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LOHR
Künstler Peter Wittstadt: Kunst ja, aber ein bisschen niedlich sollte sie schon sein
Birgit Wagner
 |  aktualisiert: 08.10.2014 08:42 Uhr

(jun/mac) Der Künstler Peter Wittstadt aus Laudenbach wird vermutlich noch im Oktober den Lohrer Stadtrat in sein Atelier im Karlstadter Stadtteil Laudenbach einladen, um dem Gremium den Gipsentwurf für seine umstrittene Skulptur zu erläutern. Das kündigte Lohrs Bürgermeister Mario Paul am Montag in der Sitzung des Haupt-, Finanz- und Bauausschusses des Lohrer Stadtrates an.

Bekanntlich hatte Wittstadt mit seiner baumähnlichen Figur den ersten Lohrer Kunstpreis zum Thema „Schneewittchen“ gewonnen. In der Folge gab es kontroverse Diskussionen im Stadtrat ebenso wie in der Lohrer Öffentlichkeit. Die einen halten die Figur für völlig untauglich, um die Lohrer Werbefigur öffentlich darzustellen. Die anderen freuen sich darüber, dass in Lohr nun über Kunst diskutiert wird.

Zu dieser Diskussion und den Aufgaben von Kunst sowie ihrer Rezeption im Allgemeinen äußert sich nun Wittstadt in einer ausführlichen Stellungnahme „im Sinne der Kunst“, die er der Main-Post geschickt hat.

„Kunst ist, was ein Künstler macht“, zitiert Wittstadt zu Beginn dieser Stellungnahme den Bildhauer Lothar Fischer. Im Zeitalter der Sprache und des Textes tue sich das Bild schwer. Es werde oft nicht mehr verstanden. Vieles, was als Kunst angesehen werde, sei ein einziges Missverständnis, so Wittstadt.

Nicht zufällig seien sprach- und textärmere Zeiten in ihrer Ausdruckskraft stark gewesen. Zu jenen Zeiten sollten die Bilder von der Welt erzählen, „und das nicht in einer oberflächlichen Schönmacherei, sondern mit dem Ziel der Realisierung einer Gestalt durch die Form“, schreibt Wittstadt.

Eins plus eins nicht immer zwei

Dem Künstler böten sich die Möglichkeiten der Gestaltungsprinzipien: „Volumen-Fläche-Raum, der guten Verhältnismäßigkeit an sich, das Ausloten von plastischer Idee und Gegenstand, Poesie und Rhythmus, viel und wenig, groß und klein, Ruhe und Spannung, mutiges spontanes Tun und Überlegung, im Sinne des entstehenden Werkes handeln“.

Für diese Gestaltungsprinzipien müsse man sich lange sensibilisieren, so Wittstadt. Dabei gelte es, immer wieder neu abzuwägen. Hierbei sei „eins und eins nicht immer zwei“. Da folge der Künstler einerseits einer uralten Tradition, gehe aber gleichzeitig seinen eigenen, neuen Weg. Dieser neue Weg werde natürlich nicht immer gleich verstanden.

„Das liegt aber nicht an dem Künstler. Vielmehr ist es die Intoleranz und das Sich-nicht-auseinandersetzen-Wollen mit der Kunst, was zu solchen Irrtümern führt, die im schlimmsten Fall ihren Gipfel finden in der Meinung, Kunst sei Ansicht- oder Geschmackssache“, schreibt Wittstadt. „Kunst aber ist das Ergebnis langer harter Arbeit und das Kunstwerk, die daraus gewonnene Essenz.“ Er wünscht sich, dass man Künstlern mehr Glauben schenke.

Vieles werde von Kunst erwartet: revolutionäre Erneuerung, Provokation, eigenständige Arbeit. Am besten gepaart mit einer leicht verständlichen Abbildung in glatter Manier, auf dem Tablett serviert mit Häppchen und natürlich umsonst, weil Kunst ja keine „Arbeit“, sondern „Freizeitvergnügen“ darstellt.

„Die Stadt Lohr wollte mit ihrem Wettbewerb die Kunst fördern. Nun wünscht man sich große Kunst, aber ein bisschen niedlich, sollte sie schon sein, um uns zu gefallen“, schreibt Wittstadt.

Eine Methode, um zu verstehen

Möchte eine Gesellschaft aber kulturell nicht verarmen, müsse sich gewaltig etwas verändern. Wirkliche Kunst mit fähigen Künstlern als Bildungsgrundsatz an Schulen wäre nach Ansicht Wittstadts nötig. „Ebenso das Fördern und nicht das Verhindern von Kunstgeschehen.“ Es sei unerlässlich, tradierte Werte mit neu ausgeloteten Denkansätzen zu verbinden.

Dies habe „den Menschen seit jeher zu neuen Werten gebracht und beflügelt“, so der Künstler. Zum Schluss der Stellungnahme zitiert Wittstadt den US-Schriftsteller Paul Auster: „Der wahre Sinn der Kunst liegt nicht darin, schöne Objekte zu schaffen. Es ist vielmehr eine Methode, um zu verstehen. Ein Weg, die Welt zu durchdringen und einen eigenen Platz zu finden.“

 
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