
Das Klinikum Main-Spessart sorgt immer wieder für Gesprächsstoff. Es ist ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge. Von Leitung und kommunalpolitischen Gremien erwarten die Bürger eine optimale medizinische Versorgung. Mit dem ärztlichen Direktor Matthias Schneider hat diese Redaktion über dessen Sicht auf die Main-Spessart-Krankenhäuser im vorigen und das gerade begonnene Jahr gesprochen.
Die Politik hat sich im März vom Verantwortlichen der Klinikverwaltung getrennt. Dadurch hatten wir eine Interregnumsphase. Dennoch haben wir den Krankenhausneubau mit den Planungen vorangetrieben.
Wir hatten mehrere Tage mit Baugesprächen. In die Entwurfsplanung des Architekten konnten sich alle Mitarbeiter – vom hauswirtschaftlichen Dienst bis zum Chefarzt – mit ihrer Berufsexpertise eingebringen. Sie waren auch in den Arbeitsgruppen vertreten.Es war vorgesehen, die Pläne auch auszuhängen. Das sollten sie immer noch.
Gerade zu Beginn kamen sehr viele Rückmeldungen von den Mitarbeitern. Man konnte über Haftzettel mitteilen, wo beispielsweise Arbeitsabläufe nicht optimal wiedergegeben werden oder Wege unglücklich geplant sind. Im dritten Quartal 2019 sind wir in der Rohausstattungsphase angelangt. Es ging um Steckdosen, Leitungen für medizinische Gase, Geräte und ihre Standorte. Das alles ist mit einem Medizinplaner besprochen worden. Dinge wie Erschließung, Zufahrt und Nachbarschaftsregelung sind alle wichtig, aber das ist Sache der Geschäftsleitung.
Was ich sehr bedaure ist der Weggang des Kollegen Schamberger aus persönlichen Gründen. Er hat jetzt gerade sein Kind – die Kardiologie zum Laufen gebracht. Es ist jetzt die schwierige Aufgabe, die Stelle sinnvoll weiter zu besetzen und die Abteilung weiterzuentwickeln zum Beispiel für minimalinvasive Eingriffe.
Dazu habe ich eine zwiespältige Meinung. Ich glaube, dass man mit einer sinnvollen Betriebssatzung auch als Eigenbetrieb sich hätte als Eigentümer oder Aufsichtsgremium weitgehend zurückziehen können. Kommunalunternehmen bedeutet hoffentlich nicht, dass sich die politisch Verantwortlichen aus der Verantwortung für Krankenhaus und Gesundheitsvorsorge zurückziehen wollen und die Verantwortung komplett an ein Management abgeben. Ich hoffe, dass sie uns weiter eng am Puls der Zeit begleiten. Ich wünsche mir aber, dass wir das Tagesgeschäft vermehrt selbst entscheiden. Man muss nicht jeden vermeintlich unzufriedenen Patienten über den Werkausschuss ins Krankenhaus hineintragen. Dafür gibt es ein Beschwerdemanagement. Die wichtigen Entscheidungen über die Ausrichtung des Krankenhauses, wie Versorgungstiefe und Art der Fachabteilungen: Da ist der Träger gefragt.
Das nächste große Ziel ist die Abgabe des Förderantrags bei der Regierung von Unterfranken. Dabei geht es um die fachliche Billigung. Für die weiteren Schritte – dass der Bagger mal aufs Grundstück kommt – ist jetzt März die Deadline.
Der Wunschplan ist, dass wir Ende des Jahres die Erschließungsstraße fertig haben und wir tatsächlich an den Spatenstich denken können.
Wir hoffen, dass wir zum 1. April den Kollegen André Cyrus Ragheb begrüßen dürfen als designierten Ko-Chefarztkollegen zu Dr. Walter Kestel. Mit Ragheb im Team möchten wir die Gastroenterologie in Diagnostik und Therapie weiterentwickeln. Dr. Ragheb ist ein ausgewiesener Endoskopeur und Fachmann für minimalinvasive Eingriffe im Bereich des Magen-Darmtraktes. Die beiden werden die Schwerpunkte aufteilen. Dr. Kestel wird, sich, wenn er nicht mehr Alleinkämpfer ist, wieder mehr der Onkologie widmen.
