Beachtliche Zahlen: 7730 Kilometer Luftline, 4171 Seemeilen, sechs Stunden Zeitverschiebung – nicht geradewenig trennt Karlstadt von Peking. Zwei Städte, die kaum Unterschiedlicher sein könnten und doch verbindet sie eine Leidenschaft: die Liebe zu alten Autos, zu Oldtimern.
Michaela und Martin Kühl aus Karlstadt teilen eben diese Leidenschaft. Und es muss eine große Leidenschaft sein, denn für sie haben sie sogar die weite Reise nach Peking aufgenommen, um an der Chinese Great Wall Classic Rallye, einer Oldtimerrundfahrt in China, teilzunehmen.
Die Teilnahme hat das Ehepaar dank ihres eigenen Oldtimers, einem Borgward Isabella aus den sechziger Jahren, gewonnen. Doch nicht nur den Weg einmal um den Globus und die Teilnahme an weiteren Wettkämpfen haben die Karlstadter eingeheimst, sondern auch den Gesamtsieg der Rallye.
Teilnahme gewonnen
Angefangen hat die kuriose Geschichte um den Vatertag herum, als sich die Inhaberin des Autohauses Kühl in Karlstadt und der Polizeibeamte spontan dazu entschieden haben, zum 125. Borgward-Jubiläum nach Bremen zu reisen. Dort erlebten sie dann die große Überraschung: Ihr Auto wurde zum Schönsten unter den 600 vorgefahrenen anwesenden Wagen und Bussen gekürt. Der Preis – eine mehrwöchige Reise nach China und die Teilnahme an weiteren Wettbewerben. Ausgelobt hatten ihn die anderen Teilnehmer, Veranstalter Borgward und Autobild China.
„Es waren Leute aus 14 verschiedenen Nationen und wunderschöne Fahrzeuge bei dem Jubiläum vertreten. Wir wussten gar nicht, wie uns geschieht, eigentlich waren wir gerade in der Innenstadt bummeln und als wir wieder kamen hieß es, wir hätten gewonnen“, erzählt Michaela Kühl mit strahlenden Augen.
Die Produktion der Marke Borgward schien eigentlich schon eingestellt, doch der Betrieb expandierte nach China und hat die Produktion neu aufgenommen. Neue Autos, alte Beziehungen neu aufgefrischt. Denn um die deutsch-chinesischen Beziehungen zu vertiefen, sollten die Rallye und der Aufenthalt in China dienen. Vier weitere Borgward-Fahrzeuge aus Deutschland samt Besitzer, wurden zu der Rallye eingeladen. Hierbei wurde die Veranstaltung von Autobild China organisiert und von Borgward gesponsert.
Auto wurde verschifft
„Dann ging alles Schlag auf Schlag“, erzählt Martin Kühl. Ihr Auto mit Chromausstattung wurde bereits vor dem Paar auf die Reise geschickt: Ende Juli mussten die beiden zusehen, wie ihr Auto mit dem liebevollen Modellnamen Isabella in einen Laster verfrachtet wurde, um 45 Tage nach China verschifft zu werden. Am 10. September begann das Abenteuer dann auch für die Karlstadter.
Gemeinsam mit Dolmetschern ging es dann durch verschiedene Städte des Landes. Zuweilen erlebte man einen kleinen kulturellen Schock. Von ruhigen Provinzen bis hin zu der Metropole Peking reichte das Spektrum: „Es sind verschiedene Welten, durch die man reist. Die Städte sind laut, voll belebt. Die kleineren Ortschaften wiederum sind sehr ländlich. Man glaubt gar nicht, wie grün es dort ist“, schwelgt Michaela Kühl in Erinnerungen.
So wechselte sich das Programm der Autoliebhaber mit touristischen Aktivitäten, Borgward-Werksbesuchen und Behördengängen ab: „Wir mussten direkt, als wir gelandet sind, einen Führerschein für China beantragen. Raus aus dem Flieger, rein in diverse Ämter“, erinnert sich Martin Kühl schmunzelnd. Dabei schaut er sich das kleine Stück Papier mit seinem Bild und den vielen Schriftzeichen an. „Hierzulande ungültig“, sagt er und zuckt die Schultern.
„Als der Papierkram dann erledigt war, begannen verschiedene Wettbewerbe“, schildert Martin Kühl das Prinzip des zweieinhalbwöchigen Aufenthalts. Von Fahrten verschiedener Strecken auf Zeit bis hin zu Schönheitswettbewerben, gab es viele Veranstaltungen für die Oldtimer. Die Teilnehmer der Wettbewerbe kamen dabei aus verschiedenen Nationen, wahren aber durchweg eines: Borgward-Begeisterte.
Bleibende Eindrücke
Begeistert. So auch erschienen die Zuschauer der Rallye bei den Festlichkeiten. Denn neben viel Bürokratie ist dem Paar aber auch die mediale Begleitung sehr gut in Erinnerung geblieben: „Egal wo wir waren, Kameras folgten uns auf Schritt und Tritt. Man fühlte sich wie ein Star. Nicht nur mit unserem Auto, sondern auch mit uns wollten alle Fotos machen.“ Michaela Kühl lassen die Eindrücke der knapp drei Wochen in China immer noch nicht los.
Einige Dinge schienen dem Paar dabei jedoch befremdlich: „Das Benzin kam teils aus Colaflaschen, sie wussten sich nun mal zu helfen“, schmunzelt der Polizist. „Das Essen war gewöhnungsbedürftiger“, fügt seine Frau schnell hinzu.
Ungefähr 2000 Kilometer haben sie durch die Provinzen mit ihrer Isabella hinter sich gelegt. Schließlich die Überraschung – sie hatten den Gesamtsieg, bestehend aus vier Pokalen, gewonnen. „Nun kann unsere Isabella erst mal in den Winterschlaf, wir hingegen sind mit den Gedanken immer wieder bei der Zeit in der anderen Welt“, schwelgt die Inhaberin des Mitsubishi Autohauses.
Ihr Handy klingelt – „WeChat“, eine chinesische Plattform über die Nachrichten und weitere Kleinigkeiten versandt werden können. „Unsere Bekannten dort können nur WeChat nutzen. Kontakt halten möchten wir aber trotzdem.“ Den freundschaftlichen Kontakt zu den anderen deutschen Teilnehmern, aber auch anderen Leuten aus der Szene wollen die Karlstadter aufrecht halten.
Die nächste Rallye ist schon geplant, wenn auch in Deutschland. Nicht nur ihre Isabella wird hierbei gefahren: „Unsere ganze Familie liebt Oldtimer. Manchmal machen wir auch Ausflüge mit anderen unserer Autos. Die Liebe hat eigentlich bei den Mitsubishis begonnen, doch dann wollten wir etwas aus einer anderen Zeit.“
Ein weiterer Besuch in der Metropole Peking sei jedoch nicht ausgeschlossen, wie Martin Kühl anfügt. Wer weiß, wann es wieder heißt „Karscht goes China“.