Türkisches und italienisches Essen vom Ukrainer um die Ecke? Exotisch? In Gemünden gibt's das. Wo bis Ende letzten Jahres noch Brillen und Kontaktlinsen verkauft wurden, bekommt man seit Pfingstsonntag Döner, Pizza oder Schnitzel serviert.
Gala (die Koseform von Galina) Donschowa betreibt zusammen mit ihrem 21-jährigen Sohn Igor das „Gala Stadt-Bistro“ in der Obertorstraße 6, wo bis Ende vorigen Jahres „Optik Schleunung“ beheimatet war. Die Donschows stammen aus der an der russischen Grenze gelegenen ostukrainischen Stadt Swerdlowsk, einer Stadt etwa von der Größe Würzburgs.
Aus Neugier nach Deutschland
„Es läuft klasse“, sagt der gelernte Koch Igor. Vor allem der als Biergarten genutzte kleine Platz, der Kirchplatz, gegenüber des Bistros ziehe viele neue Gäste an. „Wir verlängern den Gastronomiebereich in die Obertorstraße.“ Für die 46-jährige studierte Musikerin ist das Geschäft nichts Neues. Seit 1996 betrieb sie mit ihrem türkischen Lebensgefährten Cemal das „Klein Istanbul“ am Mühltorberg. Sie sei immer für eine Türkin gehalten worden, erzählt sie, während ihr Partner, der eine österreichische Großmutter hatte, stets als Deutscher durchging. Vor allem im Urlaub in der Türkei sei immer sie zuerst angesprochen worden.
Nach Deutschland ist die Klavierlehrerin 1993 eher aus Neugier gekommen. Studiert hatte sie in Rostow am Don. Ihr Vater war nach dem Krieg in Deutschland stationiert und hat sehr vom Land geschwärmt. In ihrer ersten Station Gießen lernte sie Cemal kennen, mit dem sie dann nach Gemünden zog und das „Klein Istanbul“ eröffnete. „Am Anfang war es sehr schwer“, sagt sie rückblickend. Sohn Igor kam 2001 aus der Ukraine nach. Schon als kleiner Junge hatte es ihm Spaß gemacht, in der Küche mit anzupacken. Auf der Franziskushöhe in Lohr, wo er vier Jahre lang mit Pfanne und Kochtopf hantierte, absolvierte er zielstrebig eine Ausbildung zum Koch.
Als ihr Lebensgefährte Mitte 2007 starb, betrieb Gala das „Klein Istanbul“, eine Dönerbude, auf eigene Faust weiter. Bis April 2010 war die Frau mit den donkosakischen Wurzeln dort die Herrin der Fleischspieße. Dann bot sich die Gelegenheit, in die Fußgängerzone umzuziehen.
Der Umbau des Optikgeschäfts zum Bistro hat „Nerven und Geld gekostet“, sagt Gala. Aber: „Hier ist die Lage viel besser“, freut sich ihr Sohn. Hier werde man von Laufkundschaft und Besuchern der Stadt besser wahrgenommen. Zum überwiegenden Teil sind die Gäste Gemündener. Vor allem donnerstags ist viel los, wenn der 20 bis 25 Mann starke Stammtisch, im Wesentlichen Rexröther, tagt.
Die 14-jährige Aylin, ein Stammgast der Donschows, findet es in der Obertorstraße „viel schöner als drüben“. Und die Musik findet sie im neuen Bistro auch „geil“.
Am Speiseangebot hat sich mit dem Umzug ebenfalls einiges getan. Türkische Gerichte, die selten nachgefragt wurden, wie zum Beispiel Bohnen und Reis, flogen von der Speisekarte. Dafür kamen unter anderem italienische Pizzas und Pastagerichte neu hinzu und die Kaffeeauswahl – Gala spricht von einer „Monsterkaffeemaschine“ – wurde ausgeweitet. Das Angebot ist so neu, dass die Chefin noch immer nicht alle Gerichte auswendig kennt, sagt sie lachend.
Entspannung beim Klavierspielen
Auf die Frage, warum man denn keine ukrainischen Spezialitäten bei ihnen bekomme, sagt Igor: „Ich weiß, was die Leute mögen. Außerdem koche ich nicht so gern mit Kraut und Roter Bete“, was wichtige Bestandteile der ukrainischen Küche sind. Der Renner sind auch weiterhin Döner, türkische Pizza und Knoblauchkartoffeln.
Zur Entspannung nach einer anstrengenden Sieben-Tage-Woche spielt Gala ab und an gern noch Klavier. Von einer alten Dame aus Adelsberg habe sie ein wunderschönes Klavier aus Uromas Zeiten geschenkt bekommen.