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Karlstadt
Karlstadt: Taucher entfernen Reste einer gefährlichen Spundwand
Die Stahlteile wurden mit dem Schneidbrenner unter Wasser abgetrennt. Im Main lauern Gefahren, die in der Regel unsichtbar sind.
Taucher Kilian Schmidt nach getaner Arbeit. Kollege Alexander Pfefferle befreit ihn von dem rund zehn Kilo schweren Helm.
Foto: Karlheinz Haase | Taucher Kilian Schmidt nach getaner Arbeit. Kollege Alexander Pfefferle befreit ihn von dem rund zehn Kilo schweren Helm.
Karl-Heinz Haase
Karlheinz Haase
 |  aktualisiert: 09.02.2024 10:11 Uhr

Der Einsatz in Karlstadt ist für die Taucher der Hanauer Firma "Kerlen Taucher" ein Sonntagsspaziergang, verglichen mit ihrem vielleicht krassesten Auftrag. Bei dem hatten sie 30 Meter tief in Gülle zu tauchen. "Als ich da reinstieg, musste ich mich erst mal zwei Meter in den Schlamm reinwühlen, dann wurde es flüssiger", schildert Alexander Pfefferle, einer der drei Männer. Am Main sind sie begeistert: "Klares Wasser, da sieht man gut, was los ist." Es geht darum, unter Wasser Spunddielen aus Stahl abzubrennen, die eine Baufirma 1991 zurückgelassen hatte. Damals wurde am Mainufer zwischen Campingplatz und Freibad ein Regenüberlauf gebaut. Die Spundwand schottete die Baustelle gegen den Main hin ab. 

Vonseiten des Ruder-Clubs war der Hinweis gekommen, dass sich nur 1,30 Meter unter der Wasseroberfläche Reste der alten Spundwand befinden. Dass da was ist, wussten die Ruderer schon länger. Aber erst heuer während der Schifffahrtsperre wurde dank des extrem klaren Wassers der genaue Verlauf der Stahlwand deutlich. Trotz Verbots springen im Sommer immer wieder Kinder vom Steg aus in den den Main. Ein steiler Kopfsprung – und ein Kind hätte mit dem Kopf auf der Spundwand aufprallen können. Bürgermeister Michael Hombach ließ nun sofort handeln.     

Zehn Kilo schwerer Helm mit Telefon

Michal Kazimierowicz lässt sich als erster des dreiköpfigen Teams die schwere Taucherausrüstung anlegen. Die Latexbündchen an den Hand- und Fußgelenken schließen dicht ab. Rund 30 Kilo wiegen die Pressluftflasche und die Bleigewichte an der Taucherweste. Übers Sporttauchen ist der Mann zu dem Job gekommen. Mit ausgebreiteten Armen lässt er sich von seinem Kollegen Kilian Schmidt bedienen. Der war zuvor Schornsteinfeger, ehe er zu der Tauchfirma fand.

Feuer unter Wasser: Mit dem Schneidbrenner werden die Spunddielen aus Stahl abgebrannt.
Foto: Karlheinz Haase | Feuer unter Wasser: Mit dem Schneidbrenner werden die Spunddielen aus Stahl abgebrannt.

Zuletzt folgt der rund zehn Kilo schwere Helm. Auch er schließt mit dem Halsring des Taucheranzugs dicht ab. "Reserveluft prüfen", weist Pfefferle den Taucher an. Als klar ist, dass Kazimierowicz über die Taucherflasche Luft bekommt, wird deren Ventil am Helm wieder geschlossen. Die Flasche dient nur für den Notfall. Dann müsste der Taucher mit der Hand das Ventil aufdrehen. Nun wird die "Hauptluft" geöffnet. Sie kommt über einen blauen Schlauch aus dem Kompressor im Einsatzfahrzeug. Zusätzlich zum Schlauch gibt es ein Kabel, das zu einem gelben Kästchen führt, das die Männer an den Zaun des Campingplatzes gehängt haben. Damit wird "telefoniert".

