
Es war wirklich ein spannender Krimi, der sich am 28. Dezember zwei Stunden vor Sonnenaufgang im Stettener Stein unterhalb der Steinweinhütte abspielte. Das Thermometer zeigte Minus sechseinhalb Grad Celsius, es war damit noch zu "warm" für einen Eiswein. Doch eine Stunde später legte der Frost noch das notwendige halbe Grad zu – die magische Zahl "Minus sieben" war erreicht, die Rechnung von Sebastian Koch und Sebastian Lehrmann war aufgegangen, die Eisweinlese konnte losgehen.
Der Eiswein ist auch in Franken ein edelsüßes Tröpfchen, das erhebliche Risikobereitschaft in sich birgt und an das sich nur wenige Winzer heranwagen. Die wichtigste Voraussetzung ist die Temperatur. Sie muss mindestens minus sieben Grad Celsius betragen, weil dann die Beere restlos durchgefroren ist und die Presse beim Keltern gewissermaßen nur noch einen zähflüssigen Honig abgibt. "Alles in der Traube ist dann hochkonzentriert – der Zucker, die Säure, der gesamte Inhalt", sagt Lehrmann.
Anstelle des Eisweins hätte zehnfache Menge an Rieslingwein produziert werden können
Das zeigt sich auf den knapp 1000 Quadratmetern im Stettener Stein, wo man eigentlich das Zehnfache an Rieslingwein hätte produzieren können, doch am 28. Dezember wurden "nur" 45 Liter Most für den Eiswein gekeltert. Aber der hat es in sich: 160 Grad Oechsle zeigte das Refraktometer an, bei einer Säure von 13,5 Gramm pro Liter.
Die kleine Ernte lagert derzeit in zwei Glasballons im Keller von Sebastian Lehrmanns Weingut Schilling in Seinsheim. Dort soll er zwei Wochen langsam gären, schließlich tut sich die Hefe bei dem hohen Zuckergehalt sehr schwer. Wenn der Wein dann so weit ist, kommt die Hefe heraus und es wird gefiltert. Im Weingut Schilling wird er weiter ausgebaut, im Frühjahr wollen die beiden Sebastians ihren Schatz in rund 100 Flaschen zu je 0,375 Litern abfüllen und gleichmäßig in ihren Weingütern vermarkten.
Lohnt sich das Wagnis?
Aber lohnt sich das Wagnis mit dem Eiswein auch finanziell? Wenn es klappt und die magische Zahl von Minus sieben Grad erreicht wird: ja. Doch nicht viele Winzer sind bereit, das Risiko einzugehen und dafür einen sicheren Ertrag aufs Spiel zu setzen. Wäre es am 28. Dezember bei den sechseinhalb Grad geblieben und wären die Minus sieben auch an einem anderen Termin nicht erreicht worden, wäre dieser Teil der Ernte verloren gewesen.
Doch der Binsfelder Koch und Lehrmann, der in Retzbach lebt, sind nicht nur professionelle Landwirte und Winzer, sondern stecken auch voller Leidenschaft und Lust, das Besondere zu riskieren. Dass sie dieses Risiko heuer eingingen, hat für Lehrmann einen ganz persönlichen Grund: die Feier der Geburt seines zweiten Sohnes. Zu Ehren der Geburt von dessen Bruder vor drei Jahren war Lehrmann das Wagnis schon einmal eingegangen und hatte einen Traminer als Eiswein ausgebaut – damals wie heute, mit Erfolg.