
Das ehemalige Kloster Elisabethenzell – in der Rienecker Bevölkerung besser unter dem Namen Kloster Einsiedel bekannt – hat für die Spessartstadt eine wesentliche geschichtliche Bedeutung. Das Klosterareal, auf dem aktuell die zweite Grabungsphase der im Mai 2012 gestarteten Erkundungen läuft, war Ziel des Treffens der ehemaligen Rienecker, zu dem Bürgermeister Wolfgang Küber alljährlich zur Kirchweih einlädt.
Elisabethenzell steht in engem Zusammenhang mit den Grafen von Rieneck, befindet sich auch heute ganz offiziell auf der Gemarkung der Stadt Rieneck, ist aber im Besitz des bayerischen Staates. „Deshalb ist es naheliegend, das traditionelle Treffen der Rienecker und ehemaligen Rienecker Bürger an Kirchweih auch einmal an diesen Ort zu verlegen“, erklärte Bürgermeister Wolfgang Küber. Die Stadt hatte die interessierten Rienecker und Gäste am Samstagvormittag mit dem Bus durch den Wald an die Gemarkungsgrenze zwischen Rieneck und Ruppertshütten gebracht.
„Wir befinden uns schon an einem beeindruckenden historischen Ort an der früher im Mittelalter sehr bedeutenden Birkenhainer Handels- und Heeresstraße zwischen Gemünden und Hanau“, machte der Vorsitzende des Ruppertshüttener Geschichtsvereins, Ingbert Roth, die Gäste auf die geschichtliche Bedeutung sowohl der Straße als auch des damaligen Klosters Elisabethenzell aufmerksam. Hochinteressant sei der Einblick in die Anlage der mittelalterlichen „Autobahn“, den ein 1,50 Meter tiefer Grabungseinschnitt unweit der Klosteranlage den Historikern eröffnet habe, sagte Roth. Die gepflasterte „Fahrbahn“ zeigt eine Spurweite von 1,05 Metern. Die Wagen waren nicht sehr breit und mussten damit sehr hoch beladen werden, um Mengen zu transportieren. „Das war von Vorteil für die Spessarträuber, denn die Wagen sind schon öfters mal umgekippt“, wusste Ingbert Roth.
Hauptsächlich im Lohrhauptener Bereich seien Historiker dabei, die Birkenhainer Landstraße weiter zu erforschen. Wenn es gelänge, diesen Fernhandelsweg komplett zwischen Gemünden und Hanau zu dokumentieren, dann wäre das nach dem Limes und der ehemals geplanten Autobahn zwischen Würzburg und Fulda das drittgrößte Bodendenkmal in Deutschland, ist der Geschichtsvereinsvorsitzende überzeugt.
Das Kloster Einsiedel ist erstmals im Jahr 1295 erwähnt. Adelheid, die Witwe Graf Gerhards IV. von Rieneck (1243-1295), übergab zusammen mit ihren Söhnen, Ulrich von Hanau und Graf Ludwig von Rieneck, diese Kapelle an die Prämonstratenser in Form einer Seelheilstiftung. Die Schenkung zeigt zwei Gesichtspunkte und Strategien auf. Zum einem war dies die Zeit, in der die „Einsiedeleien“ im Spessart als kleine Karthausen zur Verbreitung des Glaubens und inneren Einkehr entstanden. Zum anderen entstanden aber so auch an den Fernhandelsstraßen strategische Zoll- und Raststationen, die zum Beispiel zur Erhaltung der Machtposition der Rienecker Grafen beitragen sollten. Davon ist Ingbert Roth überzeugt.
Auch wenn die Blütezeit des Klosters wohl nur gut 100 Jahre dauerte, so habe man doch durch Zukauf auf dem Bergrücken gut 70 Hektar Ländereien besessen. Um 1410 verlieh das Kloster Oberzell zwei Würzburgern Dominikanern die „St. Elisabethen Capelle mit allen Eingehörungen“ an Feldern und Waldungen auf Lebenszeit. Unklar sei der endgültige Niedergang und die Aufgabe des Kloster. Da liege noch vieles im Dunkeln, meinte Roth. Nach mehrmaligen Besitzerwechseln war das Gelände um 1900 an den Bayerischen Staatsforst gegangen.
Es wurde nur noch als Steinbruch genutzt. Steine aus den Ruinen der Ansiedlung wurden zum Wegebau und mit Sicherheit auch teilweise von Rienecker und Ruppertshüttener Bürgern zum Hausbau verwendet, vermutet Ingbert Roth weiter: „Zum Schluss war nur noch Waldboden übrig.“ Die Erinnerung an dieses Kloster blieb aber in der Bevölkerung erhalten. Das Archäologische Spessartprojekt (ASP) habe die Möglichkeit eröffnet, die Geschichte zu erkunden, aufleben zu lassen und zu dokumentieren.
Auch der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kloster Einsiedel, Lorenz Ringel, wies auf die finanzielle Unterstützung durch die bayerische Staatsforstverwaltung hin. „Wir wollten vom ersten Tag an die Grabung auf breite Füße stellen und die umliegenden Gemeinden und Bürger mit einbinden.“ Das sei der andere Aspekt der Arbeit mit Unterstützung der freiwilligen, geschichtsinteressierten Bürger aus der Umgebung. Rieneck, Schaippach, Gemünden, Langenprozelten, Ruppertshütten aber auch Lohrhaupten und Rengersbrunn hatten alle früher einen Bezug zu diesem Kloster.
Neue Skelettfunde aus der aktuellen zweiten Grabungsphase zeigten Ingbert Roth und Lorenz Ringel den Rienecker Gästen beim Rundgang durch die Grabungsfelder. Die neuerliche Erkundung der Anlage bringt wesentliche und erweiterte Erkenntnisse, auch durch den Fund einer weiteren Knochenkammer außerhalb der Mauern der ehemaligen Kapelle, erklärte Ingbert Roth.
Das früher genutzte Areal sei sicher noch umfassender, als anfänglich angenommen. Es ergebe sich jetzt ein in hufeisenform mit südlicher Ausrichtung angelegter Gebäudekomplex. Demnach wurde die ursprüngliche Kapelle später von einem größeren Neubau umschlossen. Auch die Grundrisse, Fundstellen und Mauern von weiteren Gebäuden, besonders einem Fachwerkbau, sowie deren vermutete Nutzung, erläuterte der Vorsitzende des Ruppertshüttener Geschichtsvereins im Detail.
Auch die Funde von Keramik, Münzen und Eisenteilen würden noch detailliert untersucht. Besonders interessierten sich die Besucher für die entdeckte rund fünf Meter tiefe Brunnenanlage, die wohl zur Bestandssicherung des Klosters über einen begrenzten Zeitraum diente. Gleichwohl erwähnte Ingbert Roth auch Sagen von einem Eselsweg, der von den Sindersbacher Gespringsquellen an der Mühle zum Kloster führte. Den Abschluss des knapp einstündigen Rundganges der Rienecker Gäste mit geschichtlichem Hintergrund bildete ein Weißwurstfrühstück.
ONLINE-TIPP
Weitere Fotos von der Eröffnung der Rienecker Kirb und dem Treffen der ehemaligen Rienecker unter www.mainpost.de/regional/ main-spessart/gemuenden