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Rieneck
Kai Klübenspies aus Rieneck hat nach einer Magenverkleinerung stark abgenommen – und will noch mehr Kilos verlieren
Mit seinen einstmals 185 Kilogramm ging es dem Rienecker nicht gut. Er sah keine andere Lösung als eine Operation. Prof. Florian Seyfried aus Würzburg erklärt, wann eine OP sinnvoll ist und was sie bringt.
Kai Klübenspies hat durch eine Magen-OP stark abgenommen.
Foto: Björn Kohlhepp | Kai Klübenspies hat durch eine Magen-OP stark abgenommen.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 05.09.2024 02:51 Uhr

Der Rienecker Kai Klübenspies ist überglücklich. Lange litt er unter extremem Übergewicht. Vor vier Jahren wog er 185 Kilogramm, hatte einen Body-Mass-Index (BMI) von 57. Als normalgewichtig gilt ein BMI zwischen 18,5 und 25. "Du fühlst dich nicht wohl mit 180 Kilo", sagt er. Er hatte Bluthochdruck, war schon nach ein paar Minuten Stehen fix und fertig, litt unter nächtlichen Atemaussetzern, die Zuckerwerte waren grenzwertig.

Im Mai vergangenen Jahres ließ er sich bei einer Operation den Magen verkleinern. Jetzt wiegt er ein Drittel weniger, die Tabletten gegen Bluthochdruck braucht er nicht mehr, die Schlafapnoe ist weg, der Zucker im Normalbereich. Seine Fortschritte dokumentiert er im Internet auf Facebook und Instagram. Er möchte wieder Tischtennis spielen – und noch ein paar Kilo verlieren. Aber jetzt purzeln die Pfunde nicht mehr so einfach wie direkt nach der OP.

"Das Übergewicht geht schon mein ganzes Leben."
Kai Klübenspies

"Das Übergewicht geht schon mein ganzes Leben", erzählt der 45-Jährige. Er habe früher einfach kein Sättigungsgefühl gehabt. Er erinnert sich an immer größere Mengen seiner geliebten Bratwürste, die er samstags aß. Oder jede Menge Brötchen mit Nutella, als er mit 14 ein Praktikum bei einem Bäcker machte. Vor allem Süßes hat es ihm angetan, drei Tafeln Schokolade am Stück kamen schon mal vor. Mit 15, 16 wog er schon 120 Kilo. Das entspricht etwa dem Gewicht, das er im Moment hat.

Er habe zwischendurch immer wieder versucht, abzunehmen. Heraus kam der befürchtete Jo-Jo-Effekt. Am Ende hatte er mehr auf der Waage als zuvor. "Mit 18, 19 hatte ich die Schnauze voll", erzählt Klübenspies. Er machte eine Nulldiät, wie er es ausdrückt, und verlor über 30 Kilogramm. Er habe damals unbedingt eine Freundin gewollt. Das habe auch geklappt. Eine Zeit lang habe er unter 90 Kilo gewogen. 90 Kilo wären auch jetzt wieder sein Ziel.

Zwischendurch hatte Kai Klübenspies Normalgewicht, dann legte er wieder zu

Ein paar Jahre lang sei er normalgewichtig gewesen, auch wenn er bald wieder ein paar Kilo mehr drauf hatte. Nach einer Ausbildung zum Maler und Verputzer arbeitete er im Lager eines Großhandels. Die Arbeit sei für ihn belastend und stressig gewesen. Mit der Freundin war es irgendwann aus, und in der Zeit zog er sich immer mehr zurück – und aß immer mehr.

Ende 2008 kündigte er seinen Job wegen eines Burnouts, erlitt ein paar Jahre darauf sogar eine Psychose. Damals wog er etwa 130 Kilo. Nach einer Reha stieg er mit einem Ein-Euro-Job beim Gebrauchtwarenkaufhaus Intakt wieder ein. Aber immer wieder hatte er Phasen, in denen es ihm psychisch nicht gut ging. Was ihm blieb, war das Essen. An einen normalen Job war nicht zu denken, er bekam Erwerbsminderungsrente.