Ich hatte mal die Idee, dass wir vier medizinische Kliniken haben werden: die allgemeine Innere Medizin mit der Gastroenterologie, die Kardiologie (Fachrichtung das Herz-Kreislauf-System betreffend), eine Akut-Geriatrie (Altersmedizin) und eine Onkologie mit einer kleinen palliativen (auf Linderung abzielende Behandlung, wo keine Heilung möglich ist) Einheit. Das war mal das mit den Chefarztkollegen besprochene Konzept. Wir haben in den letzten fünf Jahren feststellen müssen, dass es extrem schwierig ist, ausgebildete Onkologen an unser Haus zu bringen. Es gibt nur wenige Bewerber auf dem Arbeitsmarkt, der stark von Wettbewerb geprägt ist. Uns fehlt der ambulante Zugang, um die Patienten während stabiler Erkrankungsphasen zu betreuen. Nur in einer Kombination aus ambulantem und stationärem Angebot können auch die ökonomischen Belastungen aktueller Chemotherapien für kleine stationäre Einheiten betriebswirtschaftlich abgebildet werden. Unser Ziel ist es, irgendwann eine kleine onkologische Abteilung mit drei bis fünf Fachärzten zu erreichen.

Ich verstehe mich als Klassensprecher. Das mag blöd klingen... ist aber anschaulich. Ich bin der Ansprechpartner der Verwaltung, was die ärztlichen Belange betrifft. Umgekehrt bin ich der Interessenvertreter der ärztlichen Belange gegenüber der Verwaltung. Ich versuche die Interessen meiner Kollegen gegenüber der Verwaltung darzustellen, damit wir uns gemeinsam als Haus weiterentwickeln. Ärztlicher Direktor hört sich toll an und unsere Satzung gibt mir ein paar Aufgaben: Ich bin formal Leiter der Anstalt und verantwortlich für Dokumentation, Hygiene und Organisation der Weiterbildung. In der Betriebssatzung habe ich ein Vorschlagsrecht für die leitenden Arztpositionen und bin in jedem Fall zu hören. Die letzte Entscheidung liegt beim Klinikreferenten. Das Gestalten erfolgt in der Chefarztrunde. Wir besprechen, welche Veränderungen es in den einzelnen Fachrichtungen gibt. Wir besprechen uns einmal im Monat. Wir greifen aktuelle Themen auf, die uns innerhalb des Hauses beschäftigen. Ärztliche Dinge regeln wir im Kollegenkreis selbst. Da brauchen wir keine Verwaltung als Schiedsrichter. Und wir versuchen, gemeinsam das Haus weiterzuentwickeln.
Im Kollegium haben wir bislang versucht, schwierige Fälle unter den Patienten zu lösen – in Absprache mit Familie und Vorsorgebevollmächtigten. Hier gibt es eine Veränderung: Wir wollen als Projekt einen klinischen Ethikrat am Haus etablieren. Beteiligt sein sollen Mitarbeiter in der Pflege. Eingeladen werden auch die Klinikseelsorger, zunächst in einer offenen Veranstaltung. Es sollen sich alle Interessierten zusammenfinden, um einen Ethikrat zu bilden. Neben konkreten Fragen wollen wir uns grundsätzlich zu ethischen Fragen im Krankenhaus weiterentwickeln.
Sie haben immer wieder Patienten, die sich medizinisch in ausweglosen Situationen befinden, bei denen sie Therapieentscheidungen gemeinsam diskutieren müssen. Ein Ethikrat kann auch unterstützen, wenn es um Organentnahme für Transplantationen geht, zum Beispiel bei Vorgesprächen.
Im März werden wir uns an einem Tag mit 100 Mitarbeitern unterschiedlicher Berufsgruppen in ein externes Haus zurückziehen und erarbeiten, was sich die Mitarbeiter für die nächsten zehn Jahre vorstellen. Wir werden diskutieren, welche Ziele gesetzt, welche Wege gegangen werden sollen. Es wird um den Neubau gehen, aber auch um Themen über die Hülle hinaus. Das soll alles gesammelt werden. Daraus soll ein Masterplan entwickelt werden vom Medizinkonzept über das Pflegekonzept bis zur Überleitungspflege – einfach alles, wohin wir uns bis 2030 entwickeln wollen. Das alles soll bis Oktober als gebundene Ausgabe zur Verfügung stehen, damit wir nicht jeden Tag aufs Neue diskutieren: Wo kommen wir her, wo gehen wir hin?
Am fairsten wäre pay for performance, also Vergütung nach Ergebnis. Das ist aber schwierig, weil die Frage bleibt, was ist das Ergebnis, mit dem der Patient zufrieden ist. Es gibt Patienten, die zu krank sind, oder die Erwartungen im Vergleich zum Möglichen zu hoch sind. Das System, wie es im Moment ist, ist in meinen Augen relativ fair, aber es müssten die Fehlanreize abgeschafft werden. Zu den systembedingten Anreizen gehört, dass man gewisse Mengen macht. Wir sind uns in der Chefarztrunde einig, dass wir nicht finanziell getriggert behandeln. Ich bin überzeugt, wir können am Markt nur langfristig bestehen, wenn wir Medizin machen, die sich am Patientenwohl orientiert und keine unsinnigen Dinge tun, nur um irgendeine Ziffer abrechnen zu können. Das ist unethisch.