zurück
Karli Keiler: Jubiläen feiern wie sie nicht fallen
Redaktion
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:03 Uhr

Nicht laufen zu können, das allein reicht noch nicht, um das Auto auf einen Behindertenparkplatz stellen zu dürfen. Diese 35 Euro teure Erfahrung hat eine 78-jährige Frau aus der Umgebung gemacht, die zum Zahnarzt nach Gemünden musste. In Deutschland reicht ein Schwerbehindertenausweis nicht zur Benutzung eines Behindertenparkplatzes. Da ist ein besonderer blauer Parkausweis nötig, den nur Leute mit einer ganz außergewöhnlichen Gehbehinderung (und Blinde) erhalten. Auf Krücken angewiesen zu sein, das reicht den Versorgungsämtern nicht.

Das wusste die 78-Jährige nicht. Sie wusste nur, dass sie für den Weg vom Parkplatz Lindenwiese in die Innenstadt mindestens eine halbe Stunde benötigt. Also nahm sie, Inhaberin eines grünen Schwerbehindertenausweises, zum ersten Mal den Behindertenparkplatz in der Plattnersgasse in Anspruch.

Hinter die Windschutzscheibe legte sie den (nichtsnutzigen) Ausweis, einen Parkschein für zwei Stunden und eine Parkscheibe. „Mach nix Verkehrtes“, habe sie sich gedacht, „die kriegen alles.“ Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf – die Frau bekam den ersten Strafzettel ihres Lebens!

Natürlich schimpft sie auf die Stadtverwaltung, die mit ihren Knöllchen noch den Letzten aus Gemünden vergraule. Dabei hatte sie noch Glück, denn wer unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz steht, kann nach wenigen Minuten Wartezeit schon abgeschleppt werden. Die Frau hat sich auch erfolglos im Rathaus beschwert. „Haben Sie das in der Fahrschule nicht gelernt?“ Diese Frage habe sie sich dort anhören müssen. Ihre Antwort: „Nein, vor 62 Jahren (als sie zuerst den Traktorführerschein machte) gab es das noch nicht!“

Den Führerschein vor 62 Jahren gemacht zu haben, das wäre hierherum ein großes mehrtägiges Jubiläumsfest wert. Denn zurzeit ist die Jubiläumsfestleszeit. Schön für den Karli, dass er nicht mehr 25, 50 oder gar 100 Jahre warten muss, bis die Musik spielt und der Bierhahn saust. Um den notorisch klammen Vereinskassierern ein Lächeln abzuringen, flattern die Vereinsfahnen heutzutage, wie in Rieneck, zum 95-jährigen, oder in Obersinn zum 136-jährigen Bestehen.

In Adelsberg waren immerhin 680 Jahre seit der Grundsteinlegung der Kirche ein Anlass zum Feiern. Verziehen sei der Langenprozeltener Feuerwehr: Sie feierte zwar das 127-Jährige, aber das nur, weil sie das 125-Jährige vor zwei Jahren nicht gefeiert hatte. Damals war ihr nicht zum Feiern zumute gewesen, sie wartete lieber auf das neue Gerätehaus. Und die Karsbacher Kollegen feierten ihre 140 Jahre.

Aber es gibt schon auch echte Jubiläen. Zum Beispiel die 250-Jahr-Feier des Kirchleins in Wohnrod. Da kam dann am vergangenen Sonntag zum Festgottesdienst sogar der Bischof! Geschickt könnte es der Festspielverein der Stadt Gemünden anstellen und wirklich echte Jubiläen feiern: Wiederbelebung der Festspiele (1990), Gründung des Vereins (1998) und Zahl der Theaterjahre (heuer 25 wegen der Pause 1994). An diesem Samstag startet das 65. Kirchweih- und Heimatfest – kein Jubiläum, aber gefeiert wird trotzdem: ein einfaches Volksfest halt!

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gemünden
Blinde
Kolumne Karli Keiler
Zahnärztinnen und Zahnärzte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top