Wenn der Putz an der Schule bröckelt oder die Straße löchrig ist, sieht das jeder. Für Reparaturen muss man die Bürger nicht um Verständnis bitten. Wasserleitungen und Abwasserrohre sieht man dagegen nicht. Sie liegen unter der Erde, sind aber genauso wichtig wie die oberirdische Infrastruktur. Das klarzumachen, ist Ziel der bayernweiten Informationskampagne „Schau auf die Rohre“. Unterfranken ist der erste Bezirk des Freistaats, in dem sie präsentiert wurde, Gemünden war die Stadt, in der das geschah.
Auf die Rohre zu schauen, war den Fünfklässlern der Gemündener Mittelschule nicht genug. Sie wollten reinschauen und gingen vor der Scherenberghalle in die Knie, um in die Enden des auf dem Pflaster vor dem Eingang verlegten Rohrnetzes zu spähen. Tut sich in den orangefarbenen Plastikrohren etwas? In einer der Abzweigungen surrt es leise. Lichtpunkte nähern sich dem Rohrende.
„Aus dem Rohr kommt er“
„Aus dem Rohr kommt er.“ Sofort sammeln sich die Jugendlichen um das offene Ende. Jeder will wenigstens einen kurzen Blick auf den Roboter werfen, der ferngesteuert im Rohr unterwegs ist. Den besseren Blick hat man allerdings vor den Monitoren des Transporters, in dem die Bilder der Roboterkamera empfangen werden. „Ich hab' dich auf dem Bildschirm gesehen“, informiert denn auch einer der Jugendlichen einen Mitschüler.
Gesichter sind sonst nicht auf den Bildschirmen zu sehen, wenn die Mitarbeiter der Gemündener Firma Remondis, die die Rohruntersuchung vorführten, ihrer Arbeit nachgehen. Sie suchen nach Schäden im Rohr – verursacht durch die Alterung des Materials, durch Ablagerungen, durch Wurzeln, Fehler beim Einbau – die oberirdisch nicht zu erkennen sind.
Kommunal- und Fachverbände dabei
„Das Unsichtbare sichtbar machen“ brachte Daniel Eckstein, Geschäftsführer des Landesverbands Bayern der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA), das Ziel der Kampagne „Schau auf die Rohre“ auf den Punkt. Neben der DWA beteiligen sich an der Initiative des bayerischen Umwelt- und Verbraucherschutzministeriums das Landesamt für Umwelt und die Wasserwirtschaftsämter, Städte- und Gemeindetag sowie als weitere Fachverbände der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW), der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW).
Den Aufwand, der betrieben werden müsse, um Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sicherzustellen, und die dafür notwendige Fachkompetenz, sähen die Bürger meist nicht, stellte Landrat Thomas Schiebel fest. „Nur, wenn's nicht funktioniert.“ So wie vor kurzem in Retzbach, wo das Trinkwasser nach Keimfunden eine Zeit lang abgekocht werden musste. Das Abkochgebot wurde inzwischen wieder aufgehoben.
Kapazitätsgrenze in manchen Orten erreicht
Das Landratsamt beschäftigen Wasser und Abwasser noch aus einem anderen Grund, so Schiebel. Man müsse ihretwegen immer mehr Baugenehmigungen ablehnen. Erschließungen mit Straßen seien gesichert, nicht aber Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die mancherorts an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. „Es ist nicht lustig, wenn man als Landrat erklären muss, dass es in einer Gemeinde keine Baugenehmigungen mehr gibt“, so Schiebel.
Damit hat die Stadt Gemünden kein Problem, die zusammen mit Lohr und Obernburg (Lkr. Miltenberg) Beispiele der Beschäftigung mit Wasser und Abwasser lieferte. Gemünden arbeite seit knapp 20 Jahren intensiv daran, erläuterte Bürgermeister Jürgen Lippert. Für die Kanalisation sei zum Beispiel ein Altersprognosemodell entwickelt worden, das es möglich machte, den Zustand des gesamten Kanalnetzes abzuschätzen, obwohl nur ein Fünftel tatsächlich befahren worden war. Für die Wasserversorgung habe man in den vergangenen fünf Jahren ein zweites Standbein aufgebaut. Mehr als 40 Millionen Euro seien in Abwasserentsorgung und Wasserversorgung investiert worden.
Wasser rauschen hören
Damit will man nicht zuletzt verhindern, dass es zu Wasserrohrbrüchen kommt. Wie man die findet, das konnten die Fünftklässler der Gemündener Mittelschule bei Stefan Hofmann ausprobieren. Der Mitarbeiter der Firma Locatec aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) hatte einen Lauschapparat dabei, mit dem das Geräusch identifiziert wird, das Wasser beim Austritt aus einem Rohr verursacht.
Dazu sollten ringsum aber keine Störgeräusche auftreten. Das war in der Scherenberghalle nicht machbar. Wer dort den Boden abhörte, der hatte eine Lärmkulisse wie in einem vollen Stadion auf dem Kopfhöhrer, obwohl die Besucherzahl von „Schau auf die Rohre“ noch nicht mal einen einzigen Stadionblock gefüllt hätte.
Abwasser | Trinkwasser | |
Länge der öffentlichen Netze in Bayern | 100 000 Kilometer | 120 000 Kilometer |
im Freistaat angeschlossene Haushalte | 97 Prozent | 99 Prozent |
durchschnittliche Gebühr je Kubikmeter | 2,13 Euro | 1,69 Euro |
Erneuerungsbedarf des Netzes | rund 15 Prozent | 10 bis 15 Prozent |
Länge des Netzes in Gemünden | 120 Kilometer | 110 Kilometer |
von Gemünden versorgte Einwohner | 13 000 | 11 000 |