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Karlstadt
Kreativ gegen die Krise: In der Betonkunst ihre Leidenschaft gefunden
Im Frühjahrs-Lockdown fiel Tanja Warmuth-Laquai aus Karlstadt ein Selbermach-Set für Beton-Buchstaben in die Hände. Mittlerweile hat sie die Beton-Kunst perfektioniert.
Tanja Warmuth-Laquai aus Karlstadt mit einer kleinen Auswahl ihrer vielen Beton-Kunstwerke, die sie seit dem Lockdown im Frühjahr 2020 gefertigt hat.
Foto: Oliver Laquai | Tanja Warmuth-Laquai aus Karlstadt mit einer kleinen Auswahl ihrer vielen Beton-Kunstwerke, die sie seit dem Lockdown im Frühjahr 2020 gefertigt hat.
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:45 Uhr

Manchmal sind es die Zufälle im Leben, die aus einer scheinbar unwichtigen Begebenheit einen Wendepunkt im Leben markieren. So erging es Tanja Warmuth-Laquai aus Karlstadt. Bei der Innenarchitektin kam im Frühjahr-Lockdown 2020 eine kaum gekannte Langeweile auf. Aufgrund von Kurzarbeit hatte sie auf einmal viel Zeit. Selbst das jüngste ihrer drei Kinder ist mittlerweile neun Jahre alt und ziemlich selbstständig.

Warmuth-Laquai erinnerte sich, dass eine ihrer Töchter vor längerer Zeit ein Selbermach-Set zum Herstellen von Betonbuchstaben geschenkt bekommen hatte. Der Bastelbeton und die Silikonformen waren bis dato ungenutzt. Das änderte die 46-jährige kurzerhand. Für die ersten Versuche wog sie die Masse mit der Küchenwaage ab, mischte sie mit Wasser und füllte sie in die Form. Nach dem Härten wurde geschliffen. "Es hat richtig Spaß gemacht – wenn man vom Kücheputzen danach absieht", sagt sie.

Als gelernte Innenarchitektin fiel es ihr nicht schwer, mit ein bisschen Deko und ins rechte Licht gerückt, Freunde und Familie mit Fotos der kreierten Worte zu begeistern. Sie verschenkte "MUT" und "HOPE" und "WUNDER" und fand schnell Fans.

Viel mit verschiedenen Arten von Mörtel und Estrich experimentiert 

Auch in Warmuth-Laquai weckte das Werkeln eine Leidenschaft, die sie bis heute nicht wieder los ließ. Sie kaufte Nachfülleimer mit der Masse. Doch das Material für die Werke war teuer. "Ich experimentierte mit verschiedenen Arten von Mörtel und Estrich", sagt Warmuth-Laquai. Doch die Ergebnisse waren nicht zufriedenstellend. "Die Masse war zu grob oder hatte zu viele Lufteinschlüsse oder bröselte."

Mittlerweile verarbeitet sie 25-Kilogramm-Säcke Portland-Zement, gemischt mit weißem Zement und Quarzsand. Neben den Buchstaben entstehen viele andere Formen aus dem Material, etwa Sterne und Kerzenständer zur Weihnachtszeit. "Ich hatte viele alte Kunststoffbehälter in der Küche, die ich kombiniere, um neue Gefäße zu formen", so die Künstlerin. Erst kürzlich hat sie eine flache Schüssel geschenkt bekommen – und schon ist sie am Überlegen, was daraus Neues entstehen könnte: "Vielleicht eine Vogeltränke?"

Viele von ihnen werden bemalt oder mit Wortspielen verziert. Überhaupt scheinen aufmunternde Worte ein Faible von Tanja Warmuth-Laquai zu sein: "Let your light SHINE" ist nur einer ihrer favorisierten Sätze. Für die Künstlerin haben die gegossenen Worte eine tiefere Bedeutung. Sie spiegeln ihre Lebensgeschichte wider, ebenso wie ihr Lieblingsstück: Die Schale mit der blauen Glasur hatte einen eklatanten Makel: Der Rand ist nicht glatt, sondern unregelmäßig gebrochen. Die Materialmischung war zu trocken.

Erfüllung im Schaffensprozess: "Hier kommt mein Innerstes heraus."

Doch anstatt die Schale als Ausschuss abzuwerten, hielt sich Warmuth-Laquai an die japanische Kunst des Kintsugi: Indem schadhafte Stellen vergoldet werden, wird gesprungenen Objekten Wertschätzung entgegengebracht. 

Warmuth-Laquai findet ihre Erfüllung im Schaffensprozess. "Hier kommt mein Innerstes heraus. Ich kann alle meine Talente kombinieren." Ihre Kreativität lebt sie sowohl beim Betongießen aus, als auch beim Fotografieren der Werke, bei der Veröffentlichung auf ihren Social-Media-Profilen oder beim Basteln von Verpackungskartons.

