Quer durch den Landkreis fahren zu müssen, um ein Sitzungsprotokoll lesen zu können, scheint im Jahr 2024 aus der Zeit gefallen. Genau das sieht die neue Geschäftsordnung des Kreistags für die Niederschriften von nicht-öffentlichen Sitzungen aber vor, was in der Jahresschlusssitzung auch kritisiert wurde. Es wird ein kleines Entgegenkommen geben: Statt im Büro des Sitzungsdienstes werden Räte und Rätinnen die Protokolle auch direkt vor Sitzungen lesen können.
Eine kleine Kommunalrechtsreform – die Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes vom 24. Juli – ist der Grund dafür, dass der Kreistag und seine Ausschüsse die Protokolle ab 2024 jeweils in den Sitzungen genehmigen müssen. Bisher wurden die Protokolle im Landratsamt intern geprüft und letztlich von der Landrätin Sabine Sitter und dem geschäftsführenden Beamten Otto Streitenberger genehmigt. Neu aufgenommen in die Geschäftsordnung wird auch die Einberufung des Kreistages auf Verlangen des Kreisausschusses oder eines Drittels der Kreistagsmitglieder innerhalb von 14 Tagen.
Streitenberger: "digitale Bereitstellung" nicht erlaubt
Dass Protokolle in nachfolgenden Sitzungen genehmigt werden müssen, ist in Gemeinde- und Stadträten seit Jahrzehnten so. Viele kommunale Verwaltungen legen die Vorschriften aber offenbar weniger strikt aus als der Landkreis. So erklärte Kreisrat Wieland Gsell (Grüne), der zwölf Jahre Bürgermeister von Zellingen war, schon in seiner Amtszeit seien Protokolle von nicht-öffentlichen Sitzungen ins damals eingeführte Ratsinformationssystem gestellt worden. Zugriff darauf hätten nur Gemeinderäte, wenn sie sich in ihren passwortgeschützten Account einloggen. Streitenberger antwortete darauf, der Rechtsliteratur sei eindeutig zu entnehmen, dass diese Dokumente nicht elektronisch verschickt werden dürfen.
Mathilde Lembach (Grüne) prophezeite ein Paradoxon: "Wir werden künftig also Protokolle verabschieden, die wir nicht kennen." Denn vielen Kreisräten werde die Zeit fehlen, nach Karlstadt zu fahren, um eine Niederschrift zu lesen. Im Übrigen werde es in Lohr nicht anders gehandhabt als in Zellingen.
Protokolle künftig direkt vor der Sitzung einsehbar
Kreisrat Horst Wittstadt (Grüne) fragte schließlich nach, ob die Verwaltung nicht zumindest Ausdrucke der Protokolle mit zu den Sitzungen bringen könnte, in denen sie genehmigt werden sollen. Zumindest das sagte Otto Streitenberger zu. Er ließ auch durchblicken, die Protokolle hätten bisher niemanden interessiert. Daraufhin bemerkte Karlstadts Bürgermeister Michael Hombach (CSU), er sei gespannt, wer die Protokolle tatsächlich lesen werde. Gegen die Änderung der Geschäftsordnung stimmten Gsell, Lembach und Wittstadt, die das auch im Protokoll vermerkt haben wollten.
Geändert wurde auch die Entschädigungssatzung des Landkreises. Künftig wird nicht nur Verdienstausfall ersetzt, sondern auch die Kosten für alternative Betreuung, wenn Kreisräte zu Hause ehrenamtlich Angehörige pflegen.
Erneut umbesetzt wurde der Jugendhilfeausschuss. Das ordentliche Mitglied Anna Roos vom paritätischen Wohlfahrtsverband wird künftig von Eric Hohmann vertreten, der bisherige Vertreter ist nicht mehr für den Verband tätig.