
In Karlstadt erzählte man sich einst, es sei das längste Förderband Europas, das den Steinbruch auf der linken Mainseite mit dem Zementwerk verbindet und dessen Konstruktion an die Golden-Gate-Bridge in San Francisco erinnert. 800 Meter Entfernung werden damit überwunden. 400 Tonnen Gestein kann es pro Stunde ins Zementwerk befördern. Bevor es 1961 errichtet wurde, kam der Rohstoff auf eine andere Weise über den Main: per Seilbahn. Insgesamt waren es sogar drei verschiedene Seilbahnen, von denen noch heute übrig gebliebene Fundamente zeugen.

Im Jahrbuch zur Geschichte Karlstadts (Ausgabe 2929/21) schildert Martina Amkreutz-Götz, dass 1888 die erste Seilbahn in Betrieb ging. Sie transportierte Muschelkalk und gebrannten Romankalk ins Zementwerk. In einem Bericht über die Zeit vor 1900 heißt es, dass täglich 4000 Zentner Kalkstein befördert werden. Das sind 200 Tonnen, also ungefähr fünf große Lastwagen voll. Das Material rutschte zunächst in einer Röhre am Hang des Gutsbergs hinab, ehe es in die Gondeln der Seilbahn verladen wurde.

Das scheint sich bewährt zu haben, denn 1898 wurde eine zweite Seilbahn gebaut, die zunächst vom damaligen Hafen ins Werk führte. Schon zwei Jahre danach wurde sie verlängert bis hinüber in den Steinbruch. Und 1907 folgte Seilbahn Nummer drei auf der Linie, wo sich heute das Förderband befindet.

Ältere Karlstadter erinnern sich noch gut daran, dass man früher von der Stadt aus in den Steinbruch schauen konnte. Bei Kleinlaudenbach war nur noch ein Bergsporn stehengeblieben. In der Lücke dazwischen begann das zweite Förderband. Sie ist heute längst mit Abraum aufgefüllt und bewaldet.
Überstunden für mehr Gestein
Auch früher schon wurde das Gestein vor seinem Weg über den Main noch im Steinbruch in einem Brecher zerkleinert. Ein älterer Laudenbacher, der Anfang der 1950er Jahre seine Lehrzeit bei Schwenk antrat, beschreibt diesen so: "Am Brecher gab es zwei Rotoren mit jeweils vier Hämmern daran, die das Gestein zerkleinerten. Dieses kam anschließend in den Bunker, an dem die Seilbahn hinüber ins Werk nach Karlstadt startete. Beim Befüllen der Seilbahnkästen ging manchmal die Bunkerklappe nicht zu. Dann wurde die Seilbahn gestoppt und einer der Arbeiter musste mit einer Schaufel den entstandenen Steinhaufen beseitigen."
Der Mühlbacher Adolf Herrmann berichtet im Jahrbuch: Wenn die Bunker drüben im Zementwerk nicht ausreichend mit Material gefüllt waren, "mussten wir abends noch einmal kommen und weiter laden".

Die leer ankommenden Förderwagen klinkten auf der Laudenbacher Seite automatisch aus. Waren sie befüllt, so war ein Arbeiter dafür zuständig, sie jeweils in gewissen Abständen auf die Reise über den Main zu schicken. Auf der Karlstadter Seite wurde das Gestein in einer Mühle weiter zerkleinert.
Schon 1921 wieder abgebaut
In der Steinbruch-Chronik wird von einem alten und einem neuen Steinbruch berichtet. Der neue Bruch hat den Gutsberg aus Richtung Kleinlaudenbach her angegraben. Die Chronik berichtet weiter, dass 1921 ein Stollen vom alten Bruch zum neuen Bruch gebaut wurde mit einem Sturzloch zur Verladestation der dritten Seilbahn. Damit wurde die zweite Seilbahn überflüssig und noch im selben Jahr demontiert – bis auf ein Fundament am Fußballplatz.

Seilbahn eins dagegen blieb bestehen zum Transport von Roman-Kalk. Der Laudenbacher berichtet, dass er um 1960 herum an der Demontage der Holzständer mitgearbeitet hat. Betonsockel von dieser ersten Seilbahn stehen heute noch zwischen Mühlbacher Mainufer und Radweg.
1953 begann die Vereinigung des alten und des neuen Bruchs. 1959 wurde der Romankalkofen auf dem Gutsberg stillgelegt und durch einen neuen Ofen im Steinbruch in der Nähe des Förderbands ersetzt. Er war bis 1973 in Betrieb.


Offenbar war vom Hafen aus auch Kohle mit einer Seilbahn zum Werk transportiert worden. Zement hingegen rollte in Wägelchen auf Schienen zum Hafen und wurde dort mit dem Kran auf Schiffe verladen. Wenn sich der Verfasser dieser Zeilen recht erinnert, rollten diese Wagen in den 1960er Jahren das leichte Gefälle von selbst hinab und wurden unten in ein Stahlseil zwischen den Gleisen eingehakt. Es war auch die Zeit, in Öl als Brennstoff für die Zementherstellung diente. Noch heute zeugt ein Ständer am Fußballtrainingsplatz davon, dass es eine Pipeline vom alten Hafen zum Zementwerk gab.

Mehrmals finden sich in der Chronik des Steinbruchs untertänigst formulierte Schreiben der "Portland-Cement-Fabrik Karlstadt am Main" an die "verehrte Gemeindebehörde Mühlbach" mit Bauanträgen zu Öfen, einer Schreibstube oder eines Unterkunftshauses. Der Steinbruch bescherte dem kleinen Mühlbach vergleichsweise hohe Steuereinnahmen. Der Ort galt bis zu seiner Eingemeindung als reich.
Abraum für die "Correctionsbauten"
In einem Bericht übers Zementwerk circa um 1900 herum heißt es, dass der Abraum aus dem Steinbruch dazu verwendet wurde, die "Correctionsbauten" des Mains aufzufüllen, also die durch Quer- und Längsbauwerke entstandenen Buhnenfelder. Eine Bremsbahn schaffte den Abraum zu Tal. Eine Bremsbahn besteht üblicherweise aus zwei parallel laufenden Schienensträngen, auf denen Loren rollen. Sie sind über ein Stahlseil verbunden, sodass die bergab rollenden beladenen Wagen die leeren Loren durch ihr Gewicht wieder nach oben ziehen. Ein Bremsapparat reguliert die Geschwindigkeit und gleicht den erheblichen Gewichtsunterschied zwischen den Loren aus.
