
Es war nur eine Frage der Zeit. Jetzt ist diese Zeit offenbar gekommen: Die Asiatische Hornisse, eine nicht zuletzt von Imkern gefürchtete invasive Art, hat den Landkreis Main-Spessart erreicht. Vermutlich sogar schon vor einiger Zeit. Doch jetzt weiß man es sicher. Es gibt das erste bekannte massivere Auftreten. Und zwar im Hafenlohrtal.
Vergangene Woche hat ein dortiger Imker über die eigens zu diesem Zweck existierende Meldeplattform www.beewarned.de die Sichtung eines Exemplars der Asiatischen Hornisse mitgeteilt. Dass häufig Imker als Erste das Auftauchen der Asiatischen Hornisse bemerken, hat einen einfachen Grund: Bienen zählen zur Leibspeise dieser Hornissenart. Haben sie ein Bienenvolk als Nahrungsquelle ausgemacht, tauchen Asiatische Hornissen regelmäßig dort auf – um sich eine Biene nach der anderen zu greifen.
Aus Frankreich etwa, wo die Asiatische Hornisse bereits deutlich verbreiteter ist, gibt es Schilderungen, wonach sich Bienen bei einem starken Vorkommen der Asiatischen Hornisse irgendwann gar nicht mehr aus ihrem Stock trauen. Bis hin zum Plündern ganzer Bienenvölker und zur Aufgabe der Imkerei gehen die Schilderungen.
Behörden müssen die Ausbreitung bekämpfen
Von der Europäischen Union ist die Asiatische Hornisse als gebietsfremde invasive Art eingestuft. Ausbreitung und Vorkommen müssen daher von Behörden bekämpft werden. Aus diesem Grund ist auch im Hafenlohrtal die Suche nach dem Nest, das die Asiatische Hornisse dort irgendwo gebaut haben muss, angelaufen. Es zu finden, gleicht in der weitläufigen Tallandschaft mit den umliegenden Wäldern freilich der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.
Doch Richard Wöber will es versuchen. Der Vorsitzende des Lohrer Imkervereins gehört als Ehrenamtlicher einer Art "Schnellen Eingreiftruppe" an, die in solchen Fällen aktiv wird. In den vergangenen Tagen hat Wöber an zwei Standorten im Hafenlohrtal sogenannte Locktöpfe aufgestellt. Gefüllt sind diese zu je einem Drittel mit dunklem Bier, süßem Weißwein und Fruchtsirup. Diese Mischung, so hat sich gezeigt, zieht die Asiatische Hornisse ebenso wie die streng geschützte heimische Hornisse magisch an.

Wöber hat das Gemisch in verschlossene Gläser gefüllt. In einem Schlitz im Deckel steckt ein Schwammtuch; darüber steigt der Lockstoff nach oben. Und siehe da: Schon bald landen die ersten Hornissen, asiatische wie einheimische.
Am Donnerstagabend beobachtet neben Wöber auch Sarah Ritzheim das Schauspiel. Die 37-Jährige wohnt im Torhaus Breitfurt im Hafenlohrtal. Seit diesem Jahr hat sie als Jungimkerin zwei Bienenvölker im Garten stehen. Auf jedem der beiden Bienenstöcke hat Wöber einen Locktopf platziert. Fast im Minutentakt schweben Hornissen herbei.
Teils landen sie auf den Locktöpfen und laben sich an dem für sie köstlichen Gemisch. Teils landen sie aber auch direkt vor den Ausfluglöchern der Bienenkästen. Und Zack, greift sich eine der Asiatischen Hornissen eine der bei den derzeit niedrigen Temperaturen etwas behäbig daherkommenden Bienen.
Hornissen überwiegen schnell im Ringkampf mit Bienen
In einer Art Ringkampf purzeln die beiden Insekten hinunter ins Gras. Dort gewinnt die deutlich größere Hornisse schnell Oberhand. Wenig später beginnt sie mit ihren Kieferzangen mit dem Zerlegen der Biene bei lebendigem Leib. Die "Filetstücke" werden als Eiweißquelle ins Hornissennest geschafft.
Genau das ist der Moment, der Richard Wöber derzeit am meisten interessiert. Denn die Richtung, in die die Hornissen vom Bienenstock aus wegfliegen, ist vorerst der einzige Hinweis darauf, wo sich das Nest befinden könnte.
Sobald sich die Bewohner des irgendwo in einem Umkreis von wohl nicht mehr als zwei Kilometern verborgenen Hornissennests auf die von Wöber aufgestellten Locktöpfe beziehungsweise auf die Bienenvölker richtig eingeflogen haben, beginnt die zweite Phase der Suche. Dann werden Wöber und seine Mitstreiter die Hornissen mit aufgeklebten Farbplättchen markieren.
Danach wird die Zeit gemessen, die die markierten Hornissen brauchen, um vom Locktopf zum in der Regel kaum weiter als einen Kilometer entfernten Nest zu fliegen und wieder an den Locktopf zurückzukehren. Anhand von Flugrichtung und Flugzeit wird sodann versucht, das Suchgebiet einzugrenzen, in dem das Nest liegen müsste.
In Nestnähe können die Tiere sehr aggressiv sein
Sollte es gefunden werden, muss es im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes mitsamt den Bewohnern vernichtet werden. Wer diese Aufgabe übernimmt, ist noch offen. Laut Wöber gibt es nur wenige auf diese Tätigkeit spezialisierte Experten. Denn wenngleich die Asiatische Hornisse im Allgemeinen nicht als aggressiv gilt, ist von ihr bekannt, dass sie ihr Nest vehement verteidigt.
Mit einem normalen Imker-Schutzanzug könne man sich einem solchen Nest nicht nähern, weiß Wöber: "Den beißen die durch." Deswegen habe man auch spezielle Schutzanzüge angeschafft, die sich in Spanien bewährt hätten – zum Preis von mehreren Hundert Euro pro Stück.
So oder so muss laut Wöber klar sein: "Das Entfernen eines Nestes ist was für Profis." Auf keinen Fall solle sich irgendwer in Eigenregie einem solchen Nest nähern. Unter Umständen werde selbst die "schnelle Eingreiftruppe" des unterfränkischen Imkerverbandes einen Kammerjäger oder die Feuerwehr hinzuziehen. Das hänge ganz von der Lage des Nestes ab, welches die Asiatische Hornisse mitunter frei hängend hoch oben in Bäumen baut.