Vor fünf Jahren fasste er den Entschluss zu einer Magenverkleinerung

2019 dann war für ihn ein Wendejahr. Er wog 185 Kilo. An sein Maximalgewicht erinnert er sich genau: 185,2 Kilogramm. Sein damaliger BMI entsprach einer Adipositas (Fettleibigkeit) dritten Grades. Er fasste den Beschluss, mit einer Magen-OP etwas gegen sein belastendes Übergewicht zu unternehmen. In jenem Jahr fing er auch bei den Mainfränkischen Werkstätten an, die ihm nach eigener Aussage einen geschützten Rahmen ohne Druck bieten.

Zwischendurch seien ihm zwar immer wieder Zweifel an der OP gekommen, aber letztlich zog er es durch. Er musste ein Ernährungstagebuch führen, zählte mithilfe seines Handys seine Schritte. Allein durch dieses bewusstere Leben nahm er bis Frühjahr 2023 schon 20 Kilo ab, erzählt er. Ein, zwei Wochen vor der OP begann er eine Eiweißdiät. In dieser Eiweißphase ernährte er sich hauptsächlich von Eiweißshakes. Ziel war, dass die Leber schrumpft, damit der Operateur einfacher an den Magen kommt. Jedes Kilo weniger auf der Waage mache es dem Chirurgen leichter, wurde ihm gesagt. Mit 156 Kilo und "fest entschlossen" ging er schließlich in die Operation.

Klübenspies wollte lieber einen Magenbypass als einen Schlauchmagen

Kai Klübenspies mit etwa 180 Kilogramm im Jahr 2021.
Foto: Veronika Klübenspies | Kai Klübenspies mit etwa 180 Kilogramm im Jahr 2021.

Bei ihm sei die Frage gewesen, ob er eine weniger invasive sogenannte Schlauchmagen-OP gemacht bekommt oder einen Magenbypass. Er wollte unbedingt einen Bypass, weil bei einem Schlauchmagen die Gefahr von Sodbrennen höher sei, worunter er früher schon gelitten habe. Von seinem Gewicht und BMI her sei eine Magenbypass-OP gerade noch möglich gewesen. Zwei, drei Tage musste er danach noch im Krankenhaus bleiben, eine Woche nach der OP wog er schon nur noch 148 Kilogramm.

Nach der OP durfte er zunächst nur flüssige Nahrung zu sich nehmen, sollte nicht fettig oder süß essen. "Sogar Spaghetti und Nudeln mit Gulasch habe ich püriert", erzählt der 45-Jährige. Wöchentlich verlor er hernach ein, zwei Kilo. "Jetzt muss ich mich ein bisschen mehr anstrengen."

Einmal im Jahr muss er nach Würzburg zur Nachkontrolle. Der Magenbypass, eine Kombination aus verkleinertem Magen und einer Verkürzung der Dünndarmpassage, hat aber auch Nachteile. Nährstoffe können durch die kürzere Verweildauer von Essen und Trinken nicht mehr im nötigen Maße aufgenommen werden. Deshalb muss er Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, um keine Mangelerscheinungen zu entwickeln: Eiweiß, Multivitamine, Kalzium, Vitamin D3 und Magnesium. Alle vier Wochen bekommt er zudem Vitamin B12 gespritzt. Er esse recht normal, zusätzlich viel Eiweiß, Obst und Salat.

