zurück
Lohr
Jüdischer Lohrer wurde zum Pfarrer - in NS-Zeit ermordet
Pressemitteilung
 |  aktualisiert: 07.10.2019 02:11 Uhr

Pfarrer Michael Kelinske begrüßte beim jüngsten Dienstagstreff der evangelischen Kirchengemeinde Lohr den Vorsitzenden des Geschichts- und Museumsvereins, Dr. Wolfgang Vorwerk, zum Vortrag über »Juden in Lohr«.

Vorwerk stellte dar, dass während der Zeit des Nationalsozialismus die jüdischen Deutschen aus Lohr, die sich »in erster Linie als deutsch und erst in zweiter Linie als jüdisch empfanden«, recht häufig durch eine ihnen nahegelegte Auswanderung zumindest ihr Leben retten konnten. Dem evangelischen Theologen Werner Sylten, der 1913 die Abiturprüfung in Lohr ablegte, gelang dies nicht.

Geburtsname Silberstein

»Vor zwei Jahren habe ich mit Syltens Sohn Walter ein langes Telefongespräch führen können«, erzählte Vorwerk nachdenklich, der die rund 25 Zuhörenden mit dem Geburtsnamen von Syltens Vater überraschte: Silberstein. »Syltens Vater war ein gebürtiger Jude, der zum evangelischen Glauben konvertiert war«, so Vorwerk. Die Umbenennung in »Sylten« sei der Konversion gefolgt. Es sei ein Lohrer Lehrer gewesen, der Werner Sylten motiviert habe, evangelische Theologie zu studieren und Pfarrer zu werden. Die Recherche, um welchen Lehrer es sich gehandelt haben könnte, stehe noch aus.

Rückhalt in Landeskirche fehlte

Wolfgang Vorwerk erläuterte, dass sich Werner Sylten - obwohl selbst drangsaliert und am Dienst gehindert - intensiv für kirchliche Sozialarbeit eingesetzt habe, ab 1925 als Leiter des Köstritzer Mädchenheims. 1933 trat er der Bekennenden Kirche bei, die die Gleichschaltung der Lehre der Deutschen Evangelischen Kirche mit dem Nationalsozialismus zu verhindern suchte. »1936 war dann Schluss. Sylten bekam wegen seiner jüdischen Abstammung keine Pfarrstelle mehr, er wurde aus dem Pfarrdienst entlassen«, resümierte der Referent. Der Rückhalt der evangelisch-thüringischen Landeskirche fehlte, auch in Bayern fand der Pfarrer keine Unterstützung mehr. Sylten konnte sich noch einige Jahre für rassisch Verfolgte evangelischen Glaubens im sogenannten »Büro Pfarrer Grüber«, einer kirchlichen Hilfsstelle für evangelische Nichtarier, einsetzen, bevor er selbst 1941 verhaftet wurde, so Vorwerk.

Nach der Untersuchungshaft im KZ Dachau wurde Werner Sylten 1942 in der Vernichtungsanstalt Hartheim bei Linz ermordet. »Ja, das Schweigen - auch der Kirchen - war sicher eines der Probleme. Doch ich sage immer wieder, dass auch ich nicht weiß, wo ich zu jener Zeit gestanden hätte«, so Vorwerk, der das Schicksal jüdischer Menschen in Lohr an Personen wie Sylten sehr persönlich erfahrbar machte.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lohr
Pressemitteilung
Das dritte Reich
Evangelische Kirche
Evangelische Kirchengemeinden
Evangelische Pfarrer
Evangelische Theologen
Juden
KZ Dachau
Konzentrationslager
Köstritzer Schwarzbierbrauerei
Nationalsozialismus
Theologinnen und Theologen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top