Die Schulabbrecherquote im Landkreis Main-Spessart ist mit 1,7 Prozent so gering wie in keinem anderen Landkreis in Deutschland. Für die besonders im Fokus stehenden Mittelschulen geben Schulamtsleiterin Doris Grimm und zwei Rektorinnen Auskunft, wieso das bei uns so ist.
Im Jahr 2015(*) haben in ganz Deutschland 47 435 Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen, das sind 5,9 Prozent aller Schulabgänger. Am höchsten war der Anteil der Schulabbrecher mit beachtlichen 15,6 Prozent im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt. Doch wie lassen sich solche starken Schwankungen von Landkreis zu Landkreis erklären?
Drei Faktoren entscheiden
Nach einer gemeinsamen Studie der Caritas und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) gibt es drei Faktoren, die hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Zum einen das Bundesland, zum anderen der Anteil der Förderschüler und schließlich die Arbeitslosenquote. Demnach schaffen in Räumen mit vielen Arbeitslosen viele Schüler den Abschluss nicht; im Umkehrschluss bleiben Menschen ohne Abschluss häufig auch arbeitslos.
Mit einer Arbeitslosenquote von 2,3 Prozent lag der Landkreis Main-Spessart 2015 zwar deutlich unter dem deutschen Durchschnitt von 6,4 Prozent, unterschied sich hier jedoch kaum von anderen, schlechter abschneidenden Landkreisen. Dasselbe gilt für den Anteil an Förderschülern.
Großes Angebot an Jugendsozialarbeit
Schulamtsleiterin Doris Grimm (Karlstadt) führt das gute Abschneiden des Landkreises deshalb eher auf das große Angebot der Jugendsozialarbeit an den Mittelschulen in Main-Spessart zurück: „Die Sozialpädagogen können sich individuell um Probleme einzelner Schüler kümmern sowie engen Kontakt zu den Lehrkräften und darüber hinaus zum Elternhaus halten.“ Sie nennt als Beispiel die Praxisklassen in Karlstadt und Marktheidenfeld, in denen Jugendlichen ermöglicht wird, einen erfolgreichen, theorieentlasteten Mittelschulabschluss zu erreichen. „Der Unterricht und die Prüfung wird in diesen Klassen individuell auf die Schüler zugeschnitten“, erläutert Grimm.
Förderpläne für schwache Schüler
Ähnlich sieht das auch Marion Ulrich, Schulleiterin an der Mittelschule in Karlstadt: „Wir setzen ganz stark auf Förderung. Meine Kollegen hier im Landkreis werden genauso arbeiten. Wir erstellen Förderpläne für schwache Schüler, bieten die modulare Förderung für die 5. und 6. Klassen an, haben Beratungslehrkräfte und führen das alles konsequent und bewusst durch. Wir achten auf jedes einzelne Kind und bemühen uns, jeden Schüler so lange an der Schule zu halten, dass keiner die Schule ohne Abschluss verlässt.“
Über Jahre etabliert und entwickelt hat sich die Zusammenarbeit mit den Sonderpädagogischen Förderzentren und schulfördernden Projekten. So wird beispielsweise mit der Teilnahme am Projekt „Roven“ der Koordinierungsstelle Schulverweigerung eine nachhaltige Senkung der Zahl der Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, angestrebt. Jugendliche, die Schulverweigerung zeigen, sollen aufgefangen und wieder ins Schulsystem integriert werden.
Susanne Rinno, Rektorin an der Gustav-Woehrnitz-Mittelschule in Lohr, verweist auf die starke Zusammenarbeit von Schulamt, Agentur für Arbeit und Jugendamt: „In allen Mittelschulen in Main-Spessart wird eine Berufseinstiegsbegleitung der Agentur für Arbeit über freie Träger angeboten. Jugendliche mit kritischem Standpunkt fallen so eher auf und werden aufgefangen.“
Caritas-Zahlen schärfen den Blick
Seit dem Jahr 2012 wertet die Caritas jährlich die Zahlen der amtlichen Statistik zu den Schulabgängern ohne Abschluss aus. Damit will sie den Blick auf die jungen Leute lenken, die in einer Gesellschaft, deren Arbeitsplatzangebot immer mehr durch Bildung bestimmt ist, eine schlechte Ausgangsposition haben. Auch der Anfang März veröffentlichte Chancenspiegel 2017 der Bertelsmann Stiftung verdeutlicht die zunehmende Schulabbrecherquote in Deutschland – mit besonderem Blick auf Jugendliche mit Migrationshintergrund. Für diese Schüler sei das Risiko eines Abbruchs mehr als doppelt so hoch wie für ihre deutschen Mitschülerinnen und Mitschüler.
Im Landkreis Main-Spessart gibt es deshalb spezielle Maßnahmen, um Jugendliche mit Migrationshintergrund zu fördern und zu integrieren. Hierzu gehören das Besuchen von Übergangsklassen, die Sprachförderung und positive Lehrer-Schüler-Beziehungen. „Das alles sind wirksame Instrumente, die zu einem erfolgreichen Abschluss führen“, erläutert Schulamtsleiterin Grimm.
Die Gründe, warum der Schulamtsbezirk Main-Spessart als bester Landkreis abschneidet, seien also vielfältig, wie Grimm betont. Das Engagement der Lehrkräfte spiele aber eine besonders große Rolle und sei nicht in jedem Landkreis so selbstverständlich.
(*) Aktuellere Zahlen der Caritas werden erst im Januar 2018 veröffentlicht.