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SCHOLLBRUNN
Keine Angst vor der Natter im Spessart
Gesellige Zeitgenossen:  Gleich vier Nattern tummeln sich auf dem Geäst.
Foto: Roland Schönmüller | Gesellige Zeitgenossen: Gleich vier Nattern tummeln sich auf dem Geäst.

Von unserem Mitarbeiter

Roland Schönmüller

 |  aktualisiert: 22.06.2012 12:01 Uhr

Es ist Samstagnachmittag und ein warmer Junitag im Spessart, nur gelegentlich weht ein kräftiger Windzug. Er entfacht einen sprühenden Wellenschlag über das von schattigen Buchenwäldern umgebene Gewässer im Kropfbachtal bei Schollbrunn, in dem sich munter Forellen tummeln. In der angenehmen Nachmittagssonne haben Wassernattern ihre Schlupfwinkel verlassen und sonnen sich bei optimalen Sommertemperaturen.

Hier fühlen sich die Schlangen wohl und kriechen mal übermütig hurtig, mal langsam über kleine, angeschwemmte Äste und Zweige an einem Teichufer. Es sind fast ein Dutzend junge Ringelnattern, die im filigranen Holzgewirr – gut getarnt und kaum zu erkennen – ihre Vorliebe für geselliges Beisammensein pflegen. Sie präsentieren sich mit großen Augen und runden Pupillen. Die Oberseite ihrer Haut zeigt kleine dunkle Flecken, die Grundfarbe ist blau-grau bis grün-grau. Von den Schlangen, die als Hauptmerkmal zwei gelben oder weißen Halbmond-Flecken im Nacken tragen, geht keine Gefahr aus.

Ringelnattern stehen als gefährdete Tiere auf der „Roten Liste“ Deutschlands. Zwar sind sie neben den giftigen Kreuzottern die am häufigsten vorkommende Schlangenart, dennoch gelten sie in manchen Regionen Deutschlands bereits als ausgestorben. „Vor Jahrzehnten gab es noch weitaus mehr Ringelnattern, doch durch Flurbereinigung, Spritzgift in der Landwirtschaft oder den Straßenbau werden es immer weniger,“ bedauert Walter Malkmus, Leiter des Arbeitskreises Biotop und Artenschutz im Main-Spessart. „Der Mensch breitet sich immer weiter aus, auch in Gebieten, die früher Lebensräume für alle möglichen Tiere gewesen sind, nicht nur für Nattern.“ Nach der Bundesartenschutz-Verordnung sind die Schlangen wie andere heimische Reptilien und Amphibien unter den besondern Schutz gestellt.

Diesen erfahren die Tiere aber nicht immer. Deswegen möchte Walter Malkmus auch nicht sagen, wo genau im Landkreis Main-Spessart Ringelnattern vorkommen. „Viele Menschen glauben immer noch, Nattern sind gefährliche Tiere und schlagen dann gezielt mit Steinen oder Knüppeln auf die Tiere oder überfahren sie.“ Solchen Leuten mag er keine Steilvorlage geben. Viel wichtiger ist ihm, dieses Missverständnis aus dem Weg zu räumen. „Ringelnattern sind völlig ungefährlich, da muss noch mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden.“

So viel kann er dann aber doch verraten: „Am liebsten halten sich die Tiere an oder im Wasser auf, sie mögen eine feuchte Umgebung.“ Nattern sind ausgezeichnete Schwimmer und Taucher, im Wasser finden sie auch ihre liebste Beute: Amphibien wie Frösche oder Molche, gelegentlich auch Kleinsäuger, Kaulquappen, Larven und kleine Fische.

Erschütterungen des Bodens durch vorbeiziehende Spessart-Wanderer veranlassen die Ringelnattern zum kurzzeitigen „Sich-Totstellen“ und Bewegungsstillstand. Bei Bedrohung würden die ungiftigen Ringelnattern sicherlich nicht beißen oder zuschnappen, wohl eher einen unangenehmen Geruch aus einer Drüse ausströmen lassen, der potenzielle Angreifer schnell das Weite suchen lässt. Oft dreht bei dieser Abwehr die Schlange ihren Bauch nach oben und die dreieckigen Kiellinie sind zu sehen. Noch dazu hängt die Zunge weit aus dem Maul und blutiger Speichel tritt aus.

Alte Bäume, moderndes Holz und Felsspalten sind beliebter Aufenthaltsort der ungiftigen Ringelnattern in extremer Mittagshitze, bei Nacht, zur Eiablage oder zur Überwinterung.

Nach dem Winterschlaf, der etwa von Oktober bis Anfang April dauern kann, kommen die Nattern im Frühjahr aus ihren frostfreien Verstecken: aus den Kleinsäugergängen (beispielsweise Mäuselöchern), aus der etwa 50 bis 150 Zentimeter tiefen Erde oder aus großen Komposthaufen. Dann paaren sich die Tiere. Im Sommer legen die Weibchen bis zu 50 längliche, pergamentschalige Eier an feuchtwarmen Stellen in verrottende Pflanzen. Im September schneiden die Schlüpflinge die Eischale mit einem speziellen Eizahn auf und verlassen nach ein bis zwei Tagen die Eier. Die Jungtiere bleiben meistens im Gelege und gehen teils ohne Nahrungsaufnahme in den Winterschlaf.

Ringelnattern häuten sich, abhängig vom Alter und der Nahrungsmenge vier bis sechsmal während einer Aktivitätsphase. Sie sind wechselwarme Tiere, das heißt, dass sie im Jahr nur das Zwei- bis Vierfache ihres Körpergewichts an Nahrung zu sich nehmen. Bemerkenswert ist der Größenunterschied zwischen den Geschlechtern: Während die Weibchen zwischen 85 und 180 Zentimeter lang werden können, bleiben die Männchen deutlich kleiner und erreichen nur eine Länge zwischen 70 und 100 Zentimeter.

Haben sie günstige Lebensbedingungen, können Ringelnattern in Freiheit bis zu 20 Jahre alt werden. Und es kann sein, dass ein Naturfreund auf „alte Bekannte“ trifft.

Typisches Merkmal: Am Natterkopf sind gelbe Halbmonde zu erkennen.
| Typisches Merkmal: Am Natterkopf sind gelbe Halbmonde zu erkennen.
 
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