
Es war wohl ein Abend wie jeder andere als Julian Roth vor etwa drei Jahren sein Akkordeon auspackte und zu spielen begann. Seine Eltern saßen auf dem Sofa im Wohnzimmer. Plötzlich fing der damals Zehnjährige an, zu der Musik, die er spielte, zu singen. Seine Eltern trauten ihren Ohren nicht. „Da war eine unglaubliche Stimme, die einfach plötzlich da war“, erinnert sich seine Mutter Carolin. „Eine kraftvolle Stimme; wir haben uns gefragt, woher sie kommt“, erzählt sein Vater Olaf.
Zahlreiche Wettbewerbe und Auftritte liegen heute hinter ihm
Diese Stimme, von der die beiden stolzen Eltern reden, ist zweifelsfrei außergewöhnlich. Hoch und klar klingt es, wenn Julian einen Ton anstimmt. Bei der Stimmlage wird er als Sopran eingestuft. „Eigentlich heißt es bei mir aber Countertenor, weil ich ein Junge bin“, sagt der 13-Jährige. Die Eltern erkannten das Potenzial seiner Stimme und meldeten ihn direkt zum klassischen Gesangsunterricht an.

Heute, drei Jahre später, kann Julian zahlreiche Auftritte und gewonnene Wettbewerbe, wie „Jugend musiziert“ oder der Jugendkulturpreis der Jugendstiftung Main-Spessart vorweisen. Doch was am Sonntag, 25. Februar, im Fernsehen zu sehen sein wird, ist für den 13-Jährigen eine ganz andere, völlig neue Erfahrung: Es ist sein Auftritt in der Castingshow „The Voice Kids“, deren neue Staffel seit dem 11. Februar auf Sat.1 ausgestrahlt wird.
Julian, der in Kreuzwertheim wohnt, ist damit eines von drei Kindern aus dem Landkreis Main-Spessart, das in diesem Jahr bei der Castingshow dabei ist. In der ersten Folge war schon Anisa Celik aus Kreuzwertheim zu sehen, Lisa James aus Hausen ist auch dabei.
Überraschung darüber, dass er bei „The Voice Kids“ dabei sein kann
Doch dass Julian vor allem Klassik singt und auch eine klassische Gesangsausbildung genießt, macht ihn zu einem eher ungewöhnlichen Teilnehmer der Castingshow. Zu seinem Gesangsrepertoire gehören vor allem Opern, Operetten und Musicalnummern. Derzeit übt er die Arie „Ich lade gern mir Gäste ein“ aus der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauss. Julian singt auf den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Genau aus diesem Grund wäre er nie selbst auf die Idee gekommen, sich bei „The Voice Kids“ zu bewerben. „Dort werden ja eigentlich immer Popsongs gesungen“, sagt er.
Eines Tages hatte ihm sein Bruder Marius aber eine Mail mit dem Link zur Anmeldung geschickt. Er habe sich dann mit einem Video, auf dem er singt, beworben. Prompt wurde er zum ersten Vorsingen nach Frankfurt eingeladen. Dort sang er zwei Lieder – ein klassisches und ein poppiges. Die Einladung zum zweiten Vorsingen in Berlin folgte. Eine Woche danach stand fest, dass er bei den „Blind Auditions“, der ersten Phase der Castingshow, dabei sein werde.
Zunächst sei er völlig baff gewesen. „Ich habe nicht damit gerechnet, weil ich ja Klassik singe“, erklärt er. Mitgeteilt wurde ihm die gute Nachricht von seinem Vater, während des Unterrichts bei seiner Gesangslehrerin Edeltraud Rupek. „Er hat dann gesagt, dass ich in der Sendung dabei bin und meine Lehrerin und ich sind erst mal ausgerastet“, erzählt der junge Sänger und lacht.
Aufregung vor dem Auftritt bei den „Blind Auditions“ hielt sich in Grenzen
Am Sonntag wird sein Auftritt auf Sat.1 ausgestrahlt, aufgezeichnet wurde er aber schon lange vorher. Die Aufregung kurz vorher habe sich bei ihm in Grenzen gehalten. „In der Schule habe ich auch schon mal vor 1000 Leuten gesungen“, sagt er routiniert. Ein bisschen nervös sei er trotzdem gewesen. „Aber als ich den ersten Ton gesungen habe, war alles gut. Mittlerweile weiß meine Stimmmuskulatur genau, was sie machen muss“, erzählt er. Nur habe er die Band teilweise kaum hören können, weil das Publikum so ausgerastet sei.
In einem Trailer auf der Homepage der Castingshow lässt sich auch schon erkennen, dass die Jury, bestehend aus Mark Forster, Max Giesinger und Nena, die gemeinsam mit ihrer Tochter Larissa ein Coachteam bildet, ziemlich beeindruckt von Julians Stimme ist. Doch wen wird sich der 13-Jährige Kreuzwertheimer als seinen Coach aussuchen?
Zur Klassik sei er vor allem durch das Musical „Phantom der Oper“ gekommen. „Das fand ich so toll, dass ich auch so singen wollte“, erzählt er. Sein Wunsch wurde wahr. Beim Neujahrsempfang in Kreuzwertheim sang er in diesem Jahr beispielsweise den Titel „Think of Me“ aus dem berühmten Musical von Andrew Lloyd Webber. Doch auch „Scarborough Fair“, ein englisches Volkslied, das vor allem durch die Version von Simon & Garfunkel bekannt wurde, gehört zu seinem Repertoire.
Musikstudium zusätzlich zur Schule
Julian geht derzeit in die achte Klasse auf dem Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Wertheim. Zusätzlich besucht er auch schon die Musikhochschule in Würzburg. „Ich studiere da am Pre-College klassischen Gesang“, sagt er. Das Pre-College soll künstlerisch außergewöhnlich begabten Kindern und Jugendlichen als Vorbereitung auf ein mögliches Musikstudium dienen. „Bei vielen Auftritten wurde ich öfters angesprochen, ob ich nicht mal den Eignungstest dafür machen wolle“, sagt er. Vor neun Dozenten habe er vorgesungen und wurde zugelassen.
Neben der Musik spiele er aber auch gerne Computerspiele, schaue Youtube-Videos oder treffe sich mit Freunden. Diese hätten das alles erst nicht so ernst genommen, aber jetzt wo sie wüssten, dass er bei „The Voice Kids“ dabei ist, fänden sie das „cool“. Seinen Auftritt wird sich Julian am Sonntag gemeinsam mit seiner Familie anschauen – und zwar bei seiner Oma. „Sie ist mein Glücksbringer“, sagt er.
Chapeau.
Beeindruckende Stimme.