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MASSENBUCH
Jürgen Lippert: Sparen auf die ganz einfache Art
Michael Fillies
Michael Fillies
 |  aktualisiert: 05.11.2015 20:41 Uhr

Wieder bullert der Holzofen im Tennisheim. Zwei Tage nach den Freien Wählern und Inge Albert haben sich am Donnerstagabend voriger Woche Jürgen Lippert und das Bündnis für Bürgernähe im 200-Einwohner-Dorf angekündigt. Wieder ist der Besuch hervorragend mit etwa 40 Interessenten und zwölf BfB-Stadtratskandidaten. Der Ablauf mit Powerpoint-Präsentation und Selbstvorstellung ist ähnlich, auch der Diskussionsteil bis gegen 22 Uhr, und doch erleben die Massenbucher eine gänzlich andere Wahlveranstaltung.

Legten FW-Vorsitzende Hiltrud Zadra locker-fröhlich und Inge Albert quirlig ihre Ziele dar, während FW-Fraktionschef Werner Herrbach die weniger angenehmen Fakten vortrug und später in der Diskussion Beistand leistete, so bestreitet Jürgen Lippert den BfB-Abend nahezu allein – und zum Scherzen ist er nicht aufgelegt. Sollte ein Wahlkämpfer nicht gute Stimmung verbreiten und Versprechungen a la blühende Landschaften machen? Der 47-jährige Verwaltungsfachmann wählt einen anderen Weg: „Ich bin nur ehrlich“, sagt er immer wieder an dem Abend.

Dann schildert er Gemündens Finanzlage. So ehrlich und schonungslos, dass alle wie bei einer Gedenkveranstaltung den Blick senken. Über die Hälfte ihrer freien Mittel von 1,4 Millionen Euro im Jahr 2014 wird die Stadt für den Schuldendienst zahlen. Lippert rechnet vor: Umgerechnet 2717 Euro wende die Stadt täglich für Tilgung und Zinsen auf; beim Kommunalunternehmen seien es 6182 Euro am Tag. „Wenn man sich überlegt, was man mit dem Geld alles machen könnte!“

Der Kandidat fordert: „Wir müssen von dieser hohen Zahl herunterkommen!“ Wie? Bei den städtischen Pflichtaufgaben wie Kindergärten, Schulen oder Brandschutz „ist nichts zu machen, die sind uns auferlegt“. Bleiben die sogenannten Freiwilligen Leistungen, als da in Gemünden wären: VHS, Bücherei, Museum, Ehrungen, Tourismus, Radwege, Schwimmbäder . . . diese Aufgaben seien nicht zwingend zu erfüllen, sondern nur im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten. Ein weiterer Ansatz zum Schuldenabbau könne die Nutzung staatlicher Förderungen sein. Wie das Beispiel Rednitzhembach (6800 Einwohner) zeige, sei es möglich innerhalb einiger Jahre schuldenfrei zu werden.

Dann gibt Jürgen Lippert ein konkretes Wahlversprechen: 30 Prozent weniger (städtische) Schulden in sechs bis acht Jahren – „ein hohes Ziel, aber ich glaube machbar“. Das werden die Zuhörer später hinterfragen. Zunächst bezieht Lippert knapp und klar Stellung zu einzelnen Problempunkten:

• Mainbrücke – lange Sperrung unzumutbar;

• Vereine/Ehrenamt – Da wäre das Geld für den Schuldendienst besser eingesetzt. „Die eigentliche Jugendarbeit wird nicht von der Stadtjugendpflegerin geleistet, sondern von den Vereinen.“

• Wirtschaftsförderung – Mit dem neuen Breitbandförderprogramm (auch für Massenbuch) wurde der Stadtrat noch nicht befasst, „das kann's nicht sein“.

• Kommunalunternehmen Stadtwerke – Viel zu wenig Transparenz und Einfluss des Stadtrats.

• Verbesserungsbeiträge ab 2015 – Ob die sinnvoll sind, könne er nicht beurteilen, weil der Stadtrat wieder nicht informiert worden sei. Jedenfalls dürfe es nicht so weitergehen, dass alle drei Jahre bezahlt werden müsse, die Investitionen müssten den Schulden angepasst werden.

• Hallenbad – In einer Stadtratssitzung hatte Lippert dazu ausgeführt, die Stadt werde sich das jährliche Betriebskostendefizit wohl nicht leisten können. In Massenbuch betont er: „Wir sind nicht die Hallenbadverhinderer.“ Er möchte aber in jedem Fall einen Entscheid der Bürger, „ob sie mit ihren Steuern und Gebühren dafür aufkommen wollen“.

Der Holzofen bullert, alle haben sich längst ihrer Sakkos und Pullover entledigt, nur Jürgen Lippert behält die Jacke an. Nach einer Lüftungspause beginnt die Publikumsrunde. Musste sich Inge Albert fragen lassen, ob sie denn auch eine eigene Meinung habe (Antwort: „Absolut.“), so schonen die Zuhörer auch Lippert nicht. Die Gretchenfrage, die die meisten bewegt: Wie soll der Schuldenabbau bewerkstelligt werden? Ohne Hallenbad und ohne Scherenberghalle und nach weiteren Einschnitten fehle Gemünden bald jede Attraktivität. Und: Bleibt im Sparkurs die Hoffnung auf eine Verbesserung der Straße Kleinwernfeld – Massenbuch auf der Strecke?

Der Kandidat kann parieren: Die Straße sei eine Pflichtaufgabe – die Scherenberghalle zwar nicht, aber es werde die „erste Aufgabe des neuen Bürgermeisters und Stadtrats sein“, sie wieder vollumfänglich nutzbar zu machen. Letztlich stellt Jürgen Lippert klar: „Es ist nicht mein Ziel, die Stadt kaputt zu sparen“, aber gespart werden müsse: weniger ausgeben, als einnehmen, „ganz einfach“.

 
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Kommentare
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  • I. H.
    und dann natürlich auch Feuerwehrautogaragen für alle kleinen Stadtteile!
    Warum spricht nicht davon, das hören doch alle gern!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
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