Die dritten Karlstadter Kultur-Häppli boten ein unglaublich vielfältiges und gleichzeitig hochwertiges Programm. An einem Dutzend verschiedener Spielorte gab es Inszenierungen, über die man lachen, staunen oder ins Nachdenken kommen konnte.

Den Vogel schossen Klara & Giselle als „Duo Farfalle“ im Klempnermuseum ab. Akkordeonistin Giselle erinnerte in ihrem Auftreten an eine gestrenge Lehrerin, die ihre Partnerin Klara – eher ein Pippi-Langstrumpf-Typ – immer wieder zur gemeinsamen Show antrieb. Doch was Klara auch anfing, sie verhedderte sich in den Henkeln ihrer Handtasche oder bekam ihren Schuh nicht mehr an, den sie – respektlos dem Publikum gegenüber – mitten in der Show ausgezogen hatte, weil etwas piekste. Urkomisch die Szene, in der sie in ihrem Minikleid Handstand macht, um sich den Schuh anziehen zu lassen, während Helfer aus dem Publikum das Kleid züchtig hochhalten müssen. Die Pianistin Heike Jung und die ausgebildete Jongleurin Daniela Daub haben beide Theater studiert und mit Straßenkunstshows gelernt, das Publikum besonders in ihren Bann zu ziehen.

Schon in den 1970ern zu Gast

Eine Premiere erlebten die Karlstadter in der Spitalkirche, wo Burkard Schmidl mit seiner von ihm selbst erfundenen Soundharp erstmals solo auftrat. Die wenigsten werden wissen, dass er bereits in den 1970er Jahren mit der Jazzrock-Band „Missus Beastly“ den Pfarrsaal der Heiligen Familie füllte, später mit den „Dissidenten“ und dem Karnataka College of Percussion“ unterwegs war und als einer der Pioniere der Weltmusik anzusehen ist. Nachdem er sich viele Jahre den Bühnen ferngehalten hatte, hat er seit einem Jahr vier Konzerte mit der Soundharp gegeben. Indem er berührungslos die Händen über Glasröhren hält, ruft er die dort gespeicherten Samples ab und spielt mit Synthesizern dazu. Von meditativen Stücken bis zu Miles Davis reichte seine Programmauswahl.

Au der Seite der einfachen Leute

Mit seinem Monolog über Tilman Riemenschneider bewies Markus Grimm in der Uhrenstube des Rathauses einmal mehr seine hohe Erzählkunst. In einer fiktiven Retrospektive ließ er den Meister dessen persönliche Erlebnisse nach dem Bauernkrieg von 1525 nacherleben. Er ließ seinen Tilman nach vierwöchiger Kerkerhaft, nach „peinlicher Befragung“ – also Folter – und einem scheinbar wohlwollendem Gespräch mit dem Fürstbischof zwar vorsichtig erscheinen, nicht aber gebrochen.

 

Beeindruckend das Bekenntnis Riemenschneiders, dass er auf der Seite der einfachen Leute stehe und in all seinen Skulpturen deren stummen Schmerz abgebildet habe.

Richard Seifert weihte sein Publikum in der Tourist-Info in die Geheimnisse des Beatboxing ein. Mit dem Wort „Pizzakatze“ – ohne Vokale ausgesprochen – lassen sich beispielsweise schon Bassdrum, Snare und Hi-Hat imitieren.

Witzige musikalische Einfälle präsentierten die „Wonnebeats“ im Rathaussaal. Die drei Münchnerinnen begeisterten mit einer Mischung aus vielfältiger Percussion und sauberem dreistimmigem Gesang, inspiriert von Alabama bis nach Finnland.

Der Kabarettist Marco Tschirpke forderte sein Publikum gehörig. Man musste als Zuhörer voll am Ball bleiben, um sinnfreien Klamauk wie „Stand by me, but not on my feet!“ oder ein Gedicht über das Staubwischen von tiefer gehenden Gedanken zu unterscheiden.

Durchaus derben Humor gab es bei „Rentners Nachtlied“, frei nach Goethe: „Warte nur – balde, balde ruhest du auch!“ Ausbleibende Lacher seitens der Zuhörer kommentierte er nassforsch: „Also, ich fand's lustig!“

Eine Leiter, ein Hochstuhl und eine Anzahl von ausgeschnittenen Pappfiguren in Schwarz-Weiß waren die einzigen Requisiten von Paul und Wally Schmidt vom Theater Salz + Pfeffer im Theater in der Gerbergasse beim. Sie erzählten in einem „bewegten Comic“ die Geschichte vom langen Rocky und dem kleinen Fredo, die sich zwar nicht ausstehen können, aber letztendlich beim „Zwergenweitwurf“ gemeinsam alle Rekorde brechen.

Beste Musik

Dass das junge „Trio unplugged“ für beste Musik und hervorragenden Gesang steht, ist mittlerweile hinreichend bekannt. Im Lesesaal der „Hohen Kemenate“ boten sie auch eine angenehme Musikauswahl mit bekannten und eingängigen Songs.

Heiße spanische Rhythmen auf der Gitarre von Erik Weisenberger, dazu Anke Horling auf der Geige vermischten sich im Klempnermuseum mit den rassigen Flamenco-Tänzen der Barbara Puppa Hennerfeind, die auch Gipsy-Lieder sang.

In „Samt und Seide“ gekleidet waren die vier Paare der Tanzgruppe des SG Randersacker, die auf dem Kirchplatz in reich geschmückten Gewändern bezaubernde Schreittänze aus der Zeit des Barock aufführten. Auf dem Kirchplatz zeigten zudem die Langenprozeltener Kunstradfahrer im Alter von neun bis 41 Jahren (Weltmeister und Trainer Michael Rauch), welche halsbrecherischen Kunststücke sich mit wöchentlich dreimaligen Training und dem passenden Talent lernen lassen.

Im Stadtgeschichte-Museum trug die Schweinfurter Studentin anspruchsvolle eigene Texte in perfekter Weise vor. Da ging es um ihre Gefühle, wenn sie beispielsweise in der Disco den Anabolika-Fressen und Yolos begegnet: „Nur der Swag macht das Leben richtig worth.“

Gleich nebenan in der Tourist-Info überzeugte die Poetry-Slammerin Pauline Füg mit Texten, die sie teilweise zu rhythmischen Beats vortrug, darunter ihre Liebeserklärung an Justus Jonas aus den drei Fragezeichen.

Unterhaltsam war die Pantomime-Show von Stefan „Stefanello“ Palm. Im Weltladen spielte Ann-Margret Schlüter in lockerer Folge Klassiker der Klavierliteratur – von Gershwin über Grieg bis zum Türkischen Marsch.