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KARLSTADT
Jüngere sollen übernehmen
Das Partnerschaftskomitee für die Städtepartnerschaft von Karlstadt mit Querfurt hat sich aufgelöst. Im Bild von links: Gustav Eichler,  Ilke Urmann, Gertrud Gehret und Herbert Schneider bei ihrer Verabschiedung in der Abschlusssitzung des Stadtrats im Dezember 2016.
Foto: Schubart-Arand | Das Partnerschaftskomitee für die Städtepartnerschaft von Karlstadt mit Querfurt hat sich aufgelöst. Im Bild von links: Gustav Eichler, Ilke Urmann, Gertrud Gehret und Herbert Schneider bei ihrer Verabschiedung in ...
Lukas Will
Lukas Will
 |  aktualisiert: 29.01.2017 03:38 Uhr

„Es ist zusammengewachsen, was zusammengehört“, sagt Gustav Eichler. Er war viele Jahre Vorsitzender des Partnerschaftskomitees für die Städtepartnerschaft zwischen Karlstadt und Querfurt in Sachsen-Anhalt. Das zuletzt vierköpfige Komitee hat sich im Dezember aufgelöst, die Ehrenamtlichen wurden auf der Jahresschlusssitzung des Stadtrats verabschiedet. Das Komitee war für die Kontaktpflege in die ehemalige DDR-Gemeinde zuständig.

„Wir blicken zwar auf eine Partnerschaft mit einer großen Vergangenheit zurück, sehen aber nunmehr keinerlei Gestaltungsansätze für die Zukunft“, erklärt Eichler die Gründe für die Auflösung des Komitees. „Die Realität ist eben so: Es ist im deutsch-deutschen Verhältnis zusammengewachsen, was zusammen gehört.“

Verbrüderung nicht gewünscht

Erste Versuche zur Kontaktaufnahme mit Querfurt gab es bereits 1986 auf Anregung des Karlstadter Stadtrats. Die Briefe des damaligen Bürgermeisters Werner Hofmann in die DDR blieben jedoch unbeantwortet. „Heute weiß man, warum“, sagt Eichler. „Die Briefe wurden von der Stasi abgefangen, eine Verbrüderung mit dem Klassenfeind war von der Staatsführung nicht gewünscht.“

Der Grund für den damaligen Wunsch einer Kontaktanbahnung ist in der historischen Verbindung der beiden Städte zu suchen. Der Stadtgründer Karlstadts, Bischof Konrad von Querfurt, stammt aus dem alten Adelsgeschlecht der Querfurter. Deren Vorfahren hatten bereits seit dem 9. Jahrhundert ihre Stammburg dort, wo heute die Stadt Querfurt steht.

Eine Gruppe der Karlstadter Volkshochschule war schließlich 1987 zu Studienzwecken auf Berlin-Fahrt und wollte auch einen Halt in Querfurt einlegen. Der zuständige DDR-Begleiter gestattete einen 45-minütigen Aufenthalt.

Nach der Wende 1989 kam es schließlich zu mehreren gegenseitigen Besuchen. Die Karlstadter leisteten Aufbauhilfe und übergaben etwa ein Faxgerät und sogar einen Rettungswagen. Am 8. Dezember 1989 unterzeichneten der Querfurter Bürgermeister Lutz Kloss und dessen Karlstadter Amtskollege Werner Hofmann eine Absichtserklärung über die zukünftige Freundschaft. Am 20. Oktober 1990 wurde die Städtepartnerschaft mit einer Urkundenunterzeichnung in Karlstadt offiziell.

Die Aufgaben des Komitees und die Intensität der Städtepartnerschaft veränderten sich im Laufe der Zeit. Zunächst ging es vor allem darum, gegenseitige Besuche von Privatgästen und Vereinen zu organisieren sowie Stadtführungen anzubieten. „Einige der ehemaligen DDR-Bürger hatten auch viel zu erzählen“, sagt Eichler.

