Von 988 Erdgräbern auf dem Karlstadter Altstadtfriedhof sind zurzeit nur 462 belegt – weniger als 50 Prozent. Aber die 72 vorhandenen Urnenkammern sind voll belegt und die Nachfrage nach Urnenbestattungen hoch. Landschaftsarchitekt Günther Hurrlein stellte deshalb dem Karlstadter Bauausschuss Gestaltungsoptionen für den Friedhof vor.
Hurrlein zeigte auf, dass der nördliche Bereich des Friedhofs (am Baggertsweg) zuerst gebaut wurde, der südliche Bereich später. Der eigentliche Haupteingang mit schmiedeeisernem Tor am Baggertsweg werde aber selten genutzt, weil das Überqueren der dortigen Kreuzung für ältere Besucher "eine Herausforderung" sei. Häufiger genutzt werde der südliche Eingang, der aber sei "nicht besonders repräsentativ" und die Gestaltungsmöglichkeiten um die Aussegnungshalle seien eingeschränkt. Hurrlein schloss daraus: "Interessant wäre ein neuer, zentraler Zugang."
Starker Trend zur Urnenbestattung
Im Friedhofsinneren gebe es "viele freie Stellen". Bis 2023 werden die Erdgräber zu 74 Prozent unbelegt sein, bis 2028 könnten sich 90 Prozent Leerstände ergeben, rechnete Hurrlein vor. In den vergangenen zehn Jahren habe es einen starken Trend zu Urnenbestattungen gegeben, auch weil Urnengräber pflegeleichter sind. Es gebe wegen der Leerstände also Platz für eine Umgestaltung und wegen des Trends zur Urne dringenden Bedarf. 2018 waren 83 Prozent der Beerdigungen in Karlstadt Urnenbestattungen.
Hurrlein stellte eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Urnenbestattung vor: Urnenwald, Urnengrab, auf einer Wiese mit kleinen Platten, leicht erhöht auf einer Trockenmauer und mehr. Das Friedhofareal biete ausreichend Platz, um dort verschiedene Varianten anzubieten. Erdbestattungen könnten vor allem entlang der Außenmauer weiterhin möglich sein. Bestehende Gräber könnten am Ort bleiben, eventuell anders gestaltet werden; auch Umbettungen seien denkbar mit Einverständnis der Angehörigen.
Grundsätzlich könne das Areal einen parkähnlichen Charakter enthalten mit vielen Bäumen, Grünzonen mit Aufenthaltsbereichen. Denkbar sei auch, einen Spielplatz im Randbereich zu schaffen und den Friedhof an einer Stelle zu verkleinern, um neue Parkmöglichkeiten zu schaffen. Hurrlein schwebt vor, einen Zugang von der Altstadt zum neuen Zentralzugang und eine Rampe in den niedriger gelegenen Friedhof zu schaffen.
"Parkähnlicher Charakter" und seltene Kampfabstimmung
Über diese noch nicht hinreichend konkreten Visionen stimmte der Bauausschuss am Dienstag nicht ab. Aber in Sachen Platz für Urnen gab es Handlungsbedarf. Hurrlein wies auf eine Fläche westlich der Aussegnungshalle hin, in der nur zwei Erdgräber längerfristig belegt sind. Dort ließen sich auf begrenztem Raum bis zu 150 neue Urnenkammern errichten. Er schlug eine geschwungene Anordnung, Baumpflanzungen, Sitzbänke und in der Mitte eine Grünfläche, eventuell einen Wasserlauf vor.
Thorsten Heßdörfer (Freie Wähler) wollte die Entscheidung verschieben. "Wir sollten erst den Umgriff klären. In Friedhofsnähe wird sich demnächst etwas tun, womöglich brauchen wir da etwas Platz." Bürgermeister Paul Kruck sagte: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir an dieser Stelle ran müssen." Die Mauer am Baggertsweg sei für ihn aber "nicht sakrosankt". Horst Wittstadt (Grüne) pflichtete Heßdörfer bei und wollte wissen, ob es nicht eine andere geeignete Stelle mit ausreichend Leerständen auf dem Friedhof gebe. "Ich halte dies für die 1A-Stelle", erwiderte der Landschaftsarchitekt.
Nach einigem Hin und Her ging's zur Abstimmung: Mit 5:4 stimmte der Bauausschuss Hurrleins Planung für den Urnengrabbereich zu. Sie soll 2020 schrittweise umgesetzt werden.
In einer früheren Version des Artikels hieß es, Hurrlein schwebe vor, eine Brücke von der Altstadt zum Friedhof zu bauen. Dem lag ein Missverständnis zugrunde. Richtig ist, dass Hurrlein eine kleine Rampe plant, die in den niedriger gelegenen Friedhof führt. (mac)