"Es hat mich sehr gereizt, für meine Heimatstadt zu arbeiten und Gäste für sie zu begeistern", sagt Barbara Herrmann. Die Leiterin der Touristinformation am Schlossplatz geht nächsten Monat nach 16 Jahren in diesem Amt in Rente. Wer sie in dieser Zeit erlebt hat, nimmt ihr das Bekenntnis ab: "Der Job ist zu meiner Passion geworden."
Auf den Geschmack gekommen ist Herrmann beim Verkehrsverein: "Ich habe sehr schnell gemerkt, dass mir diese Arbeit viel Spaß macht." Sie sei neben dem Schloss aufgewachsen und mit Lohr stark verwurzelt. Ihre Entscheidung habe sie nie bereut.
Das habe auch mit ihrem Team zu tun: "Eine öffentlichkeitswirksame, vielschichtige Arbeit geht nur mit einem Team. Das hatte ich immer." Genauso wichtig: Ihre Familie habe immer hinter ihrer Arbeit gestanden. "Abendtermine, Messebesuche und andere Aufgaben waren nie ein Problem."
Megatrends erkennen
In ihrer Amtszeit hat sie viele Veränderungen erlebt. Trends kämen und gingen, betonte sie im Gespräch mit dieser Redaktion. "Die Kunst ist, Megatrends zu erkennen." Gesundheit gehöre dazu, Entschleunigung, "zurück zur Natur" – und Wandern.
Was früher eher als langweilige Seniorenbeschäftigung abgetan worden sei, sei heute Megatrend auch bei jungen Leuten und Familien. Ums Wandern sei eine Riesenindustrie etwa für die Ausrüstung entstanden. Das Radfahren habe durch das E-Bike im Wortsinn an Fahrt aufgenommen. Die Tourismuswerbung reagiere darauf mit Marketing und Freizeitangeboten. So seien in Lohr dieses Jahr zwei E-Bike-Ladestationen installiert worden.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind nach ihren Worten die Digitalisierung und die zunehmende mobile Nutzung von Informationskanälen. Internetseiten und Kanäle in den sozialen Medien müssten professionell bedient werden. Die Gäste seien anspruchsvoller geworden und forderten eine intensive individuelle Beratung ein.
Trotz aller Digitalisierung hält Herrmann eine stationäre Touristinformation wie die Lohrer weiterhin für unverzichtbar: "Tourismus ist ein emotionales Geschäft." Touristinformationen seien häufig die ersten Anlaufstellen für Gäste vor Ort. Hier könne sich der Gast bei einer freundlichen Mitarbeiterin informieren.
Überangebot strukturieren
Diese verfüge über das Wissen und die nötige Ortskenntnis, um Tipps für den Aufenthalt zu geben. Damit strukturiere sie das Überangebot an digitalen Informationen und helfe dem Gast, das Passende für sich zu finden. Die Zahlen in Lohr sprächen für sich: Im vorigen Jahr seien 17 000 Besucher in die Touristinfo gekommen.
Deren Standort hält Barbara Herrmann für den richtigen, trotz immer wieder aufkommender Diskussionen, ob sie im alten Rathaus nicht besser aufgehoben wäre. Am Schlossplatz begännen die meisten Stadtführungen, hier könnten die Reisebusse halten und es gebe öffentliche Toiletten. Praktisch jeder Gast komme beim Besuch Lohrs zum Schlossplatz, "denn das Schloss will niemand verpassen".
Kooperation wichtig
Eine gelungene Tourismuswerbung ist nach Herrmanns Wort authentisch: "Gäste wollen und müssen wissen, was sie erwartet, wenn sie ihren Urlaub bei uns verbringen." Falsche Erwartungen zu wecken, wäre ein fataler Fehler. Lohr punkte seit vielen Jahren mit "attraktiven Angeboten rund um Natur und Kultur ohne falsche Versprechungen".
Deshalb sei Kritik am Tourismus wie Overtourism (Konflikte zwischen Einheimischen und zu vielen Besuchern) und Naturzerstörung für Lohr kein Thema. Im Spessart könne man nur einen naturverträglichen Tourismus verfolgen, denn die Natur sei das Kapital der Region und passe zu den Hauptthemen Wandern und Radeln. Ein weiterer wichtiger Punkt für gelungene Tourismuswerbung ist laut Herrmann die lokale Zusammenarbeit, nicht nur mit Leistungsträgern wie Hotels und Gaststätten. Die Kooperation mit örtlichen Vereinen, der Werbegemeinschaft und dem neuen städtischen Citymanagement in Person von Simone Neubauer sei für die Touristinfo essenziell.
Starken Gegenwind hat der Tourismus auch in Lohr in diesem Jahr durch die Corona-Pandemie gespürt. Wie man aus dem Tief wieder herauskomme, müsse man in einigen Monaten ihren Nachfolger Jürgen Goldbach fragen, so Herrmann. Sie wolle nicht den Eindruck erwecken, einen Masterplan zu haben.
18. und letzter Prospekt
Auf die Frage nach lustigen Ereignissen in ihrer Amtszeit meinte die scheidende Touristinfo-Leiterin, es sei soviel passiert, dass sie keine einzelnen Ereignisse herausgreifen wolle: "Es waren mitunter turbulente Jahre mit vielen Begebenheiten." Etwas verrät sie dann doch: Es sei vorgekommen, dass die Touristinfo für Busreisende Taxis habe bestellen müssen. "Vor lauter Begeisterung für unsere schöne Stadt hatten sie die Zeit vergessen und die Abfahrt ihres Reisebusses verpasst."
Herrmanns letztes Werk ist der wenige Tage alte Prospekt "Urlaub im Spessart 2021", der 18. in ihrer Amtszeit. Auf den wichtigsten Satz der Terminvorschau weist sie ausdrücklich hin: "Sofern es die zum Zeitpunkt der Veranstaltung gültigen Corona-Regeln erlauben."