
50 Jahre ist es her, da stand das Karlstadter Gymnasium noch auf wackligen Beinen. 1970/71 erlebte die neu gegründete Bildungsanstalt ihr allererstes Schuljahr. "Manche Eltern waren skeptisch und schickten ihre Sprösslinge lieber nach Würzburg", erinnert sich Wolfgang Merklein, ehemaliger Lehrer des Johann-Schöner-Gymnasiums. Er selbst war damals noch nicht dabei, machte aber 1973/74 als Student dort zunächst ein Praktikum und kam vier Jahre später als Referendar an diese Schule.

Er kennt die Anfänge noch aus eine ganz anderen Warte, war doch sein Vater der Chauffeur des Landrats Erwin Ammann. "Der fuhr damals draußen rum und suchte einen Schulleiter", weiß Merklein. Denn das Gymnasium wurde auf Initiative des Landkreises gegründet, weil der Freistaat sich weigerte, ein eigenes staatliches Gymnasium zu entwickeln. Fündig wurde Ammann am Würzburger Röntgen-Gymnasium. Von dort konnte er Hellmut Hampel (Mathe/Physik) nach Karlstadt holen.
Der neue Schulleiter unter dem Hausmeister
Noch bevor dieser kam, fing Franz Krumpschmid Anfang August als Hausmeister an. Ihm stellte der Landrat einen Monat später den neuen Schulleiter vor. "Der war dann der Chef unter Krumpschmid", sollten die Lehrer später witzeln. Rückblickend amüsiert sich auch Krumpschmid: "Oft hieß es: Das haben der Hausmeister und der Schulleiter beschlossen."

Das heutige Schulgebäude in der Bodelschwinghstraße gab es noch nicht. Die Keimzelle des neuen Gymnasiums war die Georgschule in der Langgasse. Los ging's mit 77 Kindern in zwei Klassen. "In der 5a waren die Karlstadter, in der 5b die auswärtigen Schüler", erinnert sich Wolfgang Ort, einer der Fünftklässler von damals.

Neben dem Schulleiter gab es ganz zu Anfang nur zwei weitere Lehrkräfte: die Musiklehrerin Elfriede Winkler und Matthias Baum (Englisch/Deutsch), der noch Referendar war. Somit waren Mathe, Englisch, Deutsch und Musik von Lehrkräften abgedeckt, die diese Fächer auch studiert hatten. Es waren aber auch noch die Fächer Erdkunde, Biologie, Sport, Kunst und Religion zu unterrichten.
Es gibt kein Archivmaterial mehr aus der Anfangszeit
Die Unterlagen jener Zeit wurden aus Versehen sämtlich weggeworfen. Wolfgang Merklein hatte alles in einem Schrank im Gymnasium gesammelt. Als dieser zur Zeit des jüngsten Erweiterungsbaus entsorgt wurde, geschah das mitsamt Inhalt. Von den befragten ehemaligen Fünftklässlern erinnern sich einige daran, dass Hellmut Hampel auch Erdkunde gegeben hat. Elfriede Winkler übernahm Biologie und Kunst beziehungsweise Handarbeiten.

Sport hieß noch Leibeserziehung. Für die Mädchen übernahm das die Krankengymnastin Ursula Aberler in ihrer Praxis in der Oberen Spitalgasse. "Der Raum war relativ groß, weil da früher ein Klassenzimmer der Knabenerziehungsanstalt drin war", berichtet sie. "Ich hatte eine Sprossenwand und wir haben Gymnastik gemacht." Außerdem ging sie mit den Mädels ins Erdgeschoss des alten Rathauses zum Turnen. "Da standen die Rhönräder des TSV, da haben wir ein bisschen probiert. Er war alles furchtbar staubig." Sie erinnert sich auch an Hallenbadbesuche. Das dürfte aber im Schuljahr 1971/72 gewesen sein, denn im Jahr zuvor war das Bad noch im Bau. Wann genau es in Betrieb ging, lässt sich am Landratsamt nicht mehr herausfinden.
Beim Sportunterricht wurde improvisiert
Wolfgang Ort spricht davon, dass Matthias Baum mit den Buben teilweise im Klassenzimmer ein paar "Leibesübungen" machte. Der später dazugestoßene Sportlehrer Klaus Deinzer beklagte in mehreren Jahresberichten, dass für drei Schulen nur eine Turnhalle zur Verfügung stand – die der Realschule. Ein damaliger Schüler meint sich zu erinnern, dass katholische Religion zunächst von Pfarrer Josef Dotzel und später von Pfarrer Paul Steinert gegeben wurde. Der Sohn des damaligen evangelischen Pfarrers Martin Kummerow ist sich sicher, dass sein Vater keinen Religionsunterricht am Gymnasium hielt. Das könnte ein Religionspädagoge namens Schultz übernommen haben.

Zum Halbjahreszeugnis wurde Referendar Matthias Baum nach Alzenau versetzt. Dafür kam Werner Zapotetzky (Englisch, Deutsch), der spätere stellvertretende Schulleiter. Dieser hat mit Sicherheit in der Anfangszeit auch Erdkunde unterrichtet. Denn seine Witwe erinnert sich, dass ein Schüler in einer Ex geschrieben hatte, das Nördlinger Ries sei entstanden, "weil dort ein Eremit eingeschlagen hatte". Für den Lehrer ein lustiger Fauxpas. Der damalige Fünftklässler Thomas Atzert weiß noch: "Als er uns davon erzählte, wussten wir mit dem Witz nichts anzufangen." Kaum einer von den circa Elfjährigen kannte den Begriff "Eremit".

Martin Oswald, ebenfalls Schüler der damaligen 5a, weiß noch genau, dass "der Zapo", frisch von der 68er-Uni kommend und R4-Fahrer, "einen damals sehr modernen, medien- und sprachkritischen Unterricht machte, etwa wenn er den beschönigenden Begriff ,Strahlenexkursion', den die Atomindustrie für den ,Supergau' wählte, süffisant entlarvte". Er erlaubte den Schülern auch – wahrscheinlich allerdings in einer höheren Klasse – beim Wandertag im Karlburger Gasthaus Radler zu trinken.
Von Anfang an gab es auch Schullandheimaufenthalte. Wolfgang Ort erinnert sich, dass der Mitschüler Michael Möbius schon als Jugendlicher ein Faible für Geschichte hatte. Bei einem Schullandheimaufenthalt habe er sogar Menschenknochen entdeckt und ausgegraben.
Fortsetzung folgt
Und wen es nicht interressiert, der muss es auch nicht lesen.