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Lohr
Jüdisches Leben sichtbar machen
Im Lohrer Spessartmuseum ist eine neue Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte im Spessart und im heutigen Landkreis Main-Spessart eröffnet worden. 
Foto: Thomas Josef Möhler | Im Lohrer Spessartmuseum ist eine neue Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte im Spessart und im heutigen Landkreis Main-Spessart eröffnet worden. 
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 17.11.2024 02:31 Uhr

Im Lohrer Spessartmuseum ist am Dienstag eine neue Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte im Spessart und im heutigen Landkreis Main-Spessart eröffnet worden. Die Ausstellung ist nach den Worten von Lohrs Dritter Bürgermeisterin Ruth Steger ein "Schritt zur Wiedersichtbarmachung jüdischen Lebens in unserer Region".

Christa Schleicher, die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Spessartmuseums, erinnerte an 2021, als Mitglieder des Geschichts- und Museumsvereins die in der Pogromnacht verwüstete ehemalige Synagoge an der Fischergasse besichtigten und dabei den Torso des Thora-Schreins und eine Sitzbank mit Klappsitzen entdeckten, die – zu Möbeln umfunktioniert – die Jahrzehnte überdauert hatten. Die Ausstellung zeigt den Thora-Schrein und eine Replik in der ursprünglichen Bemalung.

Daneben ist die Esther-Rolle zu sehen, die in der Pogromnacht aus dem Fenster geworfen und jahrzehntelang versteckt wurde. Nach der Rückgabe wurde sie in der Gedenkstätte in der ehemaligen Synagoge in Urspringen aufbewahrt. Ergänzt wird die Ausstellung religiöser Exponate laut Schleicher durch Schenkungen von zwei Enkelinnen des letzten Lohrer Gemeindevorstands Simon Strauß.

Medienstation mit Infos

Ferner werden Alltagsgegenstände jüdischer Familien präsentiert. Neben den physischen Exponaten gibt es eine Medienstation, die Informationen zu allen israelitischen Kultusgemeinden in der Region und insbesondere zu den Familien in Lohr im 19. und 20. Jahrhundert bietet.

Der November sei der richtige Zeitpunkt der Eröffnung, meinte Landrätin Sabine Sitter. Sie spielte damit auf die Reichspogromnacht am 9. November 1938 gegen jüdische Einrichtungen an. Das Thema Antisemitismus sei nach wie vor aktuell – wie man am Motto "Nie wieder ist jetzt" erkennen könne.

Die heutige Generation trifft laut Sitter keine Schuld, "sie trägt aber Verantwortung für das, was mit Menschen in unserem Land passiert ist". Jüdische Gemeinden ließen sich in der Region bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. In keinem anderen bayerischen Regierungsbezirk sei der Anteil der jüdischen Bevölkerung so hoch gewesen wie in Unterfranken. Vor dem Holocaust habe es in Unterfranken in 109 Orten jüdische Kultusgemeinden gegeben.

Auf der ganzen Welt zuhause

Im Spessart und im heutigen Landkreis Main-Spessart seien es rund 3400 Bürger jüdischen Glaubens in 80 Orten gewesen. Die neue Dauerausstellung zeige das Thema der breiten Öffentlichkeit. Erstmals sei eine ganze Abteilung im Spessartmuseum für die internationalen Gäste ins Englische übersetzt worden, berichtete die Landrätin.

Die Ausstellung sei "wichtig, richtig und unverzichtbar", meinte Ruth Steger. Sie ordne sich ein in die Reihe von Gedenkorten in Lohr und Umgebung an das frühere jüdische Leben. Die 3. Bürgermeisterin erinnerte unter anderem an den 2022 eröffneten "Schlossmannblick" auf dem Buchenberg. Dieser sei schnell zu einem Gedenkort für Lohrs jüdischen Ehrenbürger Joseph Schlossmann geworden.

Dessen Urenkelin Maude Schlossmann war für die Ausstellungseröffnung aus Schweden angereist. Ihr Urgroßvater hätte sich über das Ereignis sicher gefreut, meinte sie auf Englisch. In vielen Teilen der Welt lebten Nachfahren von ehemaligen Lohrer Juden.

Protokollbuch veröffentlicht

Die israelitische Kultusgemeinde lebe in der Ausstellung weiter, aber auch in Menschen wie Maude Schlossmann, meinte Wolfgang Vorwerk, der Vorsitzende des Geschichts- und Museumsvereins Lohr. Auch in Lohr habe es 1938 eine Pogromnacht gegeben. "Dennoch eröffnen wir heute eine Ausstellung über eine Gemeinde, über die nach dem Willen der damaligen Machthaber nicht mehr gesprochen werden sollte."

Vorwerk würdigte die Leistung von Museumsleiterin Barbara Grimm, die am Dienstag krankheitsbedingt fehlte. Sie habe das wieder gefundene Protokollbuch der jüdischen Gemeinde transkribiert und erläutert. Das Werk sei ganz frisch in der Schriftenreihe des Geschichts- und Museumsvereins erschienen.

 
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