Die meisten Imker sehen die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse zumindest derzeit noch gelassen, sagt Wöber. Das liege auch daran, dass die Hornisse in Deutschland bislang noch nirgendwo in einer Dichte vorhanden sei, die massive Folgen für die Imkerei hätte. In Baden-Württemberg seien jedoch bereits Hunderte Nester entfernt worden, sagt Wöber. Auch in Hessen, Saarland und Rheinland-Pfalz breite sich die invasive Art aus.
In Bayern ist die Lage im Vergleich dazu noch entspannter. Im Herbst 2022 war eine einzelne Hornisse bei Neuhütten gesichtet worden. Erste Nester wurden in der jüngeren Vergangenheit in den Landkreisen Miltenberg und Aschaffenburg entdeckt.
Wöber indes ist sich sicher: "Die werden wir nicht mehr los." Ziel müsse es sein, die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse durch Bekämpfung der Nester möglichst zu bremsen und das Vorkommen der Art auf einer Ebene zu halten, "mit der man zurechtkommen kann."
Hierzulande sind bisher keine Völkerverluste bekannt
Matthias Meidel, Bezirksvorsitzender des Imkerverbands Unterfranken, spricht davon, dass die Asiatische Hornisse nach Hochrechnungen bis 2050 große Teile Europas besiedelt haben wird. In Deutschland seien bislang noch keine Verluste an Bienenvölkern durch die Asiatische Hornisse bekannt, so Meidel. Sofern die Art jedoch eine Dichte von zehn oder mehr Nestern pro Quadratkilometer erreiche, könne sich das schnell ändern. Die hierzulande mit dem Thema befassten Akteure täten "alles Erdenkliche dafür, dass die Ausbreitung so langsam wie möglich vonstattengeht. Verhindern werden wir sie aber nicht", so Meidel.
Für die Bevölkerung geht von der Asiatischen Hornisse zunächst keine große Gefahr aus. Grundsätzlich, so Meidel, sei die Art nicht aggressiver beispielsweise als die heimische Hornisse. Auf Störungen in Nestnähe jedoch reagiere die invasive Art im Vergleich dazu "sehr aggressiv". Meidel spricht davon, dass sich in Frankreich zum Teil Erntehelfer nicht mehr in manche Weinberge trauten, weil sie dort von den Hornissen attackiert worden seien.

Von solchen Zuständen ist man in hiesigen Gefilden noch weit entfernt. Und so beobachtet auch Imkerin Sarah Ritzheim das Treiben der Asiatischen Hornisse im Umfeld ihrer Bienenstöcke am Torhaus Breitfurt im Hafenlohrtal noch ganz gelassen: "Ich mache mir noch nicht so einen Kopf", sagt die 37-Jährige. Auch die heimische Hornisse greife sich hin und wieder eine Biene. Man müsse einfach beobachten, wie sich die Dinge mit der Asiatischen Hornisse entwickelten, sagt die Imkerin.
Richard Wöber indes bekennt, dass bei ihm nun "schon ein gewisser Jagdtrieb" erwacht sei. Er will in den nächsten Tagen die im Hafenlohrtal aufgestellten Locktöpfe genau im Auge behalten – und von dort aus nach dem Nest fahnden. Die Locktöpfe stehen an zwei unterschiedlichen Stellen. Unter Umständen, so sagt Wöber, könne man also "per Kreuzpeilung" nach dem Nest fahnden.