Die Fünfjährige nestelt mit den Fingern an ihrem Kleidchen. Sie blickt in die Kamera und sagt dann über ihren Papa: "Aber wenn er halt mal arbeitet in seiner Firma, dann weiß ich ja nicht, mit wem ich spielen soll." Das Video blendet auf den Vater des blonden Mädchens über, der seine Tochter in einem separaten Raum über Kopfhörer und Monitor verfolgt. Seine Mundwinkel zucken, die blauen Augen blicken traurig.
"Vielleicht weil er zu viel zu tun hat", antwortet das Mädchen auf die für den Zuschauer unhörbare Frage, warum ihr Papa nicht so oft mit ihr spielt, wie sie das gerne hätte. Das Video, in dem noch mehr Kinder bedauern, dass ihre Eltern zu wenig Zeit zum Spielen haben, ist im Internet bisher mehr als 100 000 Mal aufgerufen worden. Gedreht hat es die deutsche Tochterfirma des US-amerikanischen Spieleverlags Hasbro.
Dieser hat Brettspiele wie Monopoly, Risiko und Cluedo im Sortiment. Unter dem Motto "Zeit für uns" will sich der Spielehersteller laut eigener Werbeaussage "ganz den Bedürfnissen der Kleinsten widmen". Schließlich entstünden laut Hasbro die schönsten Momente beim Zusammensein mit der Familie und Freunden.
Zwei Stunden vor der Kamera
Das blonde Mädchen aus dem Video heißt Carla und kommt aus Frammersbach. Über mehrere Ecken haben Carlas Eltern Laura und Benjamin König durch Bekannte von der Suche nach fünf- bis achtjährigen Kindern für den Dreh eines Werbespots erfahren. Die Fünfjährige wollte mitmachen, der Regisseur wollte sie dabeihaben. Deshalb fuhr die Familie Mitte Oktober zu den Dreharbeiten nach Offenbach. Zwei Stunden standen Carla und ihr Papa vor der Kamera - die meiste Zeit getrennt voneinander. "Doch bevor es losging, wurden die beiden erst mal von der Visagistin gepudert. Im Studio hatte es 45 Grad", erzählt Laura König.
Ein Theaterpädagoge bereitete die Kinder auf den Dreh vor und sammelte Informationen für den Moderator, der ihnen später Fragen stellte. "Außerdem gab es Tonnen an Gummibärchen", sagt Benjamin König. Carla nickt. Viel möchte sie im Gespräch mit dem Reporter nicht von ihrem aufregenden Leben als Werbestar berichten. Dafür hat sie ja Mama und Papa. "Carla sollte denken, dass wir gegangen sind", erklärt ihr Vater. Stattdessen saß der 34-Jährige in einem anderen Raum und bekam die Antworten seiner Tochter mit. Seine einzige Regieanweisung lautete: "Den Emotionen nach Möglichkeit freien Lauf lassen."
Um ihren Papa davon zu überzeugen, dass er künftig öfter mit ihr spielt, fährt Carla im Video schweres Geschütz auf: "Ich ess mein Gemüse auf", verspricht sie. Wie sich Benjamin König dabei gefühlt hat? "Es hat mich überrascht, dass sie das so direkt mitkriegt. Ich dachte, dass es nicht so ins Gewicht fällt, wenn ich arbeite, weil sie dann mit Mama, Oma, Opa und ihrer Schwester spielt", sagt der Frammersbacher.
Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist oft nicht einfach: Benjamin König arbeitet als Projektleiter bei Rexroth in Lohr, seine Frau Laura in Teilzeit als Assistentin beim Lohrer Echo. Die beiden haben zudem vor nicht allzu langer Zeit ein Haus in Frammersbach gebaut. Da falle schon viel Arbeit an, betont Benjamin König. Andererseits kann er sich seine Arbeitszeit bei Rexroth frei einteilen. "Luxuriös" nennt der 34-Jährige das.
Großeltern helfen viel mit
Außerdem wohnen die Großeltern von Carla und deren dreijähriger Schwester Lotta ganz in der Nähe. "Sie übernehmen den Part der Nachmittagsbetreuung, wenn wir beide arbeiten müssen. Unsere Eltern nehmen sich Zeit und machen viel mit den Kindern", sagt Laura König dankbar.
Und es ist ja auch nicht so, dass der Papa überhaupt keine Zeit zum Spielen hat. "Wir spielen nicht nur am Wochenende zusammen, aber mit Sicherheit auch nicht täglich", sagt er. Carla äußert sich dazu nicht mehr. Warum auch? Sie hat ja bereits im Video alles gesagt, was ihr wichtig war.
Im Netz hat der Werbespot hohe Wellen geschlagen und viel Lob "für seine wichtige Botschaft" bekommen. Mit Kommentaren wie "herzerwärmend", "traurig, aber wahr" und "Ich musste weinen" wird nicht gespart. Doch es hagelte auch Kritik: Ein Kommentator bezeichnet die Reklame als "ein Schuss unter die Gürtellinie". "Gefühle von Kindern und Eltern so öffentlich zu missbrauchen, finde ich unverantwortlich", schreibt er.
Benjamin König findet die Aussage des Werbefilms gut. "Die Situation ist aber manchmal nicht so dramatisch, wie sie im Video dargestellt wird", merkt er an. Das Video ziele auch nicht darauf ab, dass man täglich fünf Stunden mit seinen Kindern spielen muss, sondern mache grundsätzlich auf das Thema aufmerksam, ergänzt seine Frau Laura.
Ob sie durch den Auftritt im Werbespot jetzt reich sei, will der Reporter von Carla wissen. Sie schüttelt den Kopf. Zu Gagen gibt sie offenbar keine Auskünfte. "Carla hat ein bisschen Geld gekriegt, ein Spielepaket und viele Süßigkeiten", sagt ihre Mutter.
Die Fünfjährige hat unterdessen Monopoly Junior auf dem Tisch ausgebreitet. Ihre Version basiert auf dem Animationsfilm "Die Unglaublichen 2". Dieser dreht sich um eine Familie mit Superkräften, die trotzdem arge Probleme hat, ihren Alltag zu meistern.
Statt Hotels und Bahnhöfen kaufen die Spieler bei diesem Monopoly Schauplätze aus dem Film, beispielsweise ein Tragflächenboot. Carla würfelt und zieht ihre Figur begeistert über das Spielbrett. Beim nächsten Zug muss Papa ihr Spielgeld als Miete bezahlen, weil er auf einem ihrer Felder gelandet ist. Die Kleine freut sich diebisch.
Auf die Frage, ob sie sich vorstellen kann, in weiteren Werbevideos mitzuspielen, antwortet Carla: "Nein, ich habe keine Lust mehr, so weit zu fahren." Stattdessen mit Mama und Papa zu spielen, macht viel mehr Spaß.