
Deutschland hat ein wohlorganisiertes Jagdwesen, aber vielerorts Probleme mit überhöhten Wildbeständen und entsprechenden Schäden am Wald. In Georgien ist es genau umgekehrt: Dort gibt es weder ein Jagdgesetz noch Probleme mit Wildschäden. Doch nun will Georgien sein Jagdwesen besser organisieren und erstmals ein Jagdgesetz erlassen. Für dessen Inhalt könnten auch Eindrücke eine Rolle spielen, die eine Delegation aus Georgien jetzt in Lohr gesammelt hat.
Vertreter des Ministeriums für Umweltschutz und Landwirtschaft sowie der nationalen Wildtierbehörde in Tiflis waren eine Woche lang in Deutschland unterwegs, zwei Tage davon in Lohr. Hier beobachteten die Georgier Ablauf und Organisation einer großen Drückjagd im Stadtwald. An der Lohrer Forstschule informierten sie sich über Ausbildung und Prüfung von Jägern.
Organisiert hatte die Exkursion Niels Hahn. Der studierte Forstwissenschaftler und selbstständige Wildbiologe aus Münsingen ist seit Jahren im In- und Ausland in Beraterfunktion tätig. Vom georgischen Landwirtschaftsministerium hatte er den Auftrag erhalten, die Entwicklung des geplanten Jagdgesetzes beratend zu begleiten. Die Organisation einer Exkursion nach Deutschland war Bestandteil des Auftrags, denn beim Thema Jagd gelten die hiesigen Strukturen als weitgehend vorbildlich.
Strukturen in den vergangenen Jahrzehnten zusammengebrochen
in denIn Georgien sei es um jagdliche Strukturen hingegen schlecht bestellt, sagte Revaz Bejashvili, Leiter der georgischen Wildtier-Behörde. Nach der Loslösung des Landes von der damaligen Sowjetunion im Jahr 1991 sei das Jagdsystem weitgehend zusammengebrochen. In den vergangenen Jahrzehnten mit zwei Kriegen und zwei Revolutionen habe man Natur und Wildtiere vernachlässigt. Es sei höchste Zeit, ein gut funktionierendes Jagdsystem auch mit entsprechenden Gesetzen und Verwaltungsstrukturen zu schaffen. Dass es diese Strukturen nicht gebe, sei eine Schande für ein Land, so Bejashvili.

Wobei es nicht so ist, dass in Georgien nicht gejagt wird. Ganz im Gegenteil. "Jeder Zweite hat eine Waffe. Und jeder, der eine Waffe hat, schießt munter vor sich hin", schilderte Wildbiologe Hahn die Zustände. Um offiziell auf die Jagd gehen zu dürfen, genügten eine registrierte Waffe und eine ganz einfach zu kaufende Lizenz. Die Jagdscheinprüfung in Deutschland gilt wegen des großen Lernpensums als "Grünes Abitur", in Georgien gibt es hingegen weder eine organisierte Ausbildung, noch eine Prüfung, die Jäger absolvieren müssen, bevor sie dem Wild nachstellen. Was es jedoch gebe, sei ein "extrem hoher Grad an Wilderei", schilderte Hahn.
Für die meisten Georgier stehe bei der Jagd die Fleischgewinnung im Vordergrund. Trophäen in Form großer Geweihe spielten – anders als in Teilen der deutschen Jägerschaft – keine Rolle, so Hahn. Der hohe und vielfach illegale Jagddruck habe dazu geführt, dass die georgischen Wildbestände stark ausgedünnt seien. Das deutsche Problem der Wildschäden gebe es daher in dem Land am Kaukasus nicht.
Nun wird dort erstmals ein Jagdgesetz entworfen. Vier Vertreter der dabei involvierten Institutionen holten sich dazu in Deutschland Anregungen, was man noch einarbeiten sollte. Es sei darum gegangen, so Hahn, sich aus deutscher Verwaltungsstruktur und Jagdpraxis "die besten Dinge rauszusuchen". In Baden-Württemberg besuchte die Delegation zu diesem Zweck das Stuttgarter Ministerium für ländlichen Raum als oberste Jagdbehörde, daneben die untere Jagdbehörde an einem Landratsamt, den Landesjagdverband sowie ein "Schießkino", in dem Jäger ihre Schießfertigkeiten trainieren können.
Danach lotste Hahn seine georgischen Gäste nach Lohr. Die hiesigen Strukturen kenne er, da er wiederholt Seminare an der Forstschule gegeben habe und regelmäßig bei den Jagden im Stadtwald dabei sei, sagt der 57-Jährige. Die Drückjagden im Stadtwald seien in Organisation und Ablauf vorbildlich, so Hahn. An den beiden Jagdtagen, die die Georgier in den Bereichen Dicker Rohn und Schwebberg beobachteten, waren jeweils rund 90 Schützen beteiligt. Von der Auswahl der Schützenstände über die Sicherheitsregeln und den Einsatz von Hunden bis hin zum Zerlegen und Vermarkten der erlegten Tiere reichte die Palette der Themen, über die Stadtwaldchef Michael Neuner und Wildbiologe Niels Hahn mit den Georgiern sprachen.
Sogleich mit den Ministerialen in Tiflis telefoniert
Beim Besuch an der Lohrer Forstschule standen die Jägerausbildung ebenso wie die bayernweit einheitlich zu absolvierende Jägerprüfung im Fokus. Schulleiter Christoph Welzenbach und Wolfgang Weis, einer der Jagdkurs-Ausbilder, schilderten den Ablauf des Jägerkurses. Dieser erstreckt sich über ein halbes Jahr und knapp 300 Stunden. Ein gewichtiges Thema war auch die Jagdscheinprüfung und der enorme Umfang der Prüfungsfragen.
Wie Exkursions-Organisator Niels Hahn schildert, diskutierten die Georgier hernach intensiv über die gewonnenen Erkenntnisse und auch darüber, in welchem Umfang man diese in Georgien umsetzen sollte. Zum Teil hätten die Georgier sogleich mit den Ministerialen in Tiflis telefoniert, um diese oder jene Anregung weiterzugeben.