Volles Haus im Lohrer Starthouse: Rund 70 Studierende haben am Donnerstag im Digitalen Gründerzentrum gemeinsam mit Unternehmensvertretern, Start-up-Gründern und vier Trainern nach innovativen Lösungen gesucht. Zehn Teams stellten sich bei der Startup Competition unterschiedlichen Problemen, die Main-Spessarter Firmen den Arbeitsalltag erschweren, oder entwickelten für sie neue Ideen für eine zukunftsfähige Digitalisierung.
Was sich sehr theoretisch anhört, hatte einen ganz praktischen Hintergrund: Auf dem Betriebshof der Karlstadter Firma Münch kommt es etwa häufig zu Stau, weil viele Lastwagen gleichzeitig eintreffen und abgeladen werden müssen. Um die Nerven des Staplerfahrers zu schonen, wünschte sich das Unternehmen eine App, mit der sich das Be- und Entladen besser planen lässt. Das Autohaus Grampp erhoffte sich eine digitale Anwendung, mit der es die Zettelwirtschaft beim Ausliefern von Fahrzeugen zu Kunden in ganz Deutschland ablösen kann. Bisher werden die Disponenten noch telefonisch angefragt, ob sie Fahrten übernehmen und müssen alles handschriftlich dokumentieren.
Digitale Alternative für Kantine
Aber auch ganz grundlegende Bedürfnisse wollten befriedigt werden: Die Lohrer Nikolaus Sorg GmbH hat Mitarbeiter, die mittags Hunger haben, aber keine Betriebskantine. Deshalb suchte sie eine digitale Lösung, mit der ihre Angestellten bei lokalen Partnern aus der Gastronomie einen Mittagstisch bestellen oder sich Essen von ihnen liefern lassen können.
Sylvio Lauerbach ist Leiter der Automatisierungstechnik bei Sorg und vermisst nach eigener Aussage seit seinem Arbeitsbeginn vor 28 Jahren eine Kantine. Er ist begeistert über die Kreativität der Studierenden in seinem Team und würde sich wünschen, dass ihre Ideen umgesetzt werden. "Ob das ökonomisch möglich ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt", sagt er.
Anja Güll leitet das Lohrer Starthouse und hat auch bei den anderen Firmen "ein ernsthaftes Interesse an der Umsetzung" ausgemacht. Ihr war der Mix aus Unternehmensvertretern, Gründern und Studierenden in den Teams wichtig, damit die Teilnehmer der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) "das Start-up-Feeling erleben". Der Wunsch nach einem solchen Format, bei dem an konkreten Praxisthemen gearbeitet wird, sei aus den Unternehmen gekommen, berichtet die 29-Jährige.
Gemeinsam mit dem Projekt Entrepreneurship der FHWS, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird und darauf abzielt, "innovative Potenziale zu heben", hat das Digitale Gründerzentrum den Tag organisiert. Ulrike Machalett-Gehring koordiniert das Projekt und betont, dass es zielführend sei, wenn sich Studierende auch mit der Selbstständigkeit befassen. "Eine Unternehmensgründung ist die gleichberechtigte Option zum Angestelltsein", sagt sie und verweist dabei auf das große Netzwerk in der Region, das für Gründer immens wichtig sei.
Jan Vahrenhold ist einer der Teilnehmer, der sich vorstellen könnte, selbst einmal ein Start-up zu gründen. Der 24-Jährige aus Dresden studiert in Würzburg Geovisualisierung, wo es unter anderem um digitale Kartografie, 3D-Visualisierung und virtuelle Realität geht. Zu Letzterem hätte er eine Gründungsidee, die aber noch nicht spruchreif sei. Von der Startup Competition erhofft sich Vahrenhold, die Fähigkeiten mitzubekommen, "um das, was er sich überlegt hat, noch mal professionell durchzudenken".
"Auch mal falsch denken"
Gründungscoach Michael Kriegel, der den Teilnehmern beratend zur Seite stand, betonte bereits bei der Begrüßung, dass jeder "innovativ und unternehmerisch denken" kann. Sein Kollege Ferdinand Grah wies darauf hin, dass es bei einem kreativen Prozess dazugehöre, "auch mal falsch zu denken". Das überbot die Business-Strategin und zweifache Start-up-Gründerin Isabella Krech mit der Aussage, dass "auch Nichtwissen eine Ressource ist". Außerdem machte der straffe Zeitplan eines klar: In der Start-up-Welt wird Tempo vorgelegt. "Am besten ist alles schon gestern fertig", gab Krech als Motto aus.
Nachdem sich die zehn Teams tagsüber intensiv mit ihrer Herausforderung auseinandergesetzt und ihre Ideen auf den beschreibbaren Wänden des Gründerzentrums gesammelt hatten, ging es am Abend darum, die Lösung zu präsentieren. Für den sogenannten Pitch, also die überzeugende und im besten Fall unterhaltsame Vorstellung ihrer Idee, bekam jedes Team nur zwei Minuten Zeit.
Zwei Minuten zum Überzeugen
Auf der Bühne der Lohrer Stadthalle bewiesen die Teilnehmer dann vor einer vierköpfigen Profi-Jury und dem Publikum, wie kreativ sie sind. Dabei waren auch schauspielerische Fähigkeiten gefragt: So stellte ein Team beispielsweise gelungen vor, wie ein überforderter Ferienarbeiter bei Schneider Electric in Marktheidenfeld an einer Störung seiner Produktionsmaschine verzweifelt. Diese lässt sich mit dem erdachten Sprachassistenten, der Punkt für Punkt erläutert, wie sich die Maschine wieder in Gang bringen lässt, einfach beheben.
Die aus Jürgen Hartmann, Vizepräsident für Forschung, Wissens- und Technologietransfer an der FHWS, Peter Kneipp von Warema, Katharina Geusken von der Techniker Krankenkasse und Martin Pütz von Gerresheimer Lohr zusammengesetzte Jury hatte es offenbar nicht leicht, sich für einen Gewinner zu entscheiden. Schließlich kürten sie das Team, das eine App präsentierte, mit dem das Autohaus Grampp die Lieferung von Fahrzeugen an seine Kunden digital organisieren kann.
Das Publikum wählte hingegen das Team, das im Auftrag des Start-ups yungbusy MSP ein digitales Netzwerk von Auszubildenden und Berufseinsteigern vorstellte. Die Studenten gewannen einen kostenlosen Monat im Starthouse Lohr. Nicht nur Starthouse-Leiterin Anja Güll ist nun gespannt, welche Ideen letztlich in den Firmen umgesetzt werden.