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MAIN-SPESSART
Landmenschen im Fokus
Landfrauen-Austausch: Brandburger Landfrauen besuchen die Main-Spessart-Landfrauen und informieren sich auf dem Hof von Anton Fleckenstein.
Foto: ArchivSusanne Feistle | Landfrauen-Austausch: Brandburger Landfrauen besuchen die Main-Spessart-Landfrauen und informieren sich auf dem Hof von Anton Fleckenstein.
Von unserem Redaktionsmitglied Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 08.06.2015 11:05 Uhr

W er bei den Frauen das Sagen haben soll? Vor 67 Jahren entschieden das die Männer. 1948 traten in Bayern die ersten Orts- und Landesbäuerinnen ihren Dienst an. Wer das Amt übernehmen sollte, darüber wurde meist in rein männlichen Bauernversammlungen abgestimmt. Undenkbar – zu heutigen Zeiten. Schon 1996 waren es die Bauersfrauen aus Eußenheim, die Maria Hoßmann zu ihrer Ortsbäuerin machten. Elf Jahre später wählten sie Landfrauen aus dem gesamten Landkreis zu ihrer Kreisbäuerin. Mittlerweile ist die 50-Jährige bereits in ihrer zweiten Amtsperiode.

So sehr das Wahlprozedere in den Anfängen der Bäuerinnen-Vereinigung von Männer bestimmt wurde – thematisch ging es schon immer um die Frau. „Die Ortsbäuerinnen nehmen auf, was die Frauen im Ort bewegt und geben es weiter an die Kreis-, Bezirks- und Landesbäuerinnen“, beschreibt Maria Hoßmann. Das ist heute so wie damals. Geändert haben sich lediglich die Inhalte. Standen nach dem Krieg viele Bäuerinnen zunächst vor der Aufgabe, ihren Hof alleine zu organisieren, weil ihre Männer nicht heimkehrten, beschäftigt die Landwirtschaft heute der Strukturwandel. Nach dem Krieg gab es überwiegend Vollerwerbsbetriebe, auf denen die ganze Familie schaffte. Heute bewirtschaften viele Bauern ihren Hof im Nebenerwerb. So sind Frauen wie Männer „nebenbei“ noch berufstätig. „Zudem kommen viele Frauen nicht mehr aus der Landwirtschaft und haben einen anderen Hintergrund“, sagt Maria Hoßmann. Sie selbst hat Bürokauffrau gelernt, ist aber in einer landwirtschaftlichen Familie groß geworden.

„Viele glauben tatsächlich, dass es bei uns so ist, wie bei der Sendung Bauer sucht Frau.“
Maria Hoßmann Kreisbäuerin Main-Spessart

Für die Arbeit der Orts- und Kreisbäuerin heißt das: Damit möglichst viele ihre Anliegen empfangen, muss auf verschiedenen Kanälen gesendet werden. So kümmert sich Maria Hoßmann zum einen darum, Frauen im Landkreis durch Veranstaltungen und Weiterbildungsangebote zu unterstützen. Über das Bildungswerk des Bayerischen Bauernverbands wählt sie Passendes für den Landkreis aus. „Das kann zum Beispiel ein Vortrag zu den Themen ,Pflege – wie verantwortlich bin ich meinen Eltern gegenüber?‘ oder ,Erfolg ist weiblich‘ sein oder ein gemeinsamer Einkauf unter dem Aspekt, wie man Zeit und Geld spart“, erklärt sie. Aber auch das Thema Gesundheit spielt eine Rolle. Zu einem Vortrag über das Thema „Darmgesundheit“ kamen auch viele Männer.

Zum anderen ist es die Öffentlichkeitsarbeit, die die Kreisbäuerin zunehmend beschäftigt. „Wir bieten zum Beispiel Führungen auf landwirtschaftliche Betriebe an, um den Leuten die Skepsis zu nehmen oder auch, um zu zeigen, wie es wirklich auf den Höfen aussieht. Einige haben da zu sehr das „Landlust“-Bild der bekannten Zeitschrift im Kopf“, beschreibt die Kreisbäuerin. Ebenso ein Landfrauen-Thema: Den Wert regionaler und saisonaler Lebensmittel zu vermitteln, sprich Erdbeeren zur Erdbeerzeit zu kaufen, Fleisch, Obst und Gemüse beim regionalen Anbieter. „Damit die Wertschöpfung in der Region bleibt“, sagt Maria Hoßmann.

