
Nelly Heippert, die heute Nomie Lawie heißt, ist die einzige noch lebende Zeitzeugin der einst blühenden jüdischen Kultusgemeinde Karbach. Zusammen mit ihrem Bruder Paul ist sie Überlebende der Familie Abraham Heippert. Am heutigen Samstag feiert sie ihren 95. Geburtstag in Israel in der Stadt Mischmar Haschiwa, in der Nähe von Tel Aviv, zusammen mit Tochter Miriam und Arie Freund, den Söhnen Yehuda und Avi, Enkeln und Urenkeln.
Die älteren noch lebenden Mitbürger der Marktgemeinde Karbach, wie Betty Roth, können sich noch gut an die Jubilarin erinnern. Zum 95. Geburtstag übermitteln aus ihrem einstigen Heimatort auch die Altbürgermeister Helmuth Hart und Kurt Kneipp, der auch schon Israel und die "Karbacher" dort besuchte, die Familien Helga Balzert und Josef Laudenbacher ihre Glückwünsche.
Nomie Lawie zeigte sich einmal mehr im Gespräch geistig sehr rege: "Ja, manches mal vergesse ich auch schon mal was, aber das geht Jüngeren auch so", meinte sie scherzhaft, immer zu einem Späßchen aufgelegt. Ihren Humor hat sie trotz ihres schweren Lebenswegs nicht verloren.
Vater Abraham hatte einen Viehhandel
Die Familie gründete Großmutter Regina Heippert aus Rimpar. Zusammen mit Großvater Pinchas Heippert (Handelsmann), den sie am 8. Juni 1880 in Rimpar heiratete, brachte sie die Kinder Nellys Vater Abraham und seine sechs Geschwister zur Welt. Die Familie Abraham Heippert mit Ehefrau Jenny sowie die Kinder Paul, Martha und Nelly Heippert wohnten in Karbach am Aufgang zum "Kist".
Abraham Heippert betrieb wie viele seiner jüdischen Glaubensbrüder einen kleinen Viehhandel im Raum Schweinfurt. Während Cousine Carola Heippert mit Vater Ferdinand Heippert 1936 noch nach Palästina, nach Rischon le Zion, bei Tel Aviv, ausreisen und so der totalen Vernichtung entkommen konnten, wurde die Familie von Nelly und Paul Heippert zusammen mit 27 anderen jüdischen Karbacher Mitbewohnern im Juli 1942 deportiert und in Vernichtungslagern ermordet.

Doch Nelly und ihr Bruder entkamen. Ein Jahr nach dem Novemberpogrom in Karbach 1938 wanderte Nelly Heippert alleine nach Palästina aus, zu den beiden Brüdern ihres Vaters, Max und Ferdinand Heippert. Die Zugfahrt nach München, mit Vater Abraham, im Herbst 1939, hat sich bei der damals knapp Vierzehnjährigen bis heute tief eingeprägt. Dort brachte sie ihr Vater zur jüdischen Gemeinde. Zum letzten Mal wurde sie von ihrem Vater beim Abschied geküsst und umarmt. Ihr Weg ging über Triest und Genua, in die Freiheit nach Palästina. Vater Abraham, Mutter Jenny und ihre zwei Jahre jüngere Schwester Martha sollte sie nie wieder sehen.
Cousine riet, den Vornamen zu wechseln
Erste Anlaufstelle damals in Israel war Jaffo, wo Nelly von ihrem Onkel abgeholt wurde. Ihre Cousine Carola riet ihr, schnellstens ihren Vornamen zu wechseln: "Denn was willst du schon mit "Nelly" anfangen." Von da an hieß Nelly nun "Nomie", was soviel wie "Nicht vergessen" im jüdischen Sprachgebrauch bedeutet. Ihr Bruder Paul Heippert folgte ihr 1940 nach Israel.
Heute wohnt die 95-jährige, die noch mit 80 Jahren in einer Gärtnerei arbeitete, in Mischmar Haschiwa, in der Nähe von Tel Aviv. Ihr Sohn Jehuda hat sich gegenüber den Golanhöhen in einer noch jungen Siedlung, unweit der libanesischen Grenze, ein Haus gebaut. Nur wenige Minuten sind es von hier aus hinunter zum Jordan. Und wer einmal hier oben gestanden hat, auf den blühenden Höhen des Golan, wo alles bewässert werden muss, hinunter ins Jordantal und auf den See "Kennereth" mit den Resten von Kafarnaum geblickt hat, kann verstehen, warum die Israelis diesen Fleck nicht mehr hergeben wollen oder können.