
"Karfreitag 10.30 Uhr geht's los. Alle Zeichen stehen auf grün." Pfarrer Sven Johannsen hat keinen Zweifel daran, dass der Karfreitagsprozession nach drei Jahren Corona-Zwangspause heuer nichts im Weg steht. Diese Zuversicht teilt auch Joachim Salzmann, der Vorsitzende des Förderkreises Karfreitagsprozession.
Die über 365 Jahre alte religiöse Tradition war in den Jahren 2020 bis 2022 abgesagt worden, weil während der Prozession tausende Zuschauer dicht gedrängt am Straßenrand gestanden wären. Stattdessen waren die Stationen der Prozession in öffentlichen Räumen, darunter vielen Kirchen, aufgestellt worden, um den Gläubigen die Gelegenheit zu geben, sie selbstständig abzulaufen.
Die Obleute der einzelnen Stationen, die von Innungen und weiteren Organisationen als Nachfolger der früheren Zünfte getragen werden, würden noch im Februar nach ihrer Meinung gefragt, kündigte Johannsen an. Im vorigen Jahr war dabei ein uneinheitliches Bild herausgekommen, die Mehrheit zeigte sich skeptisch, weswegen die Prozession das dritte Jahr in Folge abgesagt worden war.
Termin am 7. April
Damit rechnet der Pfarrer in diesem Jahr nicht. Er sehe aus heutiger Sicht überhaupt keinen Grund, warum die Prozession am 7. April abgesagt werden sollte, betonte Johannsen. Auflagen werde es auch keine geben. Das Thema werde im März noch einmal in einer Versammlung des Förderkreises besprochen.
Dessen Vorsitzender Joachim Salzmann erklärte auf Anfrage, von Seiten der Handwerkerschaft und des Förderkreises bestünden "keinerlei Zweifel, dass wir die Prozession 2023 laufen können". Bisher seien keinerlei Auflagen verhängt worden. Es sei "schön, dass wir wieder dürfen".
Die Lohrer Karfreitagsprozession ist eine der wenigen Leidensprozessionen in Deutschland, die nach Jahrhunderten noch bestehen. Ähnliche Prozessionen gibt es noch in Heiligenstadt im thüringischen Eichsfeld und in Neunkirchen am Brand im Kreis Forchheim, bei denen sechs beziehungsweise acht Figuren mitgetragen werden. Die Besonderheit der Lohrer Prozession sind die 13 lebensgroßen Stationen.
Eine seltene Art der Prozession
Die Ursprünge der Lohrer Prozession und ihre "Premiere" liegen nach wie vor im Dunkel der Geschichte. Die bislang ältesten Bestätigungen für die Prozession sind Einträge in den Lohrer Gotteshausrechnungen aus den Jahren 1656 und 1663, worin Aufwendungen der Pfarrei für die Prozession und eine Vergütung für die Kapuziner aus der Kirchenkasse für Kordeln und Farben genannt werden, die sie für die Prozession brauchten.
Eingeführt wurde die Prozession wohl im Rahmen der Gegenreformation in Lohr ab 1603. Dabei wurde die Bevölkerung des Teils der ehemaligen Grafschaft Rieneck, der nach dem Tod des letzten Grafen 1559 ans Kurfürstentum Mainz gefallen war, vom protestantischen zurück zum katholischen Glauben gebracht. Die Prozession war eine anschauliche Glaubensbelehrung in einer Zeit, als viele Menschen nicht lesen und schreiben konnten.
Pfarrer Johannsen teilte mit, Pfarrei und Förderkreis hätten den Würzburger Kunsthistoriker und Volkskundler Johannes Sander damit beauftragt, die Prozession wissenschaftlich zu untersuchen. Außergewöhnlich sei, dass die Prozession in Lohr so lange durchgehalten habe. Die Ursprünge hält der Pfarrer dagegen eher nicht für außergewöhnlich.
Kapuziner oder Jesuiten?
"Ich tippe auf die Kapuziner, die im Zuge der Gegenreformation am Anfang der Prozession stehen", sagte Johannsen. So sei es auch an vielen anderen Orten gewesen. Er könne keinen Grund für eine Lohrer Sonderrolle erkennen. Manche Lokalhistoriker bringen allerdings auch die Jesuiten ins Spiel, die seinerzeit im Mainzer Herrschaftsgebiet aktiv waren.