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Karlstadt
Karlstadter Stadtbibliothek wird zur Saatgutbörse
Jeder darf zwei Päckchen Samen von Blumen, Gemüse oder Zierkürbissen mitnehmen und selbst vermehren. Welches Ziel hinter der Aktion steckt.
330 Saatguttütchen wurden für die Saatgutbibliothek gepackt.
Foto: Karlheinz Haase | 330 Saatguttütchen wurden für die Saatgutbibliothek gepackt.
Karl-Heinz Haase
Karlheinz Haase
 |  aktualisiert: 12.02.2024 22:28 Uhr

In der Karlstadter Stadtbibliothek gibt es nicht nur Bücher und andere Medien. Sie ist jetzt auch Saatgutbibliothek. Und alle – nicht nur Inhaber des Leseausweises – dürfen dort jeweils zwei Päckchen Samen abholen. Im Herbst soll dann von den Pflanzen geernteter Samen in die Bibliothek zurückgebracht werden. Bibliotheksleiterin Sina Köhlnhofer: "Mit der Saatgutbörse wird unsere Grundaufgabe – der Zugang zu Information – weitergedacht."

Wie stellvertretende Bürgermeisterin Martha Bolkart-Mühlrath bei der Eröffnung berichtete, wurde 2010 die erste derartige Saatgutbörse in Richmond (USA) eröffnet. Bibliotheksmitarbeiterin Brigitte Bayer erklärte die Hintergründe, die das Cover des Films "Unser Saatgut" bestens beschreibe: "Viele unserer Samen sind heute ebenso gefährdet wie der Panda oder der Eisbär. Mehr als 90 Prozent aller Saatgutsorten sind bereits verschwunden. Biotech-Konzerne wie Bayer/Monsanto oder Syngenta kontrollieren mit genetisch veränderten Monokulturen längst den globalen Saatgutmarkt. Daher kämpfen inzwischen Menschen auf der ganzen Welt wie David gegen Goliath für den Erhalt der kostbaren Saatgutvielfalt."

Keine Hybride, sondern alte Sorten

Das Ziel der Saatgutbibliothek ist die Erhaltung der alten Sorten. Daher sollen auch keine Hybride  Einzug erhalten. Bayer: "Es genügt nicht, dass wir wissen, dass unser Saatgut in einem Saatguttresor in Norwegen für unsere Nachwelt archiviert wird." Wer sich mit selbstgezogenem Gemüse versorge, tue das nicht nur wegen des Geschmacks und der Qualität. Allergiker können oftmals Früchte essen, die sie gekauft nicht vertragen. Beispielsweise vertragen manche den Apfel aus dem Supermarkt nicht, aber eine alte Apfelsorte von der Streuobstwiese schon.

Freuen sich über die Eröffnung der Saatgutbörse (von links): Bibliotheksleiterin Sina Köhlnhofer, Mitarbeiterin Brigitte Bayer und stellvertretende Bürgermeisterin Martha Bolkart-Mühlrath.
Foto: Karlheinz Haase | Freuen sich über die Eröffnung der Saatgutbörse (von links): Bibliotheksleiterin Sina Köhlnhofer, Mitarbeiterin Brigitte Bayer und stellvertretende Bürgermeisterin Martha Bolkart-Mühlrath.

Bei der Karlstadter Saatgutbibliothek wurde der Schwerpunkt auf Gemüsepflanzen gelegt. Das Saatgut stammt aus Spenden von Hobbygärtnern und dem Kauf von Saaten der biozertifizierten Firmen "Dreschflegel" und "Bingenheimer Saatgut". Es wurden 330 Saatgut-Tüten gepackt: Zwölf verschiedene Blumensorten, drei Sorten Zierkürbisse, fünf Sorten Kräuter und über 200 Tüten mit verschiedenen Gemüsesorten. Es finden sich in der Börse zwölf Tomatensorten, sechs Salatsorten und 47 weitere Gemüsesorten wie zum Beispiel Radieschen, Rüben, Kohlrabi, Stangen- und Buschbohnen.

Sorgfältig mit den Samen umgehen

Das Ausschneiden und Kleben der Saatguttütchen übernahmen Kinder der Mittagsbetreuung Karlstadt und der Grundschule Himmelstadt. Die Stadtbibliothek hat parallel zur Saatgutbörse ihren Medienbestand zu diesem Thema aufgestockt, sodass auch Gartenneulinge erfolgreich starten können. Das eine oder andere Pflänzchen kann auch ab Mitte Mai für die Hochbeete im Innenhof der Stadtbücherei zurückgebracht werden. Brigitte Bayer bittet um sorgfältigen Umgang mit den unterschiedlichen Sorten. Denn leicht passiert es, dass bei der Nachzucht Schildchen verlorengehen oder verwechselt werden.

Hybride und samenfestes Saatgut

F1- oder Hybridsaatgut wurde über einige Pflanzengenerationen gezüchtet und immer wieder mit sich selbst gekreuzt. Das wird so lange gemacht, bis die Pflanze nur noch einen ganz kleinen Genpool besitzt, was als "reinerbig" bezeichnet wird. Dann wird die Pflanze künstlich mit einer reinerbigen Pflanze aus einer anderen Inzuchtlinie gekreuzt. In der ersten Filial- oder Folgegeneration (F1) – also den ersten Nachkömmlingen der Ausgangspflanze – sind die Eigenschaften gut und es entstehen groß gewachsene robuste Pflanzen. Doch schon in der nächsten Generation würden die Nachkommen in unterschiedliche Pflanzenformen "zerfallen". Somit kann aus F1-Saatgut kein weiteres für die Folgegeneration gewonnen werden.
Samenfestes Saatgut dagegen bildet auch in der nächsten Generation, also im Folgejahr, ähnliche Merkmale aus wie die Mutterpflanze. Früher war es üblich, von ausgereiften Pflanzen Samen abzunehmen, zu trocknen und im nächsten Jahr neue Pflanzen daraus zu ziehen. So haben Menschen es über Jahrtausende gehandhabt. Eine große Vielfalt an unterschiedlichem samenfesten Saatgut ist dabei entstanden.
Quelle: BUND
 
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Kommentare
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  • rainbird
    Klasse Aktion! Würde es wirklich auch selbst mal ausprobieren, allerdings gehen mir leider immer wieder Pflanzen ein. Wenn ich mehr Sicherheit habe werde ich auch mitmachen
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