Mittlerweile fertigte Warmuth-Laquai viele Unikate. Über persönliche Kontakte, das Internet und sogar in einem Geschäft in Karlstadt hat sie sie verkauft. Ihr Label hat jetzt auch einen Namen: "Herzenswunsch Beton-Manufaktur". In diesem Jahr möchte sie das Geschäft weiter ausbauen, vielleicht sogar auf Märkten verkaufen. Sie würde sich ganz besonders über eine kostenlose Ladenfläche in der Karlstadter Innenstadt freuen.

Und wer weiß, vielleicht geht schon bald ihr lang gehegter Traum vom eigenen Café "Herzenswunsch" in Erfüllung? Neben Kaffee und Kuchen wird es dort sicherlich auch die Kunstwerke ihrer eigenen Beton-Manufaktur zu erstehen geben.

Kreativ gegen die Krise - Kunsthandwerker im Corona-Jahr: Vor allem im Lockdown entstanden im Landkreis viele Ideen, aus denen teils kleine Geschäftsmodelle oder ein leidenschaftliches Hobby wurde, vor allem im Kunsthandwerk. In einer kleinen Serie wollen wir einige dieser Menschen und ihre Konzepte vorstellen. Wie kam es zum Einfall und schließlich zur Umsetzung? Zusätzlich haben wir sie gebeten, uns einen Kreativ-Tipp zu nennen. Leicht umzusetzen, für lange Lockdown-Tage zwischen den Jahren und für danach.

Kreativtipp: Kintsugi-Schale aus Beton

Material:  Bastelbeton aus dem Baumarkt*, Speiseöl, Kies, Mund-Nasen-Schutz, Einmal-Handschuhe, 2 Joghurtbecher oder aussortierte Küchenschüsseln aus Silikon oder Kunststoff (auf keinen Fall Glasschüsseln oder solche aus extrem hartem Kunststoff), Küchenpinsel, evtl. Goldlack und Pinsel.
Anleitung:
Auch wenn der Rand dieser blauen Schale nicht so glatt ist, wie von Tanja Warmuth-Laquai ursprünglich gewünscht, ist sie zu ihrem Lieblingsstück geworden.
Foto: Oliver Laquai | Auch wenn der Rand dieser blauen Schale nicht so glatt ist, wie von Tanja Warmuth-Laquai ursprünglich gewünscht, ist sie zu ihrem Lieblingsstück geworden.
Bevor man mit dem Mischen des Betons beginnt, sollte man unbedingt einen Mund-Nasen-Schutz und Einmal-Handschuhe anlegen, da der Zementstaub Reizungen verursachen kann.
Den Bastelbeton nach Packungsanleitung zubereiten. Wichtig ist es, dass das Gemisch einige Minuten lang gerührt wird, so dass eine zähfließende Masse entsteht, bei der sich kein Wasser absetzt.
Die Kunststoffschüsseln mit Speiseöl einpinseln und in die größere die Betonmasse hineinfüllen. Dann die Schüssel schütteln und klopfen, damit sich die Masse verdichtet und eingeschlossene Luftbläschen entweichen können. Jetzt wird die zweite Schüssel von oben mittig in die Betonmasse eingedrückt.
Um dem Auftrieb der obenauf liegenden Schüssel durch die Betonmasse entgegen zu wirken, wird die zweite Schüssel mit Kies beschwert.
Die Betonmasse braucht etwa 24 Stunden Zeit, um auszuhärten. Die hart gewordene Schale sollte sich leicht von den Schüsseln lösen. Ist dies nicht der Fall, besser noch etwas warten, bis der Beton vollständig ausgehärtet ist.
Gerade bei den ersten eigenen Versuchen passiert es häufig, dass selbst gegossene Schalen noch nicht glatt und makellos sind. Doch das ist kein Grund aufzugeben. Dann kann man sich – wie Tanja Warmuth-Laquai – an die japanische Kunst des Kintsugi halten: Mit Goldlack werden schadhafte Stellen betont und die Schönheit des Unikats hervorgehoben.
* Da Baumärkte während des Lockdowns geschlossen haben, können auch Zement und Sand und Estrich von einer früheren Baustelle verwendet werden. Estrich enthält oft schon Anteile von Sand oder Kies. Diese sind jedoch für diesen Zweck zu grob und müssen ausgesiebt werden.
Reiner Zement und Spiel- oder Quarzsand können im Verhältnis von 1:1 gemischt werden. Dann muss so viel Wasser hinzugegeben werden, dass eine zähflüssige Masse entsteht. Tanja Warmuth-Laquai verwendet für je 1 Kilogramm Zement und Sand 400 Milliliter Wasser.
Quelle: dfi
 
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