„Diaspora“ – das Leben von Minderheiten in der Fremde war das diesjährige Thema des „Europäischen Tages der Jüdischen Kultur“. Der Förderkreis ehemalige Synagoge Laudenbach lud deshalb zu einem Benefizkonzert der beiden Karlstadter Künstler Maria Hussong (Violine) und Philip Hahn (Klavier) in die Synagoge ein. 100 interessierte Zuhörer fanden den Weg nach Laudenbach. Aufgrund des Andrangs konnten viele dem 60-minütigen Musikvortrag nur im Stehen lauschen.
Lebendige Nutzung
Der Vorsitzende des Förderkreises, Georg Schirmer, wies in seiner Einführung darauf hin, dass dieses Konzert in mancherlei Hinsicht etwas ganz Besonderes darstelle. Das Gebäude blickt mittlerweile auf ein mindestens 350-jähriges Bestehen zurück (erste Erwähnung 1667), und man müsse davon ausgehen, dass in seinen Mauern in dieser langen und überaus wechselvollen Zeit noch nie ein Konzert stattgefunden hat. Dem Förderverein liege es am Herzen, das historische Erbe der jüdischen Gemeinde Laudenbach nicht nur zu erhalten, sondern der Synagoge durch eine lebendige Nutzung wieder eine Würde zu geben.
Auf welchen Wegen suchten jüdische Komponisten ihren eigenen Stil und ihre musikalische Identität? Das war die Ausgangsfrage, die sich Maria Hussong und Philip Hahn stellten. Sie wählten dazu drei Komponisten aus: Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) als Beispiel für die klassische westliche Musiktradition, Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) als Beispiel für einen assimilierten jüdischen Weg und Ernest Bloch (1880-1959) als Vertreter eines ausgeprägt jüdischen Musikstils, der sich unter anderem an den Klängen synagogaler Kantorengesänge zu orientieren versuchte.
Von Mozart erklang die Sonate für Klavier und Violine in e-Moll KV 304. Mozart schrieb sie unmittelbar unter dem Eindruck des Todes seiner Mutter. Das Stück zeigt tiefe Trauer und Melancholie, von Maria Hussong und Philip Hahn mit beeindruckender Feinfühligkeit interpretiert.
Sucht man bei Felix Mendelssohn- Bartholdy einen eigenen jüdischen Stil, so wird man kaum fündig werden. Wie Philip Hahn erläuterte, hatte Mendelssohn zwar jüdische Wurzeln und berühmte jüdische Vorfahren, er schlug jedoch wie viele Juden seiner Zeit den Weg der Assimilation ein. Mendelssohn wollte ganz bewusst keine eigene jüdische Musik zu komponieren, er orientierte sich ausschließlich an der europäischen Musiktradition und entwickelte sie weiter. Das vorgetragene Konzert für Violine und Orchester in e-Moll op. 64 entstand in den Jahren 1844/45. Es gehört zu Mendelssohns populärsten Werken und wird zu den größten Violinkonzerten in der Literatur gezählt.
Beeindruckende Virtuosität
Kaum verständlich, dass die Werke von Ernest Bloch in Europa wenig bekannt sind. Das Publikum nahm die von Hussong und Hahn mit beeindruckender Virtuosität vorgetragenen drei Stücke mit Begeisterung auf: Abodah (Gottesverehrung), Vidui (Reue, jüdisches Bekenntnis auf dem Sterbebett) und Nigun (Melodie, Improvisation), die beiden letzten aus Baal Shem (Drei Bilder aus dem chassidischen Leben).
Die Blochschen Kompositionen erinnern deutlich an die Gesänge jüdischer Kantoren in der Synagoge. Maria Hussong erläuterte, sie habe das Stück oft gespielt, seine eigentliche Wirkung zeige es aber erst dort, wo es eigentlich hingehöre: in einer Synagoge.
Maria Hussong ist eine wahre Meisterin auf ihrem Instrument, sie spielt ebenso kraftvoll und mitreißend wie zart und feinfühlig bis in die höchsten Lagen. Die Begleitung auf dem Klavier von Philip Hahn unterstreicht dabei dezent und zurückhaltend das Spiel der Violine.
Mit einer Zugabe von Fritz Kreisler, einem jüdisch stämmigen Wiener Geigenvirtuosen und Komponisten, endete das Konzert. Die beiden Künstler wurden mit Applaus belohnt. Maria Hussong und Philip Hahn spielten ohne Gage, die Spenden kommen der Arbeit des Förderkreises zugute. Georg Schirmer bedankte sich bei den beiden Künstlern und freute sich über die zahlreichen Besucher. Manche von ihnen nutzten die vor dem Konzert stattfindende Führung in der Synagoge und der Mikwe, um sich vorab zu informieren.