„Was bleiben muss!“ – So plakativ war ein Diskussionsabend der CSU Marktheidenfeld über die Zukunft des örtlichen Kreiskrankenhauses überschrieben. In zweieinhalb Stunden Diskussion ging es dann eher darum, was bleiben könnte oder sollte. Denn schnell wurde klar, dass bei der Nachnutzung des Gebäudes noch viele Fragen offen sind.
Anders als manche Bürgerversammlung vorher profitierte die vom Donnerstagabend von der sachlichen, ruhigen und verständlichen Aufklärung, die der Chefarzt der Chirurgie im Klinikum Main-Spessart, Dr. Andreas Fleischmann, betrieb. Er erklärte gelassen und geduldig die Entscheidungsgründe des Klinikums für den bevorstehenden Abzug der OPs und der Notfallaufnahmen in Karlstadt und Marktheidenfeld.
Kritik und Applaus
Trotz aller Kritik an den geplanten Veränderungen und vor allem am engen Zeitplan gab es für den Vortrag Fleischmanns Applaus. Andererseits gestand der Chefarzt den verärgerten Bürgern im Raum Marktheidenfeld auch zu: „Sie haben bestimmt eine Berechtigung, so zu reagieren.“
Der CSU-Ortsverband hatte nicht nur die Öffentlichkeit geladen, sondern auch die 17 Kreisräte aus Stadt und Umland, von denen etwa die Hälfte kam. Den insgesamt rund 100 Zuhörern erklärte CSU-Stadtratsfraktionsvorsitzender Christian Menig die Historie der Kreistagsentscheidungen bis zum Ist-Stand. Seiner Ansicht nach seien die Standorte Marktheidenfeld und Karlstadt auf der Strecke geblieben, zumal das überfällige Nachnutzungskonzept noch nicht vorliege. Deshalb müsse man sich „auf die Hinterfüße stellen“ und dafür sorgen, „dass Marktheidenfeld und Karlstadt nicht abgehängt werden“.
Die Pläne der BI proMAR
Wie das gehen soll, präsentierte anschließend Joachim Kötter, einer der Sprecher der Bürgerinitiative proMAR. Dem Wegfall von medizinischen Leistungen will die BI mit einem kommunalen Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) begegnen, das im Drei-Schicht-Betrieb an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr geöffnet haben soll. Darin sollen laut Kötter Allgemein- oder Facharztpraxen untergebracht sein, die neben der Hausarztfunktion Notfälle und Akuterkrankungen versorgen könnten.
Ziel: ein kommunales MVZ
Das MVZ solle Ultraschall, EKG, Sofortlabor und andere übliche Strukturen beinhalten. Es müsse aber weder Chirurgie noch Notarzt noch Krankenhaus-Notaufnahmen ersetzen. Ziel sei eine ortsnahe ambulante Notfallversorgung.
Als Träger dieses MVZ im Krankenhausgebäude stellt sich die BI den Landkreis oder die Stadt Marktheidenfeld vor. Darüber sei die Gruppe in Gesprächen mit Politikern, Experten, Ärzten und der Kassenärztlichen Vereinigung.
Mangel an Geld und Personal
Chefarzt Fleischmann hielt der BI entgegen, dass es in ganz Deutschland kein MVZ gebe, dass auch am Wochenende und nachts geöffnet habe. Insofern machte er der Versammlung wenig Hoffnung. Ein MVZ sei zwar „eine wunderbare Idee“, aber dafür brauche es (niedergelassene) Ärzte, Geld und eine Beschränkung der Öffnungszeiten auf die üblichen Sprechstunden einer Praxis.
CSU-Landtagsabgeordneter Thorsten Schwab (Hafenlohr) sagte, dass er sich ein Ärztehaus mit Chirurgen und Internisten vorstellen könne. Möglicherweise gebe es für den Landkreis bald Gelegenheit, die Kassensitze von niedergelassenen Ärzten zu kaufen, um sie in ein Ärztehaus einzubringen. Aber auch Schwab hielt einen Drei-Schicht-Betrieb für unrealistisch.
Noch eine Chance für den Bereitschaftsdienst?
Als nächstes will Schwab die 33 niedergelassenen Ärzte im Raum Marktheidenfeld dazu bewegen, den Bereitschaftsdienst für ihren Bereich weiter aufrecht zu erhalten. Noch gebe es in Marktheidenfeld und Umland eine Überversorgung. Bekanntlich hat die KVB verfügt, den Bereitschaftsdienst für den ganzen Landkreis ab dem Sommer am Lohrer Kreiskrankenhaus zu zentralisieren.
Nachdem mehrere Versammlungsteilnehmer die aus ihrer Sicht vorschnelle Schließung von Chirurgie und Notfallaufnahme in Marktheidenfeld kritisiert hatten, erklärte Fleischmann die Beweggründe: Das Klinikum leide unter Personal-, besonders Ärztemangel. Mehrere Mediziner, vom Assistenz- bis zum Oberarzt, hätten sich inzwischen verabschiedet, weil sie den Pendeldienst zwischen Lohr und Marktheidenfeld nicht mehr mitmachen wollten.
Auch Fleischmann selbst betonte, nicht mehr in Marktheidenfeld operieren zu wollen. „Dort sind Dinge nicht so möglich, wie es heute sein soll“, erklärte er aus medizinischer Sicht. Bei möglichen OP-Komplikationen fehle die nötige Infrastruktur: Die Intensivstation werde als „Rumpelkammer“ genutzt, und ein Computertomograf fehle ebenfalls.
Lohr hat Kapazitäten frei
Außerdem gebe es nachts keine Anästhesie. Er könne aber nicht komplette Teams auf zwei Standorte verteilen; dafür gebe es in Marktheidenfeld zu wenige Fälle und in Lohr zu viele, sagte Fleischmann. Der Sorge, das alte Lohrer Kreiskrankenhaus könne das Patientenaufkommen nicht bewältigen, entgegnete Fleischmann: Zwar würden die Arbeiten am Brandschutz noch bis Ende des Jahre im Wechsel jeweils eine Station stilllegen, aber zugleich habe das Klinikum die Patienten-Verweildauer deutlich gesenkt. Noch gebe es keine Vollauslastung.
Notärztin Brigitte Wodarz kritisierte, dass der Niedergang des Marktheidenfelder Kreiskrankenhauses „seit Jahren eine von oben gewünschte Tendenz“ sei. Das habe das Haus selbst nicht zu verantworten. „Jahrelang ist es gut gelaufen.“ Wodarz bemängelte die Eile, in der OPs und Notfallaufnahme verlagert würden: „Wir hätten das Problem nicht, wenn in zwei Jahren unser neues Landkreis-Krankenhaus fertig wäre, aber jetzt kommt alles abrupt.“ Sie schlug den Verantwortlichen vor, die bislang nur erwarteten Änderungen des Gesetzgebers abzuwarten und erst Ende des Jahres über Chirurgie und Notaufnahme zu entscheiden.
Kreisräte sollen gemeinsam handeln
Gleich mehrere Redner forderten wie die beiden Krankenhaus-Bürgerinitiativen Karlstadt und Marktheidenfeld in einer tags darauf eingesandten Stellungnahme, die Kreisräte sollten die Entscheidungen über die Klinik-Zukunft an sich ziehen und nicht der Klinikleitung überlassen.
Den Kreisräten im Raum Marktheidenfeld gaben sie mit auf den Weg, ihre Ziele gemeinsam zu formulieren und gemeinsam dafür im Kreistag zu kämpfen. Das sei, so sagte ein Teilnehmer der Versammlung, „kein Kann, kein Vielleicht, sondern ein Muss im Sinne der Bevölkerung“.