zurück
Lohr
Krankt es bei der Stimmung des Klinikpersonals?
In der Belegschaft des Klinikums Main-Spessart herrscht derzeit offenbar einiger Unmut. Nun ist das Thema in der Kreispolitik aufgeschlagen. Das Bild zeigt den Zugang zur Notaufnahme im Lohrer Kreiskrankenhaus.
Foto: Johannes Ungemach | In der Belegschaft des Klinikums Main-Spessart herrscht derzeit offenbar einiger Unmut. Nun ist das Thema in der Kreispolitik aufgeschlagen. Das Bild zeigt den Zugang zur Notaufnahme im Lohrer Kreiskrankenhaus.
Johannes Ungemach
 und  Monika Büdel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:30 Uhr

Ist es um das Betriebsklima innerhalb des rund 1050 Mitarbeiter zählenden Klinikums Main-Spessart derzeit nicht gut bestellt? Zu dieser Frage sehen etliche Mitglieder des Kreistags Klärungsbedarf. Denn während im öffentlichen Teil der jüngsten Werkausschusssitzung verlautbart wurde, dass in der Belegschaft gute Stimmung herrsche, machen hinter den Kulissen ganz andere Aussagen und deutliche Kritik an der Klinikleitung die Runde.

Landrätin Sabine Sitter sagt, dass ihr die Unruhe bekannt sei und man diese ernst nehme. Sie erklärt sich die Situation nicht nur mit der Belastung des Personals durch die Corona-Pandemie, sondern auch mit den bevorstehenden Umstrukturierungen. Deren Hintergründe habe man aufgrund der Pandemie bislang nicht ausreichend in die Belegschaft kommunizieren können. Sitter ist sich jedoch sicher, dass das Klinikum ein attraktiver Arbeitgeber sei und durch Umorganisation und Neubau noch attraktiver werde.

In jüngster Zeit waren etliche Unmutsäußerungen aus der Belegschaft in den Kreistagsfraktionen angekommen. Das belegen Aussagen von verschiedenen Kreisräten gegenüber dieser Redaktion. Die Fraktion der Freien Wähler hat vor wenigen Tagen gar einen Antrag an die Landrätin gerichtet, in dem sie die Einrichtung einer Ombudsstelle fordert. Eine solche unabhängige Stelle solle dazu dienen, dass Mitarbeiter im Vertrauen Kritik äußern können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, so die Begründung.

"Klima der Angst"

In dem von der Fraktionsvorsitzenden Brigitte Riedmann unterzeichneten und auf der Internetseite des Kreisverbands der Freien Wähler zu lesenden Schreiben ist die Rede von einem "Klima der Angst und Einschüchterung", das nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Mitarbeitern am Klinikum herrsche. Es seien "massive Beschwerden" an Kreistagsmitglieder herangetragen worden. Auch ein anonymes Schreiben machte die Runde.

Gegenüber dieser Redaktion bestätigten Klinikmitarbeiter aus verschiedenen Hierarchieebenen, dass die Stimmung derzeit deutlich eingetrübt sei. Diese Aussagen und auch der Antrag der Freien Wähler lassen erkennen, dass sich die Vorwürfe vor allem gegen den Klinikreferenten René Bostelaar richten. Von rüdem Umgangston und fehlender Wertschätzung ist die Rede, auch davon, dass die Klinikleitung keine andere Meinung als die eigene dulde.

Etliche Kündigungen

Veränderungen in der Klinikorganisation seien nötig, heißt es in dem Schreiben der Freien Wähler. Dabei habe Bostelaar die volle Unterstützung. "Was wir jedoch niemals akzeptieren werden, ist der Umgangston und das Vorgehen unseren Mitarbeitern gegenüber", schreibt Riedmann. Viele Mitarbeiter hätten bereits gekündigt. Etliche sind offenbar an das Lohrer Bezirkskrankenhaus gewechselt.

Das MSP-Klinikum stehe mit der geplanten Umwandlung in ein Kommunalunternehmen, der im "Masterplan 2025" definierten Umorganisation und dem bevorstehenden Neubau vor großen Herausforderungen, so die Freien Wähler. Um sie zu bewältigen, müssten alle Beteiligten mitgenommen werden. In der Klinikführung seien diese Erkenntnis und die Wertschätzung offenbar nicht vorhanden. Um etwas zu ändern, müsse die Ombudsstelle eingerichtet werden.

