Folter, simuliertes Ertränken, Schlafentzug - das sind so die Methoden, mit denen in Agentenfilmen Verräter zum Geständnis gezwungen werden sollen. Die CSU in Karlstein am Main (Lkr. Aschaffenburg) hat zu anderen Mitteln gegriffen, um einen Abweichler in den eigenen Reihen zu finden. Ihre Gemeinderäte sollten auf die Bibel schwören, dass sie bei der Wahl des Dritten Bürgermeisters nicht für den SPD-Kandidaten gestimmt hatten.
Der Fall spielte sich schon vor einigen Monaten ab, wurde aber jetzt erst öffentlich. Wie es dazu kam? Der Dritte Bürgermeister Karlsteins, ein CSU-Mitglied, war Anfang des Jahres aus dem Gemeinderat ausgeschieden, also musste ein neuer gewählt werden. Die CSU nominierte eine Gemeinderätin und ging davon aus, dass sie Frau gewählt werden würde. Schließlich gehören elf der 20 Gremiumsmitglieder der CSU-Fraktion an. Außerdem war's in Karlstein schon immer so.
Seit Gründung der Gemeinde durch Zusammenlegen der zuvor selbstständigen Nachbarorte Dettingen und Großwelzheim im Jahr 1979 hatte die CSU stets den Bürgermeister gestellt. Bis 2017 der FDP-Mann Peter Kreß gewählt wurde. Den Zweiten und Dritten Bürgermeister stellten indes weiterhin die Christsozialen - wie immer. In anderen Orten ist es üblich, dass sich die Gemeinderatsfraktionen die Stellvertreterposten aufteilen. In Karlstein nutzte die CSU bis dahin prinzipiell ihre absolute Mehrheit im Gremium, um nur eigene Männer und Frauen zu wählen.
Überraschendes Abstimmungsergebnis
Anfang des Jahres dann die Überraschung: SPD-Kandidat Günther Raffner gewann die Abstimmung gegen die CSU-Kandidatin - mit elf zu zehn Stimmen. Obwohl alle elf CSU-Gemeinderäte an der Wahl des Dritten Bürgermeisters teilnahmen. Bürgermeister Peter Kreß, der FDP-Mann, sagt: "Wir waren alle überrascht und haben mehrfach nachgezählt." Das Ergebnis blieb gleich, Raffner wurde vereidigt.
Den Karlsteinern war nun klar: Mindestens ein CSU-Gemeinderat muss für den SPD-Mann gestimmt haben und ihm gemeinsam mit sechs SPDlern, zwei Grünen, einem FDPler und dem FDP-Bürgermeister die Mehrheit verschafft haben.
In einer internen Sitzung versuchte die CSU den Abweichler auf ungewöhnliche Art zu entlarven. Einer der Ortsvorsitzenden holte eine Bibel hervor. Und forderte dann alle Fraktionsmitglieder nacheinander auf, darauf zu schwören, dass sie für ihre Kollegin, nicht für den SPD-Mann gestimmt hatten. "Je weiter die Bibel herumgereicht wurde, desto angespannter wurde die Lage", schildert Richard Pfannmüller, seit zwölf Jahren Zweiter Bürgermeister, die Situation.
Ehemaliger Religionslehrer macht nicht mit
Der 66-Jährige – pensionierter Gymnasiallehrer für Religion, Latein und Geschichte – sollte als Letzter die Hand auf die Heilige Schrift legen. Doch er spielte nicht mit. "Ich schwöre, dass ich nur nach meinem Gewissen gewählt habe", habe er gesagt, mehr nicht. Und so kam es, wie es kommen musste: "Wir bekamen uns in die Wolle", erzählt Pfannmüller.
Trotzdem drang das ungewöhnliche Schauspiel im Hinterzimmer zunächst nicht an die Öffentlichkeit. Erst als Richard Pfannmüller nun vom Aschaffenburger "Main-Echo" gefragt wurde, warum er sich nach 36 Jahren im Gemeinderat im kommenden März nicht mehr zu Wahl stellen wolle, gab er diese, wie er sagt, "unschöne Geschichte" preis.
Andere Mitglieder der Karlsteiner CSU-Fraktion wollten sich zu diesem Vorgang nicht äußern. Die Bibel-Schwur-Suche nach dem abtrünnigen Gemeinderat dementierten sie aber nicht.
Bürgermeister Kreß hat auch erst jetzt von dem Vorgang gehört. Er findet das Ganze absurd: "Wenn mir jemand die Bibel vorgelegt hätte, hätte ich gelacht. Ich bin nur dem Grundgesetz verpflichtet." Über seine Stellvertreter könne er nur Gutes sagen: "Ich arbeite mit beiden – Richard Pfannmüller und Günther Raffner – gut zusammen. Die Parteizugehörigkeit spielt dabei keine Rolle."
Bei einigen Karlsteiner CSU-Mitgliedern ist Pfannmüller dagegen offenbar nicht mehr so beliebt. Wenn er ihnen auf der Straße "Grüß Gott" zurufe, erzählt er, antworten sie nicht.
Aber so ist sie. Die CSU. Nicht mehr wählbar..
Vielleicht kann der Fraktionsvorsitzende mal beim Bischof Franz in Würzburg anfragen, ob der nicht einen Exorzisten vorbei schicken will.
Da muß es ja eindeutig mit dem Teufel zugehen, wenn ein SPDler Dritter Bürgermeister wurde.
Echt krasse Geschichte.