Professor Florian Seyfried erklärt, wann ein Magenverkleinerung sinnvoll sein kann

Florian Seyfried, Professor für die Chirurgie des oberen Gastrointestinaltrakts und bariatrische Chirurgie an der Uniklinik Würzburg, sagt, eine Magenverkleinerung sei "aktuell die langfristig beste Therapie" bei Menschen mit einem BMI über 40 oder einem BMI über 35 und adipositasbedingten Nebenerkrankungen wie Diabetes Typ 2, nächtlichen Atemaussetzern, Bluthochdruck oder Fettstoffwechselerkrankungen. Für fast vier Millionen Menschen käme in Deutschland eine solche OP in Frage. Diese sei in zertifizierten Zentren "sehr, sehr sicher",  schwerwiegende Komplikationen "extrem selten". Die Therapie helfe nicht allein langfristig und ohne Jo-Jo-Effekt gegen Übergewicht, sondern etwa auch bei Diabetes und Folgeerkrankungen. Die Lebensqualität verbessere sich.

In Deutschland sind die Hürden allerdings recht hoch, weswegen Patienten mit Adipositas meist in einem höheren Alter, mit fortgeschritteneren Erkrankungen und einem Durchschnitts-BMI von etwa 50 operiert werden, so Seyfried. Patienten werden vor der OP von einem interdisziplinären Ärzteteam im Regelfall für mindestens sechs Monate betreut, danach brauche es eine lebenslange Nachsorge und eine Ernährungsumstellung.

Schlauchmagen oder Magenbypass?

Der Schlauchmagen, bei dem ein großer Teil des Magens entfernt wird, sei die häufigste OP zur Magenverkleinerung in Deutschland. "Dieser Eingriff ist technisch einfacher und auch bei sehr hohem BMI komplikationsarm durchführbar", so Seyfried. Im Vergleich zur Bypass-OP gebe es hier etwa weniger Probleme mit Unterzuckerung, weniger Nahrungsergänzungsmittel seien nötig, die Umstellung nicht so groß. Allerdings könnte es beim Schlauchmagen vorkommen, dass der Gewichtsverlust weniger effektiv ist und das Körpergewicht irgendwann wieder ansteigt. Eine verhältnismäßig häufig beobachtete Nebenwirkung sei Sodbrennen.

Bei Patienten mit einem sehr hohen BMI könne ein mehrstufiges Verfahren notwendig sein: zunächst eine Schlauchmagen-OP und später das Legen eines Magenbypasses. In Würzburg tendiere man eher zum Bypass, bei der der Magen verkleinert und die Dünndarmpassage verkürzt wird, weil das als langfristig erfolgreicheres Verfahren gesehen werde.

"So viele Komplimente wie in den letzten eineinhalb Jahren habe ich noch nie im Leben gekriegt."
Kai Klübenspies

In zwei, drei Jahren will Kai Klübenspies sein Traumgewicht von 90 Kilo erreicht haben. Er will stramme Spaziergänge machen und auch wieder mit dem Tischtennisspielen anfangen. Wenn er so viel abnimmt, dann würden Operationen an der Haut fällig, sagt er. Einstweilen sei er schon sehr zufrieden: "So viele Komplimente wie in den letzten eineinhalb Jahren habe ich noch nie im Leben gekriegt."

 
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  • Martin Amthor
    Als "normaler BMI" gilt 27-30 und nicht18,5-25.
    Außerdem spielt hier das Lebensalter sowie Geschlecht und die sonstige Konstitution eine wichtige Rolle.
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  • Carolin Schulte
    Hallo Herr Amthor,

    ein BMI von 18,5 bis 24,9 gilt als "Normalgewicht", von 25 bis 29,9 spricht man von "Übergewicht". Diese Einteilung verwenden zum Beispiel die Deutsche Adipositas Gesellschaft und Krankenkassen wie die Techniker und die AOK. Richtig ist, dass Alter und Geschlecht Auswirkungen auf den BMI haben.

    Die BMI ist grundsätzlich nicht unumstritten, weil zum Beispiel nicht zwischen Muskel- und Fettmasse unterscheidet. Er dient aber immer noch als Richtwert, der grobe Orientierung bei der Einordnung des Gewichts bietet. In diesem Zusammenhang wird der Wert auch in diesem Artikel verwendet.

    Vielen Dank für den Austausch und herzliche Grüße aus der Redaktion,

    Carolin Schulte
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