Richtig gepflegte Spessartwiesen sind ein Juwel der Artenvielfalt. Doch vielerorts ist die Vielfalt bedroht. Durch zu häufige Mahd etwa. Oder aber durch den Wegfall traditioneller Nutzung. In diesem Fall breiten sich Büsche und Bäume aus und die Vielfalt der Arten schwindet. Der Naturpark Spessart indes, ist bestrebt, blüten- und artenreiches Grünland wieder herzustellen – mit einem eigenen Projekt.
Bereits 20 neue Wiesenflächen wurden in den Landkreisen Main-Spessart, Miltenberg und Aschaffenburg sowie im Stadtgebiet von Aschaffenburg neu angelegt. In dieser Woche kam am Waldrand oberhalb des Lohrer Stadtteils Rodenbach die 21. hinzu. Die Fläche ist kulturhistorisch besonders interessant. Es handelt sich um einen teils von einem Sandsteinwall umgebenen ehemaligen Schweinepferch. Der soll nun zur artenreichen Wiese werden.
Wie Christian Salomon, Gebietsbetreuer für Grünland beim Naturpark Spessart, erklärt, wurden auf dem gut 1400 Quadratmeter großen Areal vor vielen Jahrzehnten die Schweine aus dem Dorf nach der Waldweide zusammengetrieben und über Nacht eingepfercht. Doch das ist Geschichte. Eine Zeit lang diente die Fläche danach als Heuwiese. Nachdem auch diese Nutzung eingestellt wurde, holte sich der Wald das Areal zurück.
Fläche wurde erst gerodet und nun angesät
Doch jetzt wird das Rad der Zeit zurückgedreht. Im Zuge des vom Bayerischen Naturschutzfonds und der Naturschutzorganisation WWF unterstützten Naturpark-Projektes wurde die Fläche in den vergangenen Monaten gerodet. Ein Bagger beseitigte die Wurzelstöcke. Der örtliche Schafhalter Christian Höhlein ebnete das Areal ein. Auch der alte Steinwall wurde teilweise wieder aufgerichtet.
Nach arbeitsintensiver Vorbereitung war es vor wenigen Tagen soweit: Die Fläche wurde angesät. Das Saatgut stammt von einer artenreichen Spessartwiese bei Ruppertshütten. Die Ranger des Naturparks hatten es mit einer vor Jahren eigens für diesen Zweck angeschafften Maschine aus der Wiese herausgebürstet.
Der Vorteil des in der Region geernteten Saatguts liegt laut Gebietsbetreuer Salomon auf der Hand. Es enthält eine für Spessartwiesen charakteristische Mischung von 40 bis 50 Wildarten, vom Steifhaarigen Löwenzahn bis zum Klappertopf, vielleicht sogar die Waldhyazinthe, eine Orchideenart. Für etliche dieser Arten könne man im Handel gar keine Samen mehr kaufen, sagt Salomon. Die regionale Genetik garantiert eine gute Anpassung an Spessarter Klima und Böden. Umgekehrt sind viele Insektenarten auf genau diese Pflanzenmischung angewiesen. Die auf Spessartwiesen geernteten Samen seien so das "beste Saatgut für den Erhalt der Biodiversität", betont Salomon.
Mit dem Ansäen allein ist es nicht getan
Doch mit dem in wenigen Minuten erledigten Aussäen allein ist es nicht getan. Um den Erhalt der artenreichen Wiese dauerhaft zu garantieren, muss sie gemäht oder beweidet werden. Das erledigt Nebenerwerbslandwirt Höhlein mit seinen Coburger Fuchsschafen, einer früher in kargen Mittelgebirgslandschaften verbreiteten, heute jedoch gefährdeten Art. Auch wenn man es sich beim derzeitigen Kälteeinbruch kaum vorstellen kann: Wenn die Saat wie geplant aufgeht, können Höhleins Schafe eventuell schon im August erstmals anrücken.
Bis dahin kann Höhlein die Tiere ganz in der Nähe auf einer anderen, im vergangenen Jahr angelegten Wiese grasen lassen. Hier wurde eine komplett mit Schlehen und Robinien zugewucherte ehemalige Streuobstwiese entbuscht und mit Spessarter Saatgut eingesät.
"Es funktioniert", ist Gebietsbetreuer Salomon mit dem Ergebnis nach einem Jahr zufrieden. Der Artenreichtum der Wiesen werde über die Jahre sicher noch wachsen, ist er überzeugt. Seltene Orchideen beispielsweise würden etwas länger brauchen, bis sie Fuß fassen.
Die Resonanz in der Bevölkerung auf das Projekt ist laut Landwirt Höhlein schon jetzt positiv. Die Menschen registrierten, dass zuletzt bis zur Undurchdringlichkeit zugewucherte Flächen freigelegt würden und "die Landschaft wieder so aussieht, wie es früher war".
Eigentümer begeistert: "Total cooles Gefühl"
Auch Jürgen Völker, der Eigentümer der vor Jahrzehnten noch als Schweinepferch genutzten, danach verwilderten und nun rekultivierten Fläche, ist begeistert. Er hat ebenso wie Schäfer Höhlein tatkräftig bei dem Projekt mitgearbeitet. Selbst einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten zu können, sei ein "total cooles Gefühl", so Völkers Fazit.
In welchem Ausmaß sich die Artenvielfalt auf den neu angelegten Wiesen entwickelt, wird Ende 2022 bei einer vegetationskundlichen Erfolgskontrolle überprüft. Bis dahin werden Höhleins Coburger Fuchsschafe schon den ersten Weidegang über den ehemaligen Schweinepferch erledigt haben.
Dass dort irgendwann auch wieder Schweine zu sehen sein werden, ist indes unwahrscheinlich. Nicht nur, weil es eine Waldweide längst nicht mehr gibt, sondern auch, weil die Schweine mit ihrem Rüssel- und Wälzverhalten die schöne Artenvielfalt womöglich eher wieder zunichtemachen würden.