
Welche Schule ist die Richtige? Welche Ausbildungsberufe kann man in Deutschland machen? Welcher passt zu mir? Das sind die Hauptthemen, mit denen junge Flüchtlinge zu Jennifer Ashley kommen. Für den Jugendmigrationsdienst des Paritätischen Wohlfahrtsverbands berät die 30-Jährige seit vergangenem Jahr hauptsächlich in Gemünden junge Migranten in Main-Spessart zwischen 12 und 27 Jahren. Sie hat viel zu tun.
Mit ihren wöchentlich 19,5 Stunden für junge Migranten hat sie im Landkreis derzeit etwa 70 Fälle. Obendrein hat sie 15,5 Stunden für Flüchtlinge in Main-Spessart, die älter als 27 sind, und vier Stunden für junge Migranten in Würzburg.
Aber Ashley hat ein Problem: In Gemünden macht sie ihre Beratung zweimal wöchentlich morgens im Lesesaal der Stadtbibliothek, wo es natürlich auch Publikumsverkehr gibt. "Grundsätzlich wäre das Angebot für den ganzen Tag gedacht", sagt Ashley, aber nachmittags sei in der Bibliothek zu viel los, als dass man dort vertrauliche Gespräche führen könnte. Deshalb tingelt sie auch an die Volkshochschulen in Karlstadt und Marktheidenfeld, dort habe sie immerhin einen festen Raum. In Gemünden sei sie dringend auf Raumsuche. "Ich sitze halt immer irgendwo und bin nicht immer greifbar."
Die meisten jungen Flüchtlinge kommen aus Syrien und Afghanistan
Der Jugendmigrationsdienst des Paritätischen existiert seit 2004. Bevor Jennifer Ashley im Februar 2018 ihre Stelle im Landkreis antrat, gab es ihn nur in Würzburg und lediglich stundenweise in Main-Spessart. Die meisten jungen Flüchtlinge, die zu ihr kommen, stammen aus Syrien und Afghanistan, sie habe aber auch Klienten aus Somalia, Eritrea, dem Irak und dem Iran, erzählt sie. Rund zwei Drittel seien männlich.
Bei den über 27-Jährigen berät die Sozialpädagogin mit einer Kollegin vom Paritätischen nur anerkannte Flüchtlinge oder solche mit "guter Bleibeperspektive", weil das Innenministerium als Geldgeber das so möchte – außerdem EU-Ausländer und Spätaussiedler. Flüchtlinge im laufenden Asylverfahren hingegen, die nicht aus Syrien oder Eritrea kommen, werden von Kollegen der Caritas beraten. In der Jugendmigration, die vom Familienministerium finanziert wird, bietet Ashley sämtlichen jungen Geflüchteten, die neu in Deutschland sind, Beratung an – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.
Beratung zu allem Möglichen
"Jeder Fall ist individuell", sagt sie. Jeden Flüchtling betreue sie intensiv mindestens fünf, sechs Monate lang, die Jüngeren noch länger. Wenn ein Thema erledigt sei, komme oft das nächste. Die 30-Jährige bietet im Grunde eine Rundumberatung an: Sie macht Ausbildungsberatung, hilft bei Bewerbungen und bereitet auf Vorstellungsgespräche vor, hält Kontakt mit ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern, mit dem Jobcenter und der Arbeitsagentur, leistet Hilfe bei Fragen der Ausländerbehörde, etwa zum Familiennachzug, und sie berät auch zu kulturellen Themen, wie Familie, Ehe und Partnerschaft.
Dass die in Rannungen (Lkr. Bad Kissingen) aufgewachsene Ashley mit einem amerikanischen Vater selbst einen Migrationshintergrund hat, mache es ihr im Gespräch mit Flüchtlingen oft einfacher. Auch ihr nicht gerade geradliniger Lebenslauf (Hauptschule, Ausbildung, Wirtschaftsschule, Abitur, Fachhochschule) helfe ihr in ihrem Beruf, so könne sie aufzeigen, dass es immer Möglichkeiten gibt, sich weiterzubilden. Bei ihrem Sozialpädagogik-Studium hatte sie dann den Schwerpunkt Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft.
Afghanen hätten oft Angst vor der Abschiebung
Flüchtlinge, die zu ihr kommen, hätten oft großen Redebedarf und seien dankbar, dass man ihnen hilft. Vor allem Afghanen, die fürchten müssen abgeschoben zu werden, hätten oft viel Angst. Nur geduldete oder bereits abgelehnte junge Afghanen fragten sich oft: "Darf ich überhaupt eine Ausbildung oder einen Nebenjob machen?" Wenn die mit ihrer Berufsintegrationsklasse fertig seien und sähen, wie junge Syrer dann eine Ausbildung anfangen dürfen, fielen die in ein Loch. Ashley: "Die dürfen einfach nichts machen."
Sie versuche dann etwa über ortsansässige Vereine Angebote aufzutun, damit sie etwas zu tun haben, in Kontakt mit Einheimischen und nicht etwa "auf dumme Gedanken" kommen. Ein solches Angebot war zum Beispiel das Anlegen eines interkulturellen Kräutergartens am Jugendzentrum in Marktheidenfeld.