Nächtelang zugehört

„Wir sind da nicht besserwisserisch mit Ratschlägen gekommen, sondern haben zugehört – manchmal sogar nächtelang.“ Das habe den Menschen damals gutgetan, viele Freundschaften seien so entstanden. Die Städtepartnerschaft war also auch eine Art Projekt zur Wiedervereinigung der zuvor zwei deutschen Staaten – ganz privat und ganz persönlich. Später half das Komitee, Ausstellungen umzusetzen wie „Auf dem Weg zum Euro mit unseren Partnerstädten“ (2002) oder „Karlstadt mit Maleraugen“ (2009) sowie deren Querfurter Gegenstück (2010).

Weiter pflegten die Grundschulen der beiden Städte seit Anfang der 90er Jahre eine enge Partnerschaft. Rund 30 Schüler aus den dritten und vierten Klassen beteiligten sich jeweils an dem jährlichen Schüleraustausch.

Eichler erinnert sich an gemeinsame Veranstaltungen wie Spielenachmittage, Zoobesuche oder Stadtrallyes und -führungen. „Erst die Auflösung der Querfurter Grundschule im Jahr 2005 entzog der Partnerschaft die Basis“, so der pensionierte Grundschullehrer.

Ähnlich erging es im Laufe der Zeit auch den anderen miteinander partnerschaftlich verbundenen Organisationen. Viele Verbindungen sind über die Zeit eingeschlafen. „Die vormals engen Beziehungen zwischen den Vereinen, Schulen und Parteien sind stark zurückgegangen, oft nur sporadisch oder nicht mehr existent“, sagt Eichler. Zudem gab es auch persönliche Verluste. „Zwei sehr engagierte Mitglieder des Partnerschaftskomitees, Hermann Urmann und Peter Maurer, sind verstorben.“ Immerhin gebe es immer noch regelmäßigen Austausch zwischen dem Kirchenchor St. Johannis und dem Chor aus Querfurt sowie dem Historischen Verein Karlstadt und dem Altertumsverein Querfurt.

„Wir blicken nun auf eine erfolgreiche Arbeit zurück und sehen den Zeitpunkt gekommen, diese abzuschließen“, sagt Eichler. Er hofft, dass jüngere Menschen die Verbindung wieder beleben. Wenn sich immer die gleichen Engagierten um die Partnerschaft kümmerten, sei die Gefahr groß, dass die Partnerschaft ohne diese Personen eines Tages komplett einschlafe.

Fortführung der Beziehungen

Die Fortführung der Beziehungen liegt nun in den Händen der Stadtverwaltung. Eine Chance, die Beziehungen wieder aufzufrischen, bietet sich bereits in diesem Jahr: Die neue Bürgermeisterin von Querfurt, Nicole Rotzsch, wird im Herbst Karlstadt besuchen.

„Wir würden uns freuen, wenn dieser Besuch wieder Impulse geben könnte, so dass sich in Karlstadt jüngere Mitbürger mit neuen Ideen einbringen. Die Partnerschaft mit Querfurt hat dies verdient“, sagt Gustav Eichler.

Städteporträt Querfurt

Querfurt liegt rund 330 Kilometer von Karlstadt entfernt. Die Stadt in Sachsen-Anhalt, Landkreis Saalekreis, hat knapp 11 000 Einwohner. Landschaftlich liegt der Ort auf der landwirtschaftlich geprägten „Querfurter Platte“ im südlichen Harzvorland. Gekennzeichnet ist er von einem historischen Altstadtkern mit dem Renaissance-Rathaus und der spätgotischen Stadtkirche St. Lamberti. Westlich über der Stadt erhebt sich die Burg Querfurt, eine der ältesten und größten Feudalburgen Deutschland. Ausflugsziele sind der Loderslebener Schlosspark mit Mammutbäumen oder der Archäologiepark, Fundort der Himmelsscheibe von Nebra. lw
 
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