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Lohr
Kritischer Blick auf namhaften Sohn der Stadt Lohr
Für den Vortrag von Lokalhistorikers Gerd Walter (links) zum 150. Geburtstag des in Lohr geborenen Senatspräsidenten Friedrich Oegg dankte Wolfgang Vorwerk als Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins Lohr. 
Foto: Rita Gress | Für den Vortrag von Lokalhistorikers Gerd Walter (links) zum 150. Geburtstag des in Lohr geborenen Senatspräsidenten Friedrich Oegg dankte Wolfgang Vorwerk als Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins Lohr. 
Rita Greß
 |  aktualisiert: 25.11.2021 02:22 Uhr

Am 5. Mai 1870 kam in Lohr der Mann zur Welt, der als erster Senatspräsident des neuen Reichsarbeitsgerichts ein mächtiges Amt in der Weimarer Republik innehatte: Friedrich Oegg. Anlässlich seines 150. Geburtstags im vergangenen Jahr zeichnete der Sackenbacher Lokalhistoriker Gerd Walter in der Alten Turnhalle Leben und beruflichen Werdegang des berühmten Sohnes der Stadt nach.

Seinen detaillierten Recherchen zufolge wurde Oegg im Haus Nummer 468 in der Ludwigsstraße (heute Filiale Maxl-Bäck) geboren. Er war der dritte von vier Söhnen des Bezirksgerichtsrats Karl Oegg. Sein Vater kam 1862 als Richter ans Lohrer Bezirksgericht. 1878 wurde er nach Aschaffenburg versetzt. Dort besuchte Sohn Friedrich zuerst die Lateinschule und wechselte danach ans alte Gymnasium in Würzburg.

In der Domstadt studierte Oegg Rechtswissenschaften. 1892 trat er in den bayerischen Staatsdienst ein und hatte bis 1911 Stellen als Richter und Staatsanwalt am Amtsgericht Würzburg und den Landgerichten Würzburg und Aschaffenburg inne. 1903 heiratete er Gertraud Schanz, Tochter des Würzburger Universitätsprofessors Martin von Schanz. Ihre Tochter Ilse kam im darauf folgenden Jahr in der Domstadt zur Welt.

Oeggs Karrieresprung begann 1911 mit der Ernennung zum Oberlandesgerichtsrat in München und Hilfsrichter am Reichsgericht. Zwei Jahre später wurde er als Reichsgerichtsrat ans Reichsgericht Leipzig berufen. Vergleichbar ist dieses mit dem heutigen Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Referent Walter ging auf die Justiz der damaligen Zeit ebenso ein wie auf den Weg zur Arbeitsgerichtsbarkeit. Als 1927 die eigene Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland und ein eigener Senat für Arbeitsrecht im Reichsgericht geschaffen waren, wurde Oegg zum ersten Senatspräsident und damit zum obersten Arbeitsrichter ernannt.

Arbeitsrecht weiterentwickelt

Er hatte maßgeblichen Einfluss auf die Weiterentwicklung des Arbeitsrechts in der Weimarer Republik. Anhand Beispielen wie dem Ruhreisenstreit 1928/29 verdeutlichte Walter die damalige Rechtssprechung des Reicharbeitsgerichts. Nach der Machtübernahme der NSDAP und Hitlers Ernennung zum Reichskanzler wurden Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen zerschlagen.

Unter politischem Druck oblagen dem Gericht und Präsident Oegg in den 1930er-Jahren die Entlassung und rechtliche Ausgrenzung jüdischer und kommunistischer Arbeitnehmer und Richter. In einzelnen Fällen traf dies auch auf sozialdemokratische Arbeitnehmer zu.

Oegg trat 1937 in den Ruhestand, er starb am 2. Dezember 1959 mit 89 Jahren in Oldenburg. Laut Nachforschungen von Gerd Walter wurde er auf dem Leipziger Südfriedhof bestattet.

Juden diskriminiert

Wolfgang Vorwerk, Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins Lohr, sagt über Friedrich Oegg: "Er war ein hervorragender Jurist. Allerdings gehört zu seiner Biografie auch, dass er nicht nur maßgeblichen Anteil an der Weiterentwicklung des Arbeitsrechts in der Weimarer Republik hatte, sondern mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 und deren Beschneidung der Reichsarbeitsgerichtsbarkeit auch an der Rechtsprechung, Juden, kommunistische und sozialdemokratische Arbeitnehmer aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. Dieser Tatsache müssen wir uns auch kritisch stellen."

 
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