Wie die Landfrauen in der Öffentlichkeit im Gegenzug wahrgenommen werden? 1996 bei ihrem Amtsantritt war es noch die Bäuerin in Gummistiefeln und Kopftuch, die sich viele vorstellten, erzählt sie. Heute werde die Arbeit der Frauen auf dem Hof sehr viel differenzierter wahrgenommen und anerkannt. Aber das Bild wird auch verzerrt, zum Beispiel durch TV-Sendungen wie „Bauer sucht Frau“. „Viele glauben tatsächlich, dass es so ist, wie im Fernsehen“, so Hoßmann.

In Wirklichkeit nimmt die Zahl der alleinstehenden Bauern ab, sagt Elmar Konrad, Geschäftsführer beim Bayerischen Bauernverband Main-Spessart (BBV). „Dagegen gibt es immer mehr Frauen, die einen Landwirt heiraten, weil sie gerne aufs Land wollen“, sagt Konrad. Da hätten es Landwirte zur Zeit fast leichter als Schreiner, Bäcker oder Metzger. „Die Landfrauen heute sind selbstbewusst, reden mit und treffen ihre eigenen Entscheidungen“, sagt Gerhard Endres, Kreisobmann des BBV in Main-Spessart und aktiver Landwirt aus Rohrbach. Den Landfrauen im Verband bescheinigt er gute Arbeit. Im Gegensatz zu den Männern hätten sie es aber einfacher, sich vom landwirtschaftlichen Betrieb loszueisen, um bei einem Ausflug oder Abendtermin mitzumachen. „Männer tun sich da schwerer“, so Endres. Meist kommt etwas dazwischen – und wenn es nur der Wetterumschwung ist. Die eigene Arbeitszeit zu beherrschen, Arbeitsbeginn und Ende im Griff zu haben und sich selbst Urlaub zu gönnen, sei immer noch eine Herausforderung in der Landwirtschaft.

Richtig ist, dass der Beruf früher wie heute nicht in eine 37-Stunden-Woche zu pressen ist. Und dass die Trennung von Arbeits- und Privatleben auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, auf dem beide Partner mitschaffen, schwierig ist. Dafür sei die Burnout-Rate bei Landwirten geringer, weiß Maria Hoßmann. Sie begründet das mit der Abhängigkeit der Landwirte von Jahreszeiten, Klima und Vegetation. Was die ausmachen, weiß sie aus eigener Erfahrung: Auf ihren Ackerflächen bauen Hoßmanns zwölf verschiedene Feldfrüchte sowie Wein an. Der Erfolg in der Landwirtschaft sei somit nicht nur abhängig von der Leistung des Einzelnen. Er hängt auch an Faktoren, die der Mensch nicht beeinflussen kann – das entspannt und nimmt Druck raus. „Dazu kommt, dass wir viel draußen sind“, sagt Hoßmann. Egal bei welchem Wetter.

Was sich die Kreisbäuerin für die Zukunft wünscht? „Der Strukturwandel geht weiter, die Zahl der Betriebe nimmt ab. Da ist es überlebenswichtig, auf die nicht-landwirtschaftliche Bevölkerung zuzugehen“, erläutert sie. Schon jetzt ist sie in Schulen und Kindergärten unterwegs, um möglichst früh über ihre Branche zu informieren. Zudem sind alle Angebote der Landfrauen offen für alle. „Main-Spessart ist ländlich geprägt – im Prinzip sind wir alle Landfrauen“, sagt sie. Ihr Wunsch: Dass möglichst viele Menschen in der Region ihre Anliegen und Angebote kennen, schätzen und bestenfalls davon profitieren.

Organisation der Landfrauen

Anders als in anderen Bundesländern sind die Landfrauen in Bayern unter dem Dach des Bayerischen Bauernverbands organisiert. Dadurch soll die Landfrauenorganisation bis in jeden Ortsverband hineinreichen. Zudem sollen so die Belange vom gesamten Verband wahrgenommen werden. Mit über 6700 ehrenamtlich engagierten Personen sind die Landfrauen einer der größten Frauenverbände in Bayern.

Gewählt werden die Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landesbäuerinnen von den jeweiligen Landfrauen, die auch mit ihrem Betrieb Mitglied im Bayerischen Bauernverband sind. In Main-Spessart sind derzeit 1800 Mitglieds-Betriebe gemeldet, darunter auch Nebenerwerbsbetriebe. Bayernweit sind 152 000 landwirtschaftliche Betriebe im Verband.

Abschalt-Arbeit: Kreisbäuerin Maria Hoßmann genießt die Ruhe, die frische Luft und die Hand-Arbeit im familieneigenen Weinberg in Eußenheim, bei der es sich gut ausklinken lässt.
Foto: Lucia Lenzen | Abschalt-Arbeit: Kreisbäuerin Maria Hoßmann genießt die Ruhe, die frische Luft und die Hand-Arbeit im familieneigenen Weinberg in Eußenheim, bei der es sich gut ausklinken lässt.
 
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