Bostelaar selbst stand auf Anfrage dieser Redaktion am Freitag nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung, jedoch Landrätin Sitter. Sie sagt, dass man sich in der Verwaltung und im Kreistag mit dem Antrag der Freien Wähler befassen werde. An sie selbst seien noch keine Klinikmitarbeiter herangetreten. Sie persönlich könne die Vorwürfe "in dieser Massivität nicht wahrnehmen".

Schwierige Bedingungen

Sie wolle die Situation "nicht verharmlosen", sagt Sitter, betont jedoch, dass die Rahmenbedingungen derzeit ausgesprochen schwierig seien. Man befinde sich nicht nur mitten in einer Pandemie, wie sie das Gesundheitssystem noch nie erlebt habe, sondern stehe auch vor einer vom Kreistag in Auftrag gegebenen Neuorganisation des Klinikums. Weil coronabedingt keine großen Mitarbeiterversammlungen möglich seien, habe man Hintergründe und Stoßrichtung der Umorganisation noch nicht in die Belegschaft tragen können. Deswegen gebe es Ungewissheit. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen erkläre sich die Unruhe eigentlich von selbst, so Sitter.

Albrecht Christ, Personalratsvorsitzender des Klinikums, spricht aus den gleichen Gründen von einer Situation, wie sie "noch keiner im Klinikum erlebt hat", wobei er vor allem die Pandemie als Ursache sieht. Dass die Belegschaft wegen der Umorganisationen im Ungewissen sei, liege daran, dass seit Beginn der Pandemie keine Personalversammlung mehr möglich gewesen sei. "Das Bemühen war da, doch dann kam Corona", sagt Christ.

Unter Daueranspannung

Er ist seit 1987 Mitarbeiter des Klinikums und spricht von einer "angespannten" und "punktuell schlechten" Stimmung. Das Personal sei engagiert und motiviert, doch die Rahmenbedingungen machten "mürbe". Man arbeite seit fast einem Jahr "unter Daueranspannung". Zu den Vorwürfen an die Klinikleitung äußert sich Christ nicht näher, sagt nur, dass jeder seinen eigenen Führungsstil habe. Dass viele junge Mitarbeiter nach der Ausbildung am Klinikum weiterarbeiten, ist für Christ Beleg dafür, dass das Klima nicht so schlecht sein könne.

Landrätin Sitter kann den Vorwurf der fehlenden Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern nicht nachvollziehen. Sie selbst komme aus dem Pflegebereich und wisse daher um die Leistung und Belastung der Mitarbeiter. Nur weil man vor einer Neuorganisation stehe, bedeute das nicht, dass bisher alles schlecht gewesen sei. "Ich bin ganz nah dran", sagt die Landrätin und spricht davon, dass sie seit Amtsantritt im vergangenen Mai "intensiv mit der Klinik befasst" habe und in engem Kontakt mit Mitarbeitern sei. Vor Weihnachten habe sie als Zeichen der Anerkennung Präsente verteilt und auch in Videobotschaften Zuspruch gegeben, schildert Sitter.

Dazu, dass sich die Mitarbeiterkritik vor allem an Bostelaar richtet, sagt die Landrätin: "Es wird keiner geliebt, der einen Veränderungsprozess organisieren muss." Genau diesen Auftrag habe Bostelaar jedoch von der Kreispolitik erhalten. Sitter sagt: "Ich stehe voll und ganz hinter unserem Klinikreferenten."

Sie sei davon überzeugt, dass der von Bostelaar zu steuernde Prozess die Attraktivität des Klinikums als Arbeitgeber noch steigern werde. Doch auch derzeit ist die Atmosphäre in der Belegschaft in Sitters Augen nicht so schlecht. Auf die Frage, wo sie die Stimmung auf einer Skala zwischen eins und dem Höchstwert zehn einordnen würde, antwortet Sitter: "Sieben."

Masterplan 2025 für das Klinikum Main-Spessart

Noch vor dem Umzug in den geplanten Neubau der Zentralklinik des Landkreises in Lohr soll das Klinikum Main-Spessart organisatorisch deutlich umgekrempelt werden. Die Veränderungen sind fixiert im 2020 klinikintern erarbeiteten "Masterplan 2025". Das 80-seitige Konzeptpapier hatte bereits im November im Werkausschuss des Kreistags vorgestellt werden sollen. Doch die Zeit reichte in der aufgrund der Corona-Pandemie verkürzten Sitzung für das umfangreiche Thema nicht aus.
Klinikreferent René Bostelaar schilderte damals jedoch einem Pressegespräch die Kernpunkte der Umorganisation. Demnach ist es das Ziel, das für 2020 noch auf rund fünf Millionen Euro veranschlagte Defizit des Klinikums bis 2025 in eine schwarze Null zu verwandeln. Erreicht werden soll dies mit einer Modernisierung, nicht zuletzt mit massivem Ausbau der Digitalisierung. Als Beispiel nannte Bostelaar die Erfassung von an Patienten erbrachten Leistungen. Derzeit gingen dem Klinikum bei der Abrechnung mit den Krankenkassen größere Beträge "durch die Lappen", so Bostelaar im November. Als ein Ziel nannte er auch, dass das Klinikum bald weitgehend papierlos arbeite.
Der Masterplan umfasst rund 40 Einzelmaßnahmen. Laut Bostelaar wurde er klinikintern in etlichen Arbeitstreffen erarbeitet, weswegen das Konzept "sehr bodenständig" sei. Landrätin Sabine Sitter spricht davon, dass der Masterplan den Weg "in die neue Welt" weise. Das Konzeptpapier werde voraussichtlich im April dem Werkausschuss des Kreistags vorgestellt. Dann werde man auch über den Antrag der Freien Wähler auf Einrichtung einer Ombudsstelle sprechen.
Quelle: (joun)
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lohr
Johannes Ungemach
Monika Büdel
Arbeitgeber
Firmenmitarbeiter
Fraktionschefs
Freie Wähler
Klinikum Main-Spessart
Krankenhäuser und Kliniken
Kreisräte
Pandemien
Pflegebereich
Sabine Sitter
Umstrukturierung
Wähler
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • jotokron@web.de
    2012: Das Klinikum Görlitz entlässt den Manager wegen Differenzen zwischen Personal und Klinikmanager. 2019: Das Rhein-Maas-Klinikum entlässt seinen Manager wegen Differenzen und schlechter Stimmung zwischen Personal und Klinikmanager. 2021: Berichte über schlechte Stimmung und Differenzen zwischen Personal und Klinikmanager. Der besagte Manager in allen Fällen war ein gewisser Rene Alfons Bostelaar. Haben die Kreisräte eigentlich mal "gegoogelt" bevor sie 2019 diesen "Heilsbringer" als neuen Klinikreferenten eingestellt haben oder gab´s auf dem freien Markt wirklich nix besseres zu finden? Wie es scheint wiederholt sich alles wieder. Warum die Landrätin so ohne wenn und aber hinter dem Klinikreferenten steht ist mir ehrlich gesagt schleierhaft.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Auf eigenen Wunsch entfernt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • KarinStratmann66@web.de
    Da wird sicher Personal reduziert werden, bei der Umstrukturierung.....also noch schlechtere Arbeitsbedingungen. Die Pfleger gehen dann, oder werden langzeitkrank. Das war's dann, ihr professionellen optimierte. Und wenn der Laden dann um die Ohren fliegt, Zack ist er weg und fängt woanders an, alles zu optimieren.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • diener
    Solche Aussagen kommen meistens von Politiker , welche von der eigentlichen Materie
    wenig Ahnung haben oder der Wahrheit nicht ins Auge sehen wollen .
    Das Übel hat mit dem vorherigen Klinikreferenten angefangen und geht anscheinend
    nahtlos in die gleiche Richtung weiter. Wenn man auf den Neubau warten will, ist
    entweder das Personal demotiviert oder einfach nicht mehr in dieser Menge vorhanden
    Die jungen Leute gehen schneller , es gibt jede Menge freie Stellen und Nachwuchs
    wird es in diesen Bereich auf Dauer nicht mehr soviel geben.
    Mein Rat : Die Probleme baldmöglichst anpacken und bitte endlich auch einmal
    an die Belegschaft denken .
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten