
Wo sonst Kammermusik und Literatur ihren Platz haben, gab es dieses Mal Budenzauber. So könnte man etwas despektierlich sagen, denn Michael Günther hatte den Zauberer Moshe Karlo zu seinem jüngsten Schlosskonzert nach Homburg eingeladen.
Die Varieté-Kunst besitzt lange Tradition. So begründete Johann Nepomuk Hofzinser um 1840 in der Wiener Gesellschaft die bis heute aktuelle Form der Salonzauberei. Genau von diesem Meister zeigte Karlo einen Kartentrick, der bis heute seine Betrachter zu verblüffen vermag.
Der frühere Lehrer Karlo Reichel aus dem mittelfränkischen Dietersheim erfand sich vor Jahren als „einzigen, letzten und deshalb größten maghrebinischen Zauberer, wo gibt überhaupt auf der Welt“ neu. In der Bühnenfigur Moshe Karlo geht das Mitglied des Magischen Zirkels in seiner erzählenden Zauberei auf. Mit heiserer Stimme knüpfte er bei seinen Moderationen an die maghrebinischen Geschichten des Schriftstellers und Schauspielers Gregor von Rezzori (1914–1998) an. Das Image als Knoblauch kauender Schlawiner aus der Stadt Metropolsk in einem Fantasieland des balkanischen Südostens wirkte amüsant, ging aber leider im zweiten Teil eines überlangen Programms mehr und mehr verloren.
Die rund 60 Gäste quittierten klassische Zaubertricks mit Tüchern, die sich wunderbar verbinden und voneinander lösen, oder mit Eiern, die verschwinden und an ungeahnter Stelle wieder auftauchen, dennoch mit staunenden wie bewundernden Ooh- und Aah-Ausrufen. Niemand nahm es Moshe Karlo, der die Mitte 70 in seinem Lebensalter überschritten hat, übel, wenn ein Kunststückchen auch einmal ein wenig hängte oder gar misslang.
Kartentricks und verblüffende Mentalmagie zogen dennoch in ihren Bann, wie auch das legendäre und hinlänglich bekannte Zahlenexperiment des magischen Quadrats. Immer wieder waren die Gäste zum Mitmachen aufgefordert, wenn das unvermeidliche Zaubersalz oder die Mag(g)i(e) aus der im nahen Lohr produzierten Flüssigwürze-Flasche zum Einsatz kamen. Das schuf Nähe zum Publikum. „Je mehr du schaust, desto weniger siehst du“, lautete trotzdem die wesentliche Erkenntnis dieses Abends.
Ein wenig improvisiert und spontan wirkte das Programm und das galt auch für Michael Günthers Begleitung am Cembalo. Dass einen Zauberer Persönlichkeit und Fingerfertigkeit auszeichnen, sei einem Musiker oder Komponisten nicht unähnlich. Diesen Gedanken belegte Günther zunächst mit drei Stücken des französischen Meisters aus dem Spätbarock Claude Balbastre (1724–1799). Dieser hatte seinen Zeitgenossen wie dem exzentrischen Monsieur de Caze oder dem Hofpagen Lugeac kleine musikalische Denkmäler gesetzt, deren individuellen Ausdruck Günther lebendig werden ließ.
Eine Ciaccona (Canzone) des heute nur noch selten gespielten, in München und Wien tätigen Komponisten Johann Caspar von Kerll (1627–1693) trieb die Freude am Vogelruf auf die Spitze und verlangte dem Cembalisten wahrhaft virtuose Fingerkünste ab.
Eine letzte Folge von drei Stücken rückte wiederum französische Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts, dieses Mal mit Werken von Jacques Duphly (1715–1789), in den Mittelpunkt.
So wurden am Cembalo die Charakterzüge des glanzvollen Erfinders und Wegbereiters der industriellen Revolution Jacques des Vaucanson, des teuflisch aufspielenden Gambenspielers Anton Forqueray und des Meisters mythologischer Gemälde Carle von Loo musikalisch beeindruckend in Szene gesetzt.