Wer diese Woche in Karlstadt aufmerksam gen Himmel blickte, bekam hier kostenlos eine Flugschau der Sonderklasse geboten. Segelflieger zeichneten da mit ihren Maschinen pausenlos Loopings, Turns und Rollen und andere spektakuläre Figuren in die Luft. Erstmals in der Geschichte des Karlstadter Luftsportclubs fand auf dem Saupurzel ein Kunstfluglehrgang statt.
"Schaut, dass ihr in der Box bleibt", warnt Lehrgangsleiter Felix Fleischhauer. Der Allgäuer ist zugleich Vorsitzender des 2012 gegründeten Fördervereins Segelkunstflug Bayern, der den Kurs zusammen mit den Karlstadter Segelfliegern veranstaltet. Die 13 Teilnehmer sowie fünf Lehrer, zudem Schlepppiloten und Helfer stehen bei der morgendlichen Besprechung vor der Fliegerhalle neben den weiß in der Sonne glänzenden Flugzeugen im Kreis. Sie kommen aus ganz Deutschland und den benachbarten Niederlanden.
Für den Kunstflug reserviert
Mit "Box" meint Fleischhauer die Kunstflugbox. Das ist der Luftraum, der bei der Deutschen Flugsicherung angemeldet und für den Kunstflug freigegeben ist, international als "Special Activity Area" bezeichnet. Es herrscht frischer Westwind, bei dem ein Flugzeug leicht aus diesem begrenzten Luftraum herausgetrieben werden kann.
Im vergangenen Jahr haben die Karlstadter Segelflieger erstmals eine solche Kunstflugbox für gewisse Trainingszeiten angemeldet. Jannik Lamprecht, der vor drei Wochen die Prüfung als Kunstfluglehrer bestanden hat und die Kunstflugwoche von Karlstadter Clubseite her organisiert, erklärt: "Wir wollen versuchen, diesen Luftraum auf Dauer zu bekommen." Bisher gibt es vier Kunstflieger in Karlstadt. Nach dieser Woche werden es zwei mehr sein. Die Box ist wichtig für die Sicherheit, denn beim Kunstflug ist der Pilot stark auf sich und seine Maschine konzentriert und kann währenddessen nicht die gesamte Umgebung kontrollieren.
Der 23-Jährige wird noch konkreter: Rund um einen Bezugspunkt sind zwei nautische Meilen (1,852 Kilometer) bis 6500 Fuß (gut 2000 Meter) Höhe reserviert. Und bei einem Wettbewerb muss der Pilot innerhalb eines gedachten Würfels mit einem Kilometer Kantenlänge bleiben – trotz aller Kunststückchen und Wind.
Agiler Zweisitzer
Unter den vier Kunstflugmaschinen ist auch der "weltbeste Doppelsitzer", eine MDM 1 Fox, schwärmt Jannik Lamprecht. Dieses Flugzeug aus GFK hält minus sieben G (die Erdfallbeschleunigung) und plus neun G aus. In dem Fall wird ein Insasse also mit dem Neunfachen seines Körpergewichts in den Sitz gepresst, während das Blut aus dem Kopf nach unten sackt. Bei einem Außenlooping in den Rückenflug geschieht das Gegenteil – er hängt in den Gurten. Gleichzeitig biegen sich die Tragflächen extrem stark durch. Diese Maschine ist besonders agil und das Gegenteil eines gutmütigen Seglers. Das unterstreicht auch das Haifischgebiss, das auf den Bug aufgemalt ist. Lamprecht: "Und bei den Schleppmaschinen haben wir auch die modernsten im Einsatz, möglichst leise und effizient zugleich."
So spektakulär das auch klingt, mit Draufgängertum hat der Kunstflug hier nichts zu tun. "Einige wollen einfach allgemein ihr fliegerisches Können verbessern und dabei eventuell ihr Leistungsabzeichen ablegen, andere bereiten sich auf Wettbewerbe vor", erklärt der junge Kunstfluglehrer. Erfahrung im Kunstflug sei gut, um zum Beispiel aus einer kritischen Situation in eine stabile Fluglage zu kommen.
Bis 1250 Meter Höhe
Mit Autos und dem Rasenmäherbulldog werden die Segelflugzeuge zum Start ganz ans östliche Ende der Startbahn gezogen. Die Flugleitung hat ihre Position bezogen. Von hier aus wird der Funkkontakt zu allen beteiligten Flugzeugen aufrechterhalten. Und die Starts und Landungen werden auf dem Laptop protokolliert.
Sobald die 40 Meter lange Leine zwischen Schleppflugzeug und Segler eingeklinkt ist, kann es losgehen. Wechselweise werden die Maschinen Richtung Edelweiß und Richtung Schönarts auf 1250 Meter Höhe über dem Platz zum Ausklinken gebracht. Am Boden beobachten die einen die Kunststücke der Kollegen in der Luft, ein anderer geht im Geist die Figuren durch, die er später fliegen wird. Auf einem Notizzettelchen haben die Symbole für die gesamte Choreografie Platz. Bei Wettbewerben wird teilweise eine vorbereitete Kür geflogen. Außerdem bekommen die Piloten einen solchen Zettel voller Symbole, die dann zu fliegen sind.
Sobald es das Wetter dieser Woche zuließ, wurden die vier Kunstflugzeuge in dichten Abständen an den Start geschoben. Durchschnittlich waren dann 100 Starts täglich möglich. Doch war das Wetter in dieser ersten Karlstadter Kunstflugwoche durchwachsen. Am verregneten Mittwoch wurde gar nicht gestartet. Da gab es Theorie. An anderen Tagen passten die Flieger die trockenen Momente ab. Einen zweiten Lehrgang wird es im Sommer in Passau geben.