Ob Ostern oder Pfingsten. Für die Organisten der Herz-Mariä-Kirche ist immer Weihnachten. Wenn sie von ihrem Spieltisch auf den Seitenaltar vor sich blicken, sehen sie das ganze Jahr über ein prachtvolles Relief mit der Geburt Christi, ein bedeutendes Kunstwerk aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg. So werden sie das ganze Jahr über an das Weihnachtsfest erinnert.
Für die Kirchenbesucher ist das Altarbild etwas versteckt im rechten, seitlichen Chorraum. Weil es nicht in ihrem direkten Blickfeld liegt, wird es leider zu wenig beachtet und wertgeschätzt. Wer aber vermutet in einer Kirche, die im kommenden Jahr erst ihr 65. Weihejubiläum feiert, recht modern und zeitgemäß ausgestattet ist, auch einen solch künstlerisch wertvollen Schatz?
Einziges Vergleichsstück im Mainzer Dom
Das außergewöhnliche Kunstwerk schmückt den Seitenaltar im Chor der Oberndorfer Herz-Mariä-Kirche. Das Hochrelief, das 1,80 Meter hoch und 1,30 Meter breit ist, hat seinesgleichen nur am "Bassenheimer Altar" im Dom zu Mainz und stammt aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg. Mit stark bewegten, pathetischen Gestalten, die eine innere Erregung widerspiegeln, schildert das Relief das Geschehen in der Heiligen Nacht, die Anbetung der Hirten, die Geburt Christi".
Das Kunstwerk ist in den "Kunstdenkmäler Bayern – Bezirksamt Marktheidenfeld" erfasst und beschrieben. Der Künstler Johannes Junker gilt als einer der talentiertesten Bildhauer des werdenden Barocks. Das Relief erwies sich als eine typische Arbeit aus der Zeit um das Jahr 1610. Die Beziehungen zu dem aus der Werkstatt Walldürn stammenden und später in Aschaffenburg tätigen Johannes Junker (1587–1624) treten deutlich hervor.
Ursprünglich hing der Altar im Triefensteiner Kloster
Doch wie kommt ein so bedeutendes Kunstwerk ausgerechnet in die relativ neue Oberndorfer Kirche? Das Hochrelief wurde im Jahr 1803 nach der Auflösung des Augustiner-Chorherrenstifts Triefenstein im Zuge der Säkularisation von dem kunstsachverständigen Pfarrer Külsheimer für die Esselbacher Pfarrkirche angekauft. Es ist nur ein Teil der beachtlichen Kunstwerke, die im Kloster Triefenstein ihre Heimat hatten.
Da in der Esselbacher Kirche kein Platz dafür war, kam es in die damals (1803) neu erbaute Oberndorfer Kapelle. Das Kunstwerk schmückte den Altar dieser Kapelle, die bis zum Neubau der Kirche (1955) das einzige Gotteshaus der Gemeinde war. Die Oberndorfer Kapelle sollte damals als Bethaus für kranke, ältere und schwächliche Leute dienen, die den sonntäglichen Gottesdienst in Esselbach nicht mehr besuchen konnten.
Längere Zeit im Mainfränkischen Museum ausgestellt
Den Grund und Boden für die Kapelle stellte ein Johannes Väth aus Oberndorf zur Verfügung. Das Grundstück wurde später der Kirchenstiftung übergeben. Die alte Kapelle steht in der Grundstraße gegenüber der alten Schule, die heute als Rathaus und Sparkassen-Zweigstelle genutzt wird. Seit dem Kirchenbau wird die alte Kapelle nach einem Umbau und ihrer Renovierung seit August 1960 als gemeindliche Kriegergedächtnisstätte genutzt.
Wegen Feuchtigkeitseinwirkungen in der unbeheizten Kapelle musste der Altar mehrmals restauriert werden. Zuletzt geschah dies in einer Würzburger Vergolderfirma unter Aufsicht des Landesamtes für Denkmalpflege. Nach der Wiederherstellung wurde das Kunstwerk längere Zeit auf Bitten des Direktors des Mainfränkischen Museums dort in Würzburg ausgestellt und hat große Beachtung gefunden.
Seit Ostern 1967 hat das Relief wieder seinen Platz in Oberndorf, am Seitenaltar der neuen Kirche. Nur wenige Eingeweihte wissen die Bedeutung des Kunstwerks. Um es vor einem Diebstahl zu schützen, wurden vor einigen Jahren entsprechende Sicherungsmaßnahmen durchgeführt.
Quellen: Monatsheft des "Spessart", Ausgabe Juni 1967 und Chronik der Herz-Mariä-Kirche Oberndorf 2015 zum 60jährigen Weihejubiläum.