Tief in den Wäldern des Spessarts und der Rhön, an versteckten und ruhigen Orten haben Mitarbeiter der Bayerischen Staatsforsten und Schwarzstorchexperten aus Niedersachsen mehrere neue Kinderstuben für Schwarzstörche errichtet.
Der Schwarzstorch ist einer der größten heimischen Waldvögel. Mit einer Spannweite von 180 Zentimetern segelt er über die Wälder, in denen er bevorzugt ungestörte Bereiche mit alten Bäumen und fischreichen Bächen und Tümpeln besiedelt. Derweil ist der Zugvogel noch im Winterurlaub in Afrika, wenn er aber dann bis Mitte März in Spessart und Rhön zurückkehrt, haben ihm die Förster bereits eine Kinderstube für den Nachwuchs eingerichtet, teilt der Forstbetrieb Hammelburg mit.
Der scheue Waldbewohner kann zwar auch selbst Nester bauen, jedoch nutzt er gerne Vorlagen oder Plattformen für den Horstbau. So baut er nicht selten auf Dächern von Hochsitzen oder auf alten Greifvogelnester. Um ihm eine Starthilfe in ruhigen, ungestörten Lagen zu bieten, wurden daher an geeigneten Stellen im Staatswald Kunsthorste errichtet. Als Auftakt zum Jahr des Waldnaturschutzes 2015 wurde im Forstbetrieb Hammelburg jeweils eine Nisthilfe im Neuwirtshauser Forst und im Bereich Mittelsinn gebaut. Zeitgleich wurden Kunsthorste auch in den Forstbetrieben Heigenbrücken und Rothenbuch angebracht. Tendenz steigend.
Bis vor wenigen Jahrzehnten galt der Schwarzstorch in den meisten Regionen der Bundesrepublik als ausgestorben, so auch in Bayern. Bis in die 1930er Jahre wurde dem schwarzen Storchenvogel noch intensiv durch den Menschen nachgestellt, da er als Fischfresser dem Menschen ein Nahrungskonkurrent war. Ebenso galt der schwarze Vogel als Unglücksbote. Der Überlieferung nach brachte er die missgebildeten und kranken Kinder. Sein Verwandter, der Weißstorch, hingegen war bei den Menschen als Glücksbringer beliebt.
Um die Mitte des 20. Jahrhunderts gab es dann in Bayern wieder die ersten Brutpaare und derzeit wird der Freistaat von Osten her immer weiter vom Schwarzstorch besiedelt. Seit etwa zehn Jahren ist er auch in Spessart und Rhön wieder heimisch. Heute brüten wieder über 100 Paare in Bayern – mit steigender Tendenz.
Der scheue Waldvogel ist gerade in den großen, geschlossenen Staatswäldern Nordbayerns vermehrt zu beobachten. Dass einige Brutpaare in der Vergangenheit bis zu vier Jungvögel aufziehen konnten, spricht für eine deutliche Verbesserung der Lebensgrundlagen, wofür bei den Bayerische Staatsforsten auch einiges getan wird. So werden alte Waldbestände und starke Bäume, die sich besonders zum Bau von Horsten eignen, als möglicher Lebensraum und Brutplatz erhalten, berichtet Forstbetriebsleiter Adolf Herr. Zusätzlich werden gezielt Feuchtwiesen und Bachtäler im Wald gepflegt und es wurden zahlreiche neue Tümpel als Nahrungshabitate angelegt. So wurden allein im Bereich Mittelsinn in den vergangenen Jahren etwa 500 Feuchtbiotope und auch im Neuwirtshauser Forst großflächig ganze Tümpelketten neu angelegt. Hier findet der scheue Schwarzstorch Fische, Amphibien und Wasserinsekten als Nahrung für sich und seine Jungen.
Für den Bau der Kunsthorste haben sich die Staatsforsten Unterstützung von Spezialisten im Kunsthorstbau aus Niedersachsen geholt. Norbert Fiebach, der bereits seit rund 20 Jahren Kunsthorste für den Schwarzstorch baut, ist mit seiner Kollegin Indra Koch eigens aus dem nördlichen Niedersachsen angereist. Sie wissen, worauf es beim Horstbau ankommt und was die Schwarzstörche mögen. Unterstützt wurden die Kletterer von Heiko Preisendörfer, Forstwirt und gelernter Baumsteiger im Forstbetrieb Hammelburg.
Der Seilkletterer baut die Horste in rund 15 bis 20 Metern Höhe in spezieller Technik, damit die Plattformen möglichst langlebig sind. Als Material dienen geschälte Douglasienstangen, Äste und Moos. An einem Lastenseil werden die Bauteile in die Krone der Bäume gezogen und dort verbaut. Der Bau eines Horstes dauert etwa einen halben Tag.
Geplant, koordiniert und begleitet wurde die Aktion in Spessart und Rhön von Axel Reichert, dem Naturschutzspezialisten der Staatsforsten in Nordbayern. Er ist optimistisch: „Ich sehe nicht schwarz für den Schwarzstorch“, meint er augenzwinkernd. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Langstreckenzieher auf seinem Weg in das Winterquartier in Afrika und bei seiner Rückreise nichts zustößt. „Leider gibt es immer noch viele Länder, in denen dem Vogelfang nachgegangen wird“ sagt Reichert mit sorgenvoller Miene. Unterstützt wurden die Horstbauer auch vom Vogelexperten Andreas Ebert aus der Zentrale der Bayerischen Staatsforsten in Regensburg.