sich in "katastrophalem Zustand" befunden habe, sei "zügig und wirtschaftlich instandgesetzt" worden. Die Kosten dieser Instandsetzung haben sich allerdings gegenüber der ursprünglichen Planung fast verdoppelt. Unterm Strich stehen laut Paul nun statt der kalkulierten 77.000 Euro rund 141.000 Euro. Dies begründet Paul unter anderem mit unerwartet notwendig gewordenen Kanalarbeiten.
Die Lohrer CSU sieht ihre damalige Kritik durch das Ergebnis der Dienstaufsichtsbeschwerde untermauert. "Das Landratsamt hat uns zu 100 Prozent bestätigt", sagt Frank Seubert, der die Fraktion seit wenigen Tagen als Nachfolger des aus dem Stadtrat ausgeschiedenen Matthias Schneider führt. Man habe das Thema damals dreimal im Gremium angesprochen und sei jedes Mal "vom Bürgermeister abgebügelt worden". Deswegen habe man die Sache vom Landratsamt prüfen lassen. Das Ergebnis sei eindeutig, so Seubert.