In die Gülle reingewühlt

Jeder Atemzug des Mannes, der inzwischen abgetaucht ist, ist über den Lautsprecher des Kästchens laut zu hören. Der Taucher ist ein gesprächiger Zeitgenosse. "Hier beginnt die Spundwand, da ist ein Wasserbaustein", tönt es aus dem kleine Lautsprecher am Zaun. Dann wieder trällert er vor sich hin: "Dumdidum dumdidum." Das verbreitet richtig gute Laune und die Kollegen wissen zugleich stets: "Dem geht's gut da unten."

Ein Tauchertelefon: Damit besteht ständig Kontakt zu dem Mann unter Wasser.
Foto: Karlheinz Haase | Ein Tauchertelefon: Damit besteht ständig Kontakt zu dem Mann unter Wasser.

Die Schifffahrt ist gewarnt, die Stelle am Karlstadter Mainufer langsam zu passieren. Auch die blauweiße Flagge an einer Weide deutet auf die Arbeiten hin. Bei zu starkem Sog und Wellenschlag würde es den Taucher ganz schön beuteln. Zunächst reicht er eine "Vase" aus Asbestzement ans Ufer. Dienten solche nicht im Freibad früher mal als Aschenbecher?

Zusätzliche Beute: "Vase" aus Asbestzement

Dann hat Kazimierowicz die Spundwand im Main fertig erkundet: "Zuerst ragt sie 30 Zentimeter aus dem Boden raus, später einen Meter, sie ist ungefähr 3,80 Meter lang." Doch die Masse, also die Erdung des Brennschneiders, hat noch keinen ordentlichen Kontakt zu der Stahlwand. "Gebt mir mal ne Drahtbürste!" Als auch das Bürsten nicht genügt, schlägt er unter Wasser mit der Spitze eines Zimmermannshammers auf die Spunddiele ein. "Die ist alt und ganz schön stark verrostet." Dann hat die Masse Kontakt.

Die abgetrennte Spundwand wird herausgehievt.
Foto: Karlheinz Haase | Die abgetrennte Spundwand wird herausgehievt.

Ein ganzes Bündel Schweißelektroden hat er mit nach unten genommen. Bald blitzt unter Wasser orangefarben das Feuer des Schneidbrenners auf. Neben den Atemluftblasen blubbert Rauch empor und weht über die Wasserfläche. Strom und Sauerstoff. Das sind die Zutaten für diese Feuerstöße.

Der "Schnitt" ist noch mit Schlacke zugesetzt

Viele der Einsätze in Deutschland und darüber hinaus finden in Kläranlagen statt – bei Inspektionen oder um Teile zu tauschen. Oder es geht um Baugruben im Grundwasser und das Betonieren unter Wasser. Das mit der Gülle war ein Biogasturm, in dem ein abgebrochenes Rührwerk geborgen werden musste.

Nach zwei Stunden Arbeit unter Wasser reicht Kazimierowicz einen Beutel mit den Resten der abgebrannten Elektroden an Land und steigt selbst aus dem Wasser. "Na, hat's bei euch geregnet?" Das nicht, aber alle sind vom kalten Wind durchgefroren. Der Taucher nicht. Ihn haben dicke Schichten aus Neopren und der Taucheranzug geschützt. Und dort unten war's windstill.

Auch diese 'Vase' aus Asbestzement wurde aus dem Main gefischt.
Foto: Karlheinz Haase | Auch diese "Vase" aus Asbestzement wurde aus dem Main gefischt.

Ihn löst jetzt Kilian Schmidt ab. Er wird nun Löcher in die Spunddielen brennen, damit sie an den Kran gehängt werden können. Obwohl der Schnitt eigentlich schon vollendet ist, stehen die Stahlteile immer noch aufrecht an ihrem Platz. Denn die Schlacke hält sie noch. Während Schmidt nacharbeitet, wird ein Kettenzug angelegt und seitlich an der Spundwand gezogen. Schließlich brechen die Stahlteile ab und lassen sich Richtung Ufer ziehen. Tags darauf werden sie mit dem Kran, den das Zementwerk Schwenk zur Verfügung stellt,  herausgehoben.

 
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