Kürzlich bekamen die Zehntklässler der Realschule Karlstadt Besuch von einer jüdischen Familie um "Großvater" David Harel. Geschichtslehrerin Kristina Ackermann, die auch Heimatpflegerin in Thüngen ist, hatte dieses Zusammentreffen initiiert. Dies geht aus einer Pressemitteilung der Realschule hervor, der diese Informationen entnommen wurden.
Auf deren Betreiben hin wurde einst ein Gedenkstein vor dem Planplatz am Kriegerdenkmal errichtet. Davon erfuhr David Harel, dessen Wurzeln in Thüngen liegen, aus den Medien, woraufhin er Kontakt zu Ackermann aufnahm. Fortan verbindet beide Familien eine enge Freundschaft mit vielen Besuchen.
Zwischen den Schülern und Harel, der mit seiner Frau Batja, seinem Schwiegersohn und seinen drei Enkeln an die Schule gekommen war, entwickelte sich zunächst ein Gespräch über die Geschichte des Staates Israel, den Nahostkonflikt und die damit verbundene permanente Bedrohung durch Nachbarstaaten.
Mucksmäuschenstill und bewegend wurde es dann, als David Harel sehr persönlich auf seine eigene Familiengeschichte zurückblickte. Die grausame Ironie des Schicksals wollte es, dass Vorfahren, unter anderem sein Onkel, zunächst ins Transitlager Theresienstadt deportiert wurden, weil sie aufgrund der Verdienste im Ersten Weltkrieg das Eiserne Kreuz verliehen bekommen hatten, bevor sie später im Vernichtungslager Auschwitz den Tod fanden.
Auf die Frage hin, wann und wie in Israel über die Schrecken des Holocausts gesprochen wird, gab Harel zu verstehen, dass erst der Eichmann-Prozess 1961 dazu geführt habe, dass die Enkelgeneration angefangen habe, Fragen zu stellen. Vorher herrschte eine Mauer des Schweigens und der Verdrängung. Heute gebe es Gedenktage und, wie in Deutschland auch, die Beschäftigung in der Schule wie auch in der Familie.
Angst vor dem Fremden mache manche Menschen empfänglich für Vorurteile und schaffe Nährboden für Verschwörungstheorien und antisemitische Denkweisen, so der Radikalisierungsforscher Peter Neumann von der Universität Würzburg jüngst in der Main-Post. Was kann es also Besseres geben, als in der Schule Menschen zusammenzubringen? Es gehe nicht um das Aufoktroyieren von Schuld, so Kristina Ackermann am Ende des Gesprächs, sondern um das Nichtvergessen und um eine Mahnung für